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Author Archives: Peter Ruhr

Allgemein Menschen

Hund im Herbst

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Schön, wenn der Mensch von Zeit zu Zeit mal wieder ein bisschen vor die Tür geht. Lassen wir das mit dem Wandern jetzt mal weg, könnte sich zur Abwechslung hier der Besuch einer Kneipe anbieten. Erfahrungsgemäß trifft man dort jede Menge Leute, die einem etwas erzählen, was man bis dato so noch nicht wusste. Der Mann z.B., mit dem ich kürzlich ins Gespräch kam, entpuppte sich recht bald als nebenberuflicher Jäger. Dass es sich bei ihm um einen solchen handelt, erzählte er freilich erst nach einer geraumen Weile. Jäger, obwohl sie ja von unbestrittenem Nutzen sind (wie Nutztiere ja auch), sind es irgendwie leid, sich für ihr jägerisches Tun zu rechtfertigen. Da ich ihm seine Jägerexistenz nicht pauschal absprach, kamen wir recht bald ins Plaudern und er erzählte mir von seinem Hund, den er bis vor kurzem noch als Jagdhund abrichten wollte.

Hellhörig geworden, erfuhr ich, dass die Hürden, die der zukünftige Jagdhund bis zu seinem ersten Einsatz nehmen muss, wohl recht hoch sind. Keinesfalls wäre als Erfolg zu verzeichnen, wenn so ein Hund das Leckerli, das man ihm hinhält, auch nimmt. Nein. Es gilt vielmehr, dem Tier die sogenannte ‚jagdliche Brauchbarkeit‘ anzuerziehen. Die aber will irgendwie erarbeitet werden, da das ‚Interesse von Hund und Führer sich häufig unterscheiden‘, so das Fachorgan „Waidwissen“. Dazu bedarf es einer umfassenden Ausbildung, die zunächst einmal recht einfach beginnt. Hört er z.B. nicht gleich aufs Wort, sollte er zunächst den ‚Leinendruck‘ verspüren. Gehorcht er nicht umgehend, lässt ihn ggf ein ‚scharfer Ton (Pfui)‘ innehalten.

Nicht genug. Ferner muss der Hund solche  Sachen lernen wie das z.B. ‚Buschieren‘; er lernt das ‚Stöbern‘, arbeitet sich ins ‚Brackieren‘ ein und übt fleißig die sogenannte ‚Bauarbeit‘. Kurz: er eignet sich als Hund einen recht umfangreichen Katalog von Fähigkeiten an, die der Mensch an sich nicht braucht, die er sich aber als Jäger gemeinsam mit seinem Hund erarbeiten muss.

Nicht genug. Eine weitere Stufe der Jagdhundeerziehung wird dann die sogenannte ‚Schussgewöhnung‘ beinhalten. Diese sollte schon bereits ab der Sozialisierungsphase beginnen. So muss sich der Hund bei einem Schuss ruhig verhalten (schussfest), auch darf er bei der Schussabgabe nie den Gehorsam verlieren (schusshitzig) und schon gar nicht – schussscheu! – bei Schussabgabe panisch flüchten – schließlich ist er ja nicht das Wild!

Mein Gesprächspartner hatte mir das bei einem Bier alles in großer Ausführlichkeit geschildert, was meine Achtung vor den Möglichkeiten einer Hundeerziehung noch steigerte. Einen Punkt freilich hätte ich – weil scheinbar selbstverständlich – hier jetzt fast vergessen. Es handelt sich dabei um die sogenannte ‚Leinenführigkeit‘, d.h., der Hund geht nahe bei seinem Herrchen (oder Frauchen), wobei er wohl ‚links vom Führer‘ geht und zwar mit dem‚Kopf auf Kniehöhe‘. Dieser Punkt, obwohl von zentraler Bedeutung, gehört schließlich zum kleinen Einmaleins der Hundehaltung. Selbst ein normaler Hundehalter wird gut daran tun, seinem Hund das beizubringen.

So ist es mehr als verständlich, dass sich mein Gesprächspartner nach so vielen Jahren harter Arbeit mit seinem Hund endlich auf der Zielgeraden wähnte. Da freilich, so nahe vor dem Ziel, passierte es, dass ein großes buntes Herbstblatt vom Baum fiel, worauf der Hund die Prüfung unterbrach und stehenblieb, um das Herabfallen des Blattes mit großem Interesse zu verfolgen.

So kam es, dass der Prüfling zum größten Bedauern aller die Prüfung nicht bestanden hatte. Gelernt aber hatte er statt dessen das Staunen angesichts der Schönheit des Herbstes.

Allgemein Gastbeiträge Institutionen Kultur

Schönes Gestern

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Vor 200 Jahren war im Baden-Badener Kurhaus erheblich mehr los

‚To be or not to be‘ – nicht nur Hamlet steht immer wieder vor dieser Schicksalsfrage von Sein oder Nicht-Sein. Im anglophilen Kurstadt-Marketingslang trägt die sehenswerte Ausstellung im Stadtmuseum Baden-Baden anlässlich des 200. Bestehens des Kurhauses den anspruchsvollen Titel „The Place to be“ (Neudeutsch: Hotspot).

Fast zwei Jahrhunderte lang rechtfertigte der Betrieb im ursprünglichen „Konversationshaus“ samt Spielbank diese Bezeichnung durchaus: In der ehemaligen „Sommerhauptstadt Europas“ steppte vulgär ausgedrückt der Bär. Die Reichen und Schönen, die Elite von Geist, Geld und Macht samt manchmal zwielichtigem Gefolge von Hochstaplern, Glücksrittern und Kurtisanen amüsierten sich im 19. Jahrhundert zwischen Kurhaus, Theater und Allee. In den eleganten Sälen des Weinbrenner-Baus wurde musiziert, getanzt, gespeist, gespielt und die hohe Kunst der Konversation gepflegt.

Die von Heike Kronenwett kuratierte Ausstellung versetzt die Besucher im Erdgeschoss des Museums in diese Hochzeit des Kurhauses – und Baden-Badens – vor allem dank der genialen Spielbankpächter und Unternehmer Jean Jacques und Èdouard Bénazet. Zu den schönsten Exponaten zählen die lackierte Reisetruhe von Napoleons Stieftochter Stéphanie und die Casino-Installation mit dem berühmten Klondyke-Pferdchenroulette.
Das zweite Jahrhundert ließ sich schon weniger unbeschwert an Noch immer aber diente das Kurhaus der Unterhaltung auf hohem Niveau, wenn auch unter unerfreulichen politischen Vorzeichen. Das Wirtschaftswunder ließ auch Baden-Baden nach dem Zweiten Weltkrieg wieder erblühen und fand eine prächtige Bühne im Kurhaus. Glanzvolle Bälle, Misswahlen, Modenschauen der Haute Couture, Showstars wie Josephine Baker und Marlene Dietrich, gekrönte Häupter wie der Schah von Persien samt Soraya oder Hussein von Jordanien, Politiker von Valèry Giscard d´Estaing über Bill Clinton oder Barack Obama – die Fotos im oberen Stockwerk erinnern an großartige „Events“ der Vergangenheit. Das Kurhausrestaurant wurde zu der „guten Stube“ der Baden-Badener – wer etwas zu feiern hatte, ließ sich hier kulinarisch verwöhnen und gern von den Spaziergängern durch die großen Fenster beobachten. Literarische Gesellschaften und Baden-Badener Clubs nutzten die Kurhausräume für ihre Treffen und andere Veranstaltungen.
Corona verdammte auch das Kurhaus zu einem Dornröschendasein, und noch immer herrscht hinter der klassizistischen Fassade sehr wenig Betrieb im Vergleich zur Vergangenheit. Große Bälle? Fehlanzeige, selbst der international renommierte Grand Prix Ball als ehemaliger Höhepunkt der Großen Woche fiel dem Rotstift der Baden-Baden Events zum Opfer. Silvester darf der „schönste Ballsaal Deutschlands“ noch für einen Abend seine Eleganz entfalten, Tanzturniere und –shows wie die Welttanzgala am 2. November setzen Highlights.

Der Playboy hat das einmalige Ambiente für seine Gala entdeckt, und der „Sportler des Jahres“ sorgt für TV-Präsenz. „Bis heute gastieren zahlreiche Shows und Musicals im Bénazet-Saal, und er wird für diverse Festlichkeiten und Kongresse genutzt“, heißt es im Ausstellungstext, der kleine Prospekt wirbt da schon blumiger: „Bis heute ist das Kurhaus das gesellschaftliche und touristische Zentrum Baden-Badens, bekannt für das Glücksspiel, für glanzvolle Veranstaltungen und als Ort vielfältiger Begegnungen -,the Place to be‘.“
Bummelt man aber abends durch den Kurpark, erweckt das Kurhaus oft eher den Eindruck eines „lost Place“. Kaum Gäste im „Hectors“, verwaiste Bel Etage. Der Weinbrennersaal bewährt sich weiterhin als Heimat der Philharmonie mit ihrem großartigen Programm, und natürlich sorgt das Casino für (Nacht-)leben. Als „gesellschaftliches Zentrum“ der Baden-Badener fällt das Kurhaus jedoch eher in die Kategorie „Lost Place“ – oder kennen Sie einen Kurstadtbürger, der es voller Stolz als seinen „Place to be“ bezeichnen würde?

 

(Irene Schröder)

Allgemein Auswärts Institutionen

The häppy ländmän

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Als unser Ministerpräsident einmal rauskam

 

Wie vieles, das aus der Staatskanzlei in Stgt kommt, so betrachtet der BADENBLOGGER auch die jüngsten Äußerung unseres Ministerpräsidenten mit der ihr gebührenden Aufmerksamkeit. Schon vor geraumer Zeit hatte sich Winfried Kretschmann um das Land verdient gemacht, indem er dem Werbespruch „The Länd“ seinen höchstpersönlich Segen gab. Damit hatte er der Vermarktung des Landes einen ziemlichen Schub versetzt. Jetzt ist er, am Ende der Sommerpause einmal mehr mit einem Vorschlag ins Rampenlicht getreten. Der Anlass war ein Besuch des Zollernalbkreises, wo er sich in der „Schwäbische“ in Balingen zum geplanten Zentralklinikum, zur B 27 und zur B463 geäußert hatte. Zudem plagten die Bewohner des kargen Landstrichs die Aussicht auf ein geplantes Testgelände für Fallschirmjäger, wo den Äckern durch herabstürzende Soldaten wohl große Gefahr droht.
Angesichts derartiger Probleme in die Enge getrieben, besann sich der Ministerpräsident auf die Schönheit der dortigen Landschaft, die in ihrer Einzigartigkeit geradezu unglaublich durch das Bauwerk der Hohenzollernburg verkörpert wird.

Winfried Kretschmann weiß wovon er spricht, hat er doch mit seiner Frau all dies abgewandert, „und zwar in jede Richtung“. „Albstadt hat quasi die Premium Wanderwege erfunden“, wie er anlässlich eines Redaktionsbesuchs in der Redaktion der „schwäbische“ Zeitung verlauten lässt.

Einmal in der Wanderspur setzt er gleich noch nach. Würde er noch einmal antreten, wäre es sein ganz besonderes Ziel, „den Hohenzollern so bekannt zu machen wie Neuschwanstein“. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Schönheit des ‚Nebelmeer´ im Tal. „Wieso“, fragt er sich anlassbezogen, „schaffen es die Bayern und wir kriegen das nicht hin?“ Tja, wieso?

Nun scheint es das Vorrecht wirklich großer Männer, zeit ihres Lebens Visionen zu entwickeln, deren Umsetzung oft genug aber den Nachfolgern überlassen bleiben muss. Ob Neuschwanstein sich ebenfalls aus dem ‚Nebelmeer‘ reckt, wie an besonders schönen Tagen die Burg der Hohenzollern, bleibt zu prüfen. Vielleicht aber war der Vorschlag nur einen Nebelkerze, die er zündete, bevor er sich leise pfeifend vom schwäbischen Acker machte: „This länd is your länd, and this land is my länd“.

Allgemein Essen & Trinken Menschen

Der Knopf im Ohr Teil 1

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So hörte Beethoven

Schon am Vorabend war die Weinstube gut besucht. Es herrschte eine angenehm gedämpfte Stimmung. Auf den Tischen standen Kerzen, von irgendwoher kam leise Musik. An den wenigen besetzten Tischen wurde ausnahmslos Wein getrunken. Auch der Wirt hatte sich ein Schluck eingeschenkt. In der Schwingtür, das Lokal gegen die Küche abschließend, tauchte kurz die Chefin auf. Sie war herb aber unersetzlich. War ihr Mann für die gute Stimmung im Lokal zuständig, kümmerte sie sich um die Buchhaltung. ‚Das Geld wird am Schreibtisch verdient‘, sagte sie. Aus der Küche kommend, streifte ihr Blick kurz die Gäste, erfasste beiläufig den möglichen Umsatz, und kam dann für die Dauer einer Millisekunde auf dem halb gefüllten Weinglas ihres Mannes zu ruhen.

Schon hatte sie sich zum Gehen halb nach hinten gedreht, da öffnete sich die Tür des Lokals. Der dunkelrote Samtvorhang – er stammte aus einem Ausverkauf des Theaters – bauschte sich, zwei Hände suchten den Vorhang zu teilen, bis in einem Schwall kalter Luft ein mächtiger Mann in der Weinstube stand. Hinter ihm noch eine Person, seine Begleiterin, schmal und vom Vorhang noch halb verdeckt. Erst als er ganz im Lokal stand, trat sie aus seinem  Schatten. Davor, vollständig übersehen zu werden, bewahrte sie allein ihr quergestreift schwarz-gelber Pullover, der irgendwie an die Biene Maja erinnerte.

Schnaubend legte der Mann seinen dunklen, mächtigen Mantel ab. Auch ohne ihn wirkte er sehr groß. Kahler Schädel, breite Schultern. Der massige Bauch lappte schwer über einen schmalen Gürtel. Dazu trug er breite, ausgetretene schwarze Schuhe.

Jeder Zoll seiner Erscheinung wies ihn als eine jener Personen aus, die die Nachjelzinaera in die Geldmetropolen Europas gespült hatte. Sein Hemdkragen war offen, die Krawatten hing auf Halbmast. Ohne zu fragen nahm der Gast am einem der Tische Platz. Mit dem Fuß schob er seiner Begleiterin wortlos einen Stuhl hin. Sie sollte sich wohl setzen.

Dann rief er nach der Bedienung und fragte, ob es hier eine Kleinigkeit zu Essen gäbe. Das mit dem Trinken sehe er ja. Kleine Karte, die hat man hier ja auch, oder? Und zu seiner Begleiterin blickend, sagte er: „Du isst ja mit“.

„Ich möchte heute nicht so viel essen, Sie sehen ja“, wandte er sich an das Ehepaar am Nachbartisch, die damit nicht gerechnet hatten. Den Satz verdeutlichend hatte er auf seinen mächtigen Bauch gedeutet. Als er merkte, dass die Herrschaften an einem Gespräch keineswegs interessiert waren, ließ er den Arm wieder sinken und widmete sich der mittlerweile eingetroffenen Speisekarte.

Er schob die Brille hoch, so dass sie schräg auf der Stirn saß, studierte das Angebot und sagte einmal mehr sich bestätigend: „Du isst ja mit“. Ihr Einverständnis voraussetzend nickte er. Er würde sich mit seiner Begleiterin eine Portion teilen.

Die wurde, zusammen mit einem zweiten Teller und dem Besteck, auch bald gebracht. Ebenso der Wein. Obwohl er keine Flasche bestellt hatte, inszenierte er zunächst eine Art Verkostung. Er hielt den einfachen Tafelwein gegen das Licht, schwenkte ihn im Glas, und beroch ihn dann mit knolliger Nase. Kein Kork. Großes Geschmackskino. Gut so. Die Bedienung ging, der Gast trank, und auch die Frau bekam ihren Schluck ins Glas.

Nach einer gewissen Zeit bestellte der Gast „einen zweiten Halben“. In der Weinstube hatte der Lärm zwischenzeitlich zugenommen. Offensichtlich wurde es dem Gast jetzt wohl doch etwas zu laut. Er trug ein Hörgerät und nestelte an seinem Ohr herum. Zunächst versuchte er, die Lautstärke des Geräts dem Lärm der Umgebung anzupassen. Scheinbar ohne Erfolg. Er beschloss, die beiden kleinen Hörgeräte, die ihm bei geringerer Lautstärke offensichtlich gute Dienste geleistet hatten jetzt erst mal aus dem Ohr zu nehmen.

Die Bewegungen verrieten eine gewisse Beiläufigkeit. Anscheinend machte er das öfters. Zunächst legte er die beiden kleinen Knöpfe vorsichtig auf den Tisch, aber da sie so rund waren, machten sie keine Anstalt, dort auch liegen zu bleiben. Also legte er die unscheinbaren Teilchen weiter oben hin, neben den leergegessenen Teller, auf dem sich noch übriggebliebene Speiserest befanden. Petersilie, blassrote Tomaten und hellgrüne Ziergurken. Ein Salatblatt lappte über den Tellerrand und verdeckte das eine der beiden Hörgeräte.

Er müsse jetzt mal um die Ecke, sagte er zu seiner Frau und entschwand in Richtung der Toiletten….

Demnächst Teil 2. HIER.

Allgemein

Der Knopf im Ohr Teil 2

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Kaum war er weg, kam die Bedienung und fragte, ob es geschmeckt hätte und ob sie abtragen dürfe? Die Dame sagte „sehr gut“, bejahte zerstreut auch die Frage nach dem Abtragen und schaute zur Tür, ob ihr Mann nicht bald käme. Ohne ihn fühlte sie sich sichtlich unwohl. Dann nahm sie noch einen kleinen Schluck.

Routiniert fasste die Bedienung nach den Tellern, erkannte das Hörgerät, ließ es liegen, griff mit spitzen Fingern nach dem müden Salatblatt, legte es auf den Teller und entfernte sich Richtung Tresen, wo sie mit einem routinierten Tritt ihres Fußes den Deckel des Abfalleimers hochschnellen ließ und die vom Teller gestreiften Speisereste entsorgte.


Mittlerweile war die Tür aufgegangen und der massige Körper, von der Toilette kommend, trat wieder ins Innere des Lokals. Als er seine nassen Hände am Sakkorevers abwischte, hätte man meinen können, er streichele sich lustvoll die Randflächen seines Bauchs. Am Tische angekommen nahm er Platz, wischte einmal mehr mit seiner Serviette über die feuchten Lippen, rief nach der Rechnung und wollte jetzt wieder seine Hörgeräte einsetzen. Doch auf dem Tisch lag nur eines der beiden. Das andere musste die Bedienung wohl mit dem schmutzigen Geschirr abgetragen haben.

Als er aufstand, fiel sein Stuhl laut nach hinten und knallte mit der Lehne auf den Boden. In der Weinstube war es plötzlich still. Dann rief er laut nach dem Chef und forderte die Herausgabe seiner verschwundenen Hörhilfe. „Tausend Euro“, rief er, „tausend Euro haben Dinger gekostet. Hab‘ ich bezahlt“. Und: „Ich werde Laden haftbar machen. Müssen doch da sein!“, rief er durchs ganze Lokal. An den Tischen eine Mischung aus Ratlosigkeit und Betroffenheit. Ganz hinten feixte einer: das Haus verliert nichts.

Unmittelbar danach zog sich das Personal mit dem Abfalleimer in die Küche zurück, um dort, zwischen all den fetten Resten von Mayonnaise, Zwiebelschalen und müden Salatblättern nach dem Hörgerät zu suchen. Vorne, in der Gaststätte versuchte der Chef des Hauses mit einer Cognacflasche wedelnd, zwischenzeitlich die quälende Zeit des Suchens zu überbrücken. Später wird er sagen, er habe „mit dem ganzen Zeug nichts zu tun haben wollen“.

Derweilen suchten andere lang und gründlich, aber das Hörgerät blieb trotz größtmöglicher Sorgfalt unauffindbar. Es war, als sei es von einem Salatblatt verschluckt worden. War der Gast wegen des Verlustes zunächst noch aufgebracht, stand er jetzt an seinem Tisch und betrachtete wortlos das ihm noch verbliebe Teil, so, als wäre es ihm plötzlich fremd geworden.

Schwer atmend fasste er es mit fleischigen Fingern, ließ es in seine Sakkotasche gleiten und griff nach seiner Begleiterin. Und während er sie schon aus dem Lokal schob, drehte er sich, schon halb unter dem Baldachin stehend, noch einmal um und teilte den teils perplexen, teils amüsierten Gästen mit, er wolle jetzt gehen sich beschweren. Wo, sagte er nicht.

Dann ging er. Endgültig.

 

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