Category Archives: Allgemein

Allgemein

Grün malad

Published by:

FotoKommen und gehen! Werden und Sterben! Was einem in diesen Tagen doch nicht alles durch den Kopf geht, wenn man so am Frühstückstisch sitzt und über den Rand der geerbten Kaffeetasse ein geliebtes Wesen sieht, dem es offensichtlich nicht mehr so besonders gut geht. Ach, was! Dem man ansieht, dass man sich vielleicht nicht mehr allzu lange hat.

Ich hatte vor kurzem schon einmal darüber berichtet. Es ist jetzt schon ein paar lange Monate her, dass ich an einem heißen Hochsommertag ein kleines Basilikumstöckchen gekauft hatte. Es kostete € 1,99, war also ein Sonderangebot, oder – man schämt es sich fast zu sagen – eine Art Wegwerfware. Kurz gebraucht und dann weg damit. Das Stöckchen aber war gekommen, um zu bleiben.

Denn es  kam alles ganz anders.

Denn was wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon von der Lebenserwartung einer solchen Pflanze? Nichts. Kein Pflanzenführer dekorierte mein Ikearegal. Die Hollandtulpen kamen und gingen, und auch die quäkende Stimme einer Fernsehmoderatorin im Dritten, inmitten eines Blumenbeetes schwäbisch dozierend, machten keine Lust, mich ins Pflanzliche einzuarbeiten. Aber wie das halt so ist: Not lehrt einem so Manches.

Nach langer Zeit, die ich gar nicht als so lang empfunden hatte, bemerkte ich eines Tages, dass sich bei meinem Basilikum ein Blättchen eingefärbt hatte, da, wo bislang ungestümes Grün wucherte und kraftvoll Unvergänglichkeit suggerierte. Das erste Braun. Dann fiel das Blättchen ab. Erst eins, dann zwei, dann viele.

Mittlerweile war bei mir leichte Panik aufgekommen.

Ursprünglich eingekauft als reines Nutz- und Fressgrün, hatte sich das Pflänzchen, nachdem es mir unzählige Tomaten und Mozzarellas geschmacklich veredelt hatte, unmerklich zu einer Art Freudenpflanze gewandelt, die auch bei schlimmsten Radionachrichten stumm suggerierte: das Leben ist schön. Jedenfalls, solang du mich gießt. Und jetzt die abgefallenen Blättchen.

Meine eigentlich sehr nette türkische Nachbarin, von der es heißt, sie habe einen grünen Daumen, hatte einen, wie ich meine, viel zu kurzen Blick auf meine kleine Kranke geworfen. Danach diagnostizierte sie: „Wird nix“. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass ihr Deutsch vielleicht doch nicht so gut ist. Verärgert beschloss ich zudem, den Honig ihres Mannes, ein Hobbyimker und also das Beispiel einer gelungenen Integration, nicht mehr zu loben.

Fast trotzig galt fortan die Losung: Wir geben nicht auf. Das war die Botschaft. Kein Zweifel. Doch selbst ich muss mittlerweile einräumen: der Kleinen geht es nicht gut. Nein: eigentlich geht’s ihr immer schlechter. In letzter Zeit trinkt sie auch nicht mehr so richtig. Deshalb habe ich mir jetzt eine Art Pipette zugelegt, mit der ich behutsam Wasser zuführe, in das ich nach einem Tip aus dem Internet letzte Woche Eierschalen gelegt hatte. Stinkt zwar furchtbar, soll aber gut sein für die Pflanzen. Zimmertemperatur sowieso. Kein Schock.

Früher hatte mein Basilikumstöckchen seinen festen Platz am Küchentisch, gleich neben dem Fenster. Da es derzeit draußen tagsüber ziemlich duster ist, bin ich in den letzten Tagen dazu übergegangen, beim geringsten Anschein eines möglichen Sonnenstrahls das Töpfchen dem Licht entgegenzutragen. So haben wir gestern z.B. den Standort drei Mal gewechselt. Ansonsten erwäge ich – bei fortwährender nachwinterlicher Tristess – auch den Einsatz der Höhensonne. Was macht man doch nicht alles, wenn es einem geliebten Wesen nicht gut geht? Wenn’s hilft!

Natürlich kann man auf so einem Blog mein Seufzen nicht hören, doch hoffen wir, mein Pflänzchen und ich, trotz allem noch gemeinsam des Frühlings Erwachen  zu erleben. Und vielleicht werden wir beide demnächst sagen können: das sei alles nur ein böser Traum gewesen. Dieser lange Winter und unsere fallenden Blättchen.

Sicher bald mehr….

Allgemein Essen & Trinken

Wahre Freunde

Published by:

BasilikumWer uns öfter liest, weiß ja, dass wir bemüht sind, das gesamte Spektrum menschlicher Empfindungen zu thematisieren: Freude, Ärger, Liebe. Dies alles müssen wir jetzt aber leider um eine neue Facette ergänzen: Schmerz und Trauer; na, ja: Sorge. Ein bisschen jedenfalls.

Es hat nämlich den Anschein, als dass wir demnächst einen netten Kumpel verlieren. Ist so ein Verlust an sich schon schmerzlich, wird das Ganze noch schlimmer dadurch, dass der uns zeitlebens nie mit unqualifizierten Zwischenrufen, ansteckenden Erkältungen usw. genervt hat. Er war einfach da. Freundlich und nett.

Anfänglich hatten wir gedacht: wie schön, das ist jetzt mal ein Gast, der nicht so lange bleiben wird. Aber er blieb und wurde im Laufe der Zeit zu einer Art Familienmitglied, das freundlich und still uns immer daran erinnerte, dass es heutzutage auch noch Gäste gibt, die nicht nerven. Sie helfen ein bisschen mit im Haushalt, stehen einem nicht im Weg rum, sind nicht verhaltensauffällig und tragen auf ihre ganz eigene Art dazu bei, dass z.B. ein Essen gelingt. Wenn man sie nicht braucht, beschäftigen sie sich mit sich selbst und wenn man an ihnen rumzupft, macht ihnen das nichts aus. Unser kleiner Gast hat zudem noch die Angewohnheit, leicht zu nicken, wenn man ihn anspricht. Liegt aber wahrscheinlich an dem leichten Luftzug, dem er immer ein bisschen ausgesetzt ist.
Denn der Platz unseres lieben Gastes ist derzeit noch am Fenster, wo er, leicht grün im Gesicht, immer wieder den Kontakt mit der Sonne suchte. Er war schon der Dritte in einer Reihenfolge, und diesmal hatten wir für ihn, ein kleines Basilikumpflänzchen, € 1,99 bezahlt.

Ursprünglich war seine Rolle klar umrissen: es sollte uns mit seinen Blättchen die Tomaten und den Mozzarella begrünen und den kulinarischen Zweiklang mit jenem wunderbaren Geschmack und Duft abrunden, den so ein Blättchen halt an sich hat.

Jetzt, kurz vor Februar, ist ja keine Tomatenzeit. Jetzt warten wir ungeduldig auf den Sommer. Aber in der Zwischenzeit hatte unser kleiner fleißiger Gast ja nichts zu tun. Seine Blättchen grünten und wuchsen sozusagen umsonst, aber so emsig, als ginge es schon morgen wieder los.

Altes Grün verging, neue Triebe kamen. Das Pflänzchen war gekommen, um zu bleiben. So wandelte sich das Grün im Plastiktöpfchen in seiner stillen Art von einer Nutzpflanze zu einem reinen Freudenpflänzchen. Da stand es und freute sich, dass es noch da war, acht Monate alt und immer noch da. Und ein Ende schien nicht abzusehen.

Und doch meinen wir allmählich, eine kleine Veränderung zu bemerken. Die Blätter sind nicht mehr so kräftig. Wäre es ein Mensch, würde man sagen, er steht in der letzten Zeit morgens etwas später auf. Das würde uns Sorgen machen. Könnte ja aber auch sein, dass das kleine Basilikumflänzchen nicht mehr das Gefühl hat, es würde gebraucht. Ist natürlich auch schwierig, so ganz ohne Tomaten.

Jetzt wollen wir aber erst mal rübergehen und nachschauen, wie’s ihm heute so geht, dem kleinen Gast. Vielleicht sollten wir ihm ein bisschen Mozart vorspielen oder aus der Zeitung vorlesen. ‚Gemischtes’ vielleicht? Jedenfalls keine Todesanzeigen. Damit er nicht noch auf dumme Gedanken kommt…

Wird das Pflänzchen überleben? Wird es durchhalten? Wir berichten jedenfalls weiter!

Allgemein

Ach, die Russen…Teil 1

Published by:

IMG_0597Wieso unsere Gäste wieder einmal Iwan Turgenjew lesen sollten

Für die Russen ist die Lichtentaler Allee so etwas wie die Rennstrecke in die Vergangenheit. Täglich machen sich ganze Scharen russischer Besucher auf, um sich spazierend zurück zu träumen in eine bessere Welt, damals, als Russland noch groß und der Zar noch am Leben war. Es hat den Anschein, als liebten die Russen die Allee. Fast noch mehr, als es die dort watschelnden Enten tun.
Wer beim allfälligen Spaziergang jedoch den Blick schweifen lässt, dem wird das Denkmal von Iwan Turgenjew auffallen, das, oft mit Blumen dekoriert, ebenfalls von der glorreichen Zeit berichtet, als Baden-Baden noch die ‚Sommerhauptstadt Europas‘ genannt wurde und der Zarenhof mit Kind, Kegel, Bediensteten und Mätressen alljährlich hier Quartier nahm. Und mit im Gefolge die Creme de la Creme der russischen Dichter, die als Hofpoeten allerdings nicht so recht taugen wollten.
Den Mythos begründet, dass Baden-Baden eine beinahe russische Stadt sei, haben sie allemal. Wer sieht, wie andächtig russische Besuchergruppen Dichterhäusern Referenz erweisen, wie ihre blonden Töchter einen Augenblick lang das iPhone vergessen und die Väter kurz den Blick vom ‚Löwenbräu‘ nehmen, der ahnt, wieviel auch dem einfachen Russen seine Dichter bedeuten. Und doch wäre es der russischen Selbsterkenntnis durchaus zuträglich, nähme man sich Zeit für deren Lektüre. Was ein Stück weit auch mit der derzeitigen Lage zu tun hat.

Es soll hier keineswegs die derzeitige Malaise Russlands mit den durch Putin und den seinen hervorgerufenen Großreichträumen im Detail dargestellt werden. Die Lage scheint nur so zu sein: bedingt durch den Absturz des Ölpreises nebst Sanktionen des Westens gerät das schwere Reich zunehmend ins Wanken, ja, es wird schon spekuliert, ob Putin das Jahr 2016 noch in seinem Amt erleben wird. Der Grund: Russland hat es in all den Jahren großer Einnahmen versäumt, selbst im Ansatz eine eigene produktive Wirschaft aufzubauen. „Je hochwertiger die Technologie, umso schwerer können wir die Importprodukte ersetzen“, erklärt Vladimir Zujev, Professor am Institut für globale Ökonomie der Moskauer Higher School of Economics. Hinzu kommen die riesigen Schäden durch Alkohol am Arbeitsplatz. Kurz: die Lage ist düster. Neu ist sie nicht.

Machen wir jetzt einmal den Russen die Freunde…..

 

Allgemein

Ach, die Russsen…Teil 2

Published by:

IMG_0597Wieso unsere Gäste wieder einmal Iwan Turgenjew lesen sollten

Machen wir jetzt einmal den Russen die Freude, ihre Dichter zu lesen Da zeigt es sich, dass das Problem nicht neu ist. Schlagen wir z.B. den Roman auf, den Turgenjew – er wohnte hier von 1863 bis 1870  – 1867 verfasst hat. Er heißt ‚Rauch’ und hat Folgendes zum Inhalt: Litwinow, ein junger russischer Gutsbesitzer stattet Baden-Baden einen Besuch ab, um sich hier mit seiner Braut zu treffen. Hier gerät er in die Kreise verschiedenster Emigrantengruppen. In Gesprächen mit diesen zeichnet Turgenjew im Folgenden ein überaus kritisches Bild der damaligen russischen Gesellschaft, das ihm rückblickend mehr Verehrung einbringen sollte als bloß einen Tulpenstrauß vom nahegelegenen Netto Markt.

Zunächst einmal beschreibt er in einem Romandialog die Ambivalenz der Russen gegenüber dem Westen,  die sicherlich bis heute noch ihre Spur zieht.

„Kommen…zehn Russen zusammen“, lässt er da einen Potugin sagen, „so erhebt sich augenblicklich….die Frage nach der Bedeutung und der Zukunft Russlands….Sie kauen an dieser unglückseligen Frage herum wie Kinder auf einem Stück Gummi…Na, und bei dieser Gelegenheit ziehen sie dann natürlich auch gleich über den verfaulten Westen her. Welch ein Rätsel, man bedenke nur: Da schlägt er uns in allen Punkten, dieser Westen – aber er ist verfault! Wenn wir ihn wenigstens noch wirklich verachteten“.

An anderer Stelle scheint es, als hätte er die Faszination, die Ideologien auf Völker ausüben können, allgemeingültig beschrieben.

„…die Sklavengewohnheiten sind viel zu tief in uns verwurzelt, als dass wir uns so bald von ihnen frei machen könnten. Wir brauchen immer und überall einen Herren…“ Oder, wie er es nennt: „eine sogenannte Richtung“. Damit meint er eine Idee, eine Ideologie, und es scheint naheliegend, hier den späteren Kommunismus oder das derzeitige Streben nach Großrussland zu sehen.

Daran anschließend bleibt er aber völlig aktuell, so z.B. wenn er die (damalige) vollständige Abhängigkeit der russischen Wirtschaft vom Rohstoffexport anspricht, der ja ein großes Stück auch heute wieder verantwortlich ist für die wirtschaftliche Misere. So lässt der Dichter seinen Protagonisten sagen: „Ja, Rohstoffe, unverarbeitete Erzeugnisse….Diese Rohstoffe sind größtenteils nur deshalb so gut, weil es in anderer Hinsicht bei uns gotteserbärmlich aussieht“.
Um dann eine weitere Misere anzusprechen, das Ausbleiben jeglicher Innovationsfähigkeit.

„Die russische Erfindungsgabe! Unsere Herren Gutsbesitzer beklagen sich bitter und erleiden große Verluste, weil es keine brauchbare Korndarre gibt…Und warum gibt es sie nicht, weil der Deutsche sie nicht braucht…Wir aber sind nicht dazu imstande (sie zu entwickeln. d.V.)! Sind nicht dazu imstande, und damit basta!“

Interessant in diesem Zusammenhang….

Allgemein

Ach, die Russen…Teil 3

Published by:

IMG_0597

Wieso unsere Gäste wieder einmal Iwan Turgenjew lesen sollten

Interessant in diesem Zusammenhang der folgende Vergleich. Im Zeitraum von 2003 bis 2012 erhielten Anmelder aus Deutschland 130.032 Europäische Patente. Die Zahl der Europäischen Patente, die aus Russland stammten, betrug in dieser Dekade gerade mal 462.
Wie aber klingt diese Einsicht im Buch?
„…und Russland hat auch im Laufe von zehn Jahrhunderten nichts Eigenes hervorgebracht,“ lässt da Turgenjew seine Person sagen, „weder in der Verwaltung noch in der Justiz, weder in der Wissenschaft noch in der Kunst, ja, nicht einmal im Handwerk“.
So hart also spricht der so überaus geliebte Dichter zu, nein besser: über die Seinen.
Es scheint, dass sich über all die Jahrhunderte nichts Gravierendes geändert hat. Im jedem Fall aber zeigt sich, dass es der Liebe zu einem Dichter nicht unbedingt abträglich sein muss, wenn man ihn nicht gelesen hat. Aber vielleicht ist es einfach so: was man nicht – lesend – erkannt hat, kann oder will man auch gar nicht ändern.
Ein kleines Zitat sei uns hier noch gestattet. Hugh Thomas fasst in seinem Werk ‚Geschichte der Welt‘ das ganze Übel so zusammen: „Der mittelalterliche Großpflug war – bis zum russischen Roman des 19. Jahrhunderts – der einzige Beitrag der Slawen zum Fortschritt der Menschheit“.
Wie das mit unseren Russen so weitergeht, wissen wir nicht. Immerhin aber haben wir ihren Roman.

  • Archive

  • Besucher

    Total Visitors
    1183492
    1432
    Visitors Today
    104
    Live visitors