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Author Archives: Peter Ruhr

Allgemein Essen & Trinken Menschen

Besuch bei schwäbischen Freunden

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220px-ZimmererSiegelAuf der Suche nach der dortigen Seele

Wenn unsereiner die kleine Stadt verlässt, die ja so schön ist, dass man ihren Namen zwei Mal nennen muss, dann sollte es sich bitte schön doch lohnen. Tübingen z.B. wäre schon mal so eine Reise wert. Tübingen! Stadt der Philosophen, der verblichenen Denker und eines grünen Oberbürgermeisters mit dem Namen Boris Palmer, der aber noch lebt. Ernst Bloch aber ist tot, Hans Mayer weilt schon lange nicht mehr unter uns, und Walter Jens ist nach langer Krankheit nun auch schon verstorben. Wollte man diese Geistesgrößen früher treffen, musste man nur in der Osiander’schen Buchhandlung in der Metzgergasse vorbeischauen. Da konnte man an je bestimmten Tagen dem Weltgeist beim Teetrinken zusehen.

Aber das ist ja nun schon ein Weilchen her. Nix mehr mit Weltgeist beim Tee. Dann also das Alternativprogramm. Ich beschließe, ein mir empfohlenes Restaurant in der Ammergasse aufzusuchen. Dort gibt’s zwar allenfalls Himbeergeist, dafür aber Maultaschen und Schwabenbräu, serviert von einer Bedienung, die wieder einmal bestätigt, dass Freundlichkeit in schwäbischen Wirtschaften allenfalls ein formlos erklärter Gewaltverzicht ist. Diese sicherlich nett gemeinten Grobheiten wurden aber mehr als wettgemacht durch den Unterhaltungswert zweier Zimmerleute, die sich am Nachbartisch über die Figur des Widerstandskämpfers Graf Stauffenberg in die Haare gerieten. Der eine sagte, für ihn sei Stauffenberg ein Held. Der andere bezeichnete ihn als Arschloch. Damit war der Begrifflichkeit genüge getan, und man konnte ans Streiten gehen.

Ich möchte hier nicht die Auseinandersetzung in allen Verästelungen wiedergeben. Nur soviel: nach heftigsten Wortwechseln mit angedrohten Schlägen kam es zu guter Letzt dann doch noch zu einer Versöhnung. Ob darüber die Figur Graf Stauffenbergs auf der Strecke geblieben war, hatte ich irgendwie nicht ganz mitbekommen, steht aber zu vermuten. Mittlerweile hatte sich zudem noch die Bedienung vor mir aufgebaut und bellte: „Zahle“, wobei ich nicht wusste, ob dies als Frage oder Befehl zu verstehen war.

Was mir aber noch deutlich in Erinnerung geblieben ist, war der Satz, den der eine Zimmermann dem anderen dann doch noch fröhlich versöhnt zugerufen hatte. „Woisch was: jetzt trinksch ä klöis Bier auf mei Rechnung“.

Dieser an sich schlichte Satz bedarf aus gegebenem Anlass – noch sind wir in der Denkerstadt Tübingen! – der hermeneutischen Deutung. „Woisch was“ (das weist auf den Hammer hin, der gleich kommt). „Jetzt trinksch…“ (ich trinke nicht mit) „ä klöis Bier“ (kein großes, sondern ein kleines Bier) „auf mei Rechnung“. Der Bestellende ist also zahlungswillig. Damit das alles klar ist.

Im Badischen hätte es geheißen: „Jetzt trinken wir ein Bier“. Dann wäre klar gewesen: zunächst einmal ist das ein ganz normaler Vorgang. Weiter: wir trinken zwei Gläser Bier und zwar große. Im übrigen trinke ich mit, und das ganze geht natürlich auf meine Rechnung.

Soweit, so badisch. Irgendwie muss man sie einfach lieben, unsere Schwaben…!

Allgemein

PARTNERMASSAGE am Valentinstag

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Wem dieser Tage das Glück widerfährt, dass die Website von LIDL bei ihm aufploppt, erfährt einmal mehr, dass sich LIDL wirklich um alles kümmert, was halt so anliegt. So wartet man z.B. kurz vor dem Valentinstag anlassgebunden mit einem Geschenktip auf, der es in sich  hat:  ein sogenanntes „Fußsprudelbad“, zum Entspannen, Pflegen und Erfrischen müder Füße. Massagerollen (durchblutungsfördernd), Pediküre,  Hornhautentferner, alles inklusiv. Nicht zu vergessen auch die ‚Ausgussnase‘, die im Prospekt gesondert erwähnt wird. Ein Megageschenk. Alles, was Herz und Fuß begehrt. Und das ganze für unschlagbare € 19.99.

Kein Wunder, dass uns – schwer angetan von dem Produkt – zum Tag der Liebe auch noch gleich ein flotter Werbespruch zum Geschenk einfällt: 

„VALENTINSTAG. Damit sich das mit dem Partner nicht totläuft“  

Allgemein Auswärts Menschen

Die Sprechstunde

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Ich kaufe gern bei Breuninger. An diesem Kaufhaus schätze ich den beträchtlichen Fundus an tragbarer Kleidung, aber  auch sein freundlich beratendes Personal.

Auf dessen Rat war ich angewiesen, denn ich hatte einmal mehr Probleme mit meiner ‚Breuninger Card´. Der Trick ist der: hat man eine solche, gibt’s zusätzlichen Rabatt. Ich muss aber sagen, dass der Einsatz dieser Karte ziemliche Abrechnungskomplikationen nach sich ziehen, worauf immer mal wieder Mahngebühren anfallen, die aber durch die eingeräumten Rabatte teilweise wieder wettgemacht werden.

Einmal mehr also stand ich also wegen so einer Beratung am Serviceschalter, als eine nette junge Dame sich erbot, mir bei der Lösung meines Problems behilflich zu sein. Zunächst also sah ich mich wiederholt in die Untiefen der Karte eingewiesen. Vergeblich. Einer möglichen Lösung näher brächte uns beiden, der Beraterin und mir, aber schon einmal das Überlassen meiner Iban Nummer. Als die Dame mir nach Kopie der Nummer meine Scheckkarte zurückgab, fiel ihr mein Doktortitel auf. Sie stutzte, sah mich an und fragte, ob ich ihr vielleicht bei der Lösung eines eigenen Problems behilflich sein könne? Es sei nämlich so, dass ihr Hausarzt sich Ende des Monats leider in den Ruhestand verabschieden würde und nun suche sie für sich einen neuen Arzt. Ob ich vielleicht…?

Nicht auszuschließen, dass einige Punkte meiner Erscheinung einem fiktiven Ärztebild ziemlich nahekommen: leidlich einnehmendes Äußeres, eher weniger Haare, dabei aber eine vertrauenserweckend dunkle Stimme. Kurz: ein Mediziner.

Diesem Bild entsprechend wäre es für mich im folgenden ein leichtes gewesen, der hilfesuchenden Dame – wie es die Ärzte üblicherweise tun – nach langen gründlichen Untersuchungen maßvolles Essen und Bewegung an der frischen Luft zu verordnen. Doch ließ mich allein schon der Gedanke in die Falle einer Amtsanmaßung zu tappen, vor dem entscheidenden Schritt zurückschrecken. So gab ich meine wirkliche Identität preis. Ich sei Musikwissenschaftler. Bräuchte sie Hilfe, könne ich ihr z.B. aber sagen, wenn sie falsch singt. 

Allgemein Auswärts Essen & Trinken

SKANDAL!

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In der Pfalz wird Männern die Nahrung verweigert

           Der „Fleeschknepp“

Literarisch Bewanderte werden die Geschichte vielleicht kennen. Sie stammt von Franz Kafka und trägt den Titel: ‚Der Hungerkünstler‘. Darin wird das Schicksal eines Mannes beschrieben, der, in einem Käfig sitzend, sich in aller Öffentlichkeit langsam zu Tode hungert. Kurz vor seinem Tod äußert er sich schließlich zum Grund seines Hungerns: nichts habe ihm geschmeckt.

Das ist jetzt vielleicht das Stichwort, um auf einen ganz anders gearteten Fall sprechen zu kommen, auf einen Mann, der in einer Weinstube ganz in der Nähe des Wurstmarktes von Bad Dürkheim, ebenfalls hungerte. Und dies, obwohl dort in überreichem Maß das ortsansässig Übliche gereicht wurde. Saumagen, Fleeschknepp, Leberknödel. Die Pfälzer hl. Dreifaltigkeit.  

Sein Hungern hatte freilich, ganz anders als bei Kafka, nichts damit zu tun, dass es ihm nicht geschmeckt hätte. Ganz im Gegenteil. Sein Hunger schien eher begründet in partnerschaftlichen Vorgaben.

Wie sich herausstellen sollte, hungert er nicht freiwillig.

Zunächst also er saß er mit seiner Frau an einem großen Tisch in besagter Weinstube. Beide waren sie von deutlich unterschiedlicher Statur. Er, klein und mager, schien von ihrer verschlingenden Dominanz gezeichnet. Daneben sie, ein Buddha in Weibsgestalt. Beim Herein-kommen schon war einem der fast quadratisch, dunkle Rock aufgefallen, der ihren Unterleib fasste, bereits in Kniehöhe aber abschloss. Weiter trug sie einen Pullover, dessen türkisfarbene Kunstfasern von Silberfäden durchwirkt, eine enorme Brust fassten, die sie vor sich auf dem Tisch platziert hatte und wo jetzt, platzbedingt, die gebrachte Speisekarte erst ab Tischmitte einsehbar war.

Die Bedienung kam, um die Bestellung aufzunehmen. Ein großes Wasser, „Classic“, ein Viertel Riesling mit zwei Gläsern und ein Pfälzer Teller. Grumbeere gehen extra. Der Notizblock raschelt. Soweit erst mal notiert. Jetzt wandte sich die Bedienung an ihn. Ein unmerklich fragendes Kopfheben in seine Richtung. Und, so die fragende Geste, was darf es für ihn sein? Möchte er auch etwas?

Was in einem genussvollen Auswahlprozess nahe des Bad Dürkheimer Wurstmarktes hätte enden können, erlebte doch recht plötzlich einen finalen Schlussstrich. Bevor der offensichtlich ausgehungerte Gatte auch nur einen Mucks hatte von sich geben konnte, hatte sie das Ganze schon geklärt: „D’Babba isst heut‘ nix. Er muss Gebiss schone“.


Allgemein

Wütend, verletzt, brutal, gelassen

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Die „Angry Girls“ im Museum Frieder Burda sind alles – außer niedlich

2024 © Yoshitomo Nara, courtesy Yoshitomo Nara Foundation; Foto: Nikolay Kazakov

Ein kleiner Junge in einer ärmlichen, ziemlich chaotischen Umgebung malt und zeichnet gegen die Einsamkeit an. Eine Katze und ein Radio leisten ihm Gesellschaft, während die Eltern auswärts arbeiten, um das Überleben der Familie zu sichern. Dass Yoshimoto Nara (Jahrgang 1959) heute zu den wichtigsten Künstlern Japans und den internationalen zeitgenössischen Stilikonen zählt, verdankt er unter anderem den bösen kleinen Mädchen, die derzeit die Besucher des Frieder Burda Museums schon an der Fassade des Meier-Baus alles andere als willkommen zu heißen scheinen. Von den wütenden Blicken der „Angry Girls“ sollte man sich aber nicht abschrecken lassen! Die mit 127 Werken aus 31 bedeutenden Sammlungen bestücke Ausstellung zieht wohl jeden Besucher in ihren Bann und ist auch durchaus familienfreundlich gestaltet.
Kulleraugen, Schmollmündchen, bunte Kleidchen – das klassische Kindchenschema im Manga-Format verführt zur kompletten Fehleinschätzung. In Naras „Girls“ treffen Aufmüpfigkeit gegen die Erwachsenenwelt – durchaus vergleichbar mit Struwwelpeter oder Pippi Langstrumpf – auf die komplizierte Gefühlswelt eines Künstlers, der der Einsamkeit während seiner Kindheit und seiner Studienzeit im Ausland, darunter auch in Düsseldorf, starke kleine Persönlichkeiten entgegenstellt. „Immer wieder kommt die Frage, warum Yoshitomo Nara keine Jungen darstellt“, berichtet Kurator Daniel Zamani. Möglicherweise wollte er durch die angeblich schwächeren Mädchen die Eindringlichkeit seiner Botschaften noch verstärken. Jungen kommen bei ihm schlecht weg: So will ein verliebter Zopfträger seiner Angebeteten eine Blume überreichen, sie lächelt, während ihre Hand ein Messer umfasst.
Gern spielt er mit Klischees: Das ironische Bild „Home, sweet home“ bezieht sich auch auf das im Erdgeschoss nachgebaute „Elternhaus“ , zu dem der leidenschaftliche Musikfan selbst eine Begleitmelodie komponiert hat. Musik und Literatur aus aller Welt haben das gesamte Leben Naras begleitet und sein Werk geprägt, das neben Zeichnungen und Gemälden auch Skulpturen und Installationen umfasst. Herrlich frech die Verbindung zu traditioneller japanischer Frauendarstellung: Eine Geisha in Kimono und mit aufwändiger Haarpracht hält graziös eine Teetasse, in der ein Angry Girl im Miniformat sitzt. Nicht jede der vor allem politischen Botschaften erschließt sich auf den ersten Blick, professionelle Unterstützung liefern der Katalog (220 Seiten, 39 Euro) der Audioguide, Workshops für Kinder und Erwachsene sowie die privaten Familienführungen. In Kooperation mit dem Moviac-Kino sollen während der Ausstellungsdauer (27. April 2025) mehrere japanische Filme gezeigt werden.

 

(Irene Schröder)

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