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Aigues Mortes: Hut ab! Teil 1

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Das neue Arles: das Kunstzentrum LUMA. Frank Gehry hat es entworfen. In der Nähe keine Tauben.

Es war im Juni diesen Jahres, als ich mich zusammen mit meiner Begleiterin auf der Suche nach Wärme ins südfranzösische Arles begab. Was uns dort aber erwartete, war eine schier unerträgliche Hitze. Zudem war mir, als verspürte ich coronabedingt ein leichtes Kratzen im Hals. In meinem Entschluss, Arles zu verlassen, sah ich mich weiter aber auch dadurch bestärkt, dass ich in Arles an den Straßenrändern mehrere verendete Tauben sah. So wie sie da lagen, hatte man  es offensichtlich nicht für notwendig befunden, die toten Tiere zu entfernen. Man hatte sie dort einfach liegen gelassen, und es sah aus, als wäre die städtische Müllabfuhr schon längere Zeit um sie herum weite Umwege gefahren. Angesichts dieses Elends beschlossen wir, uns zunächst einmal ins nicht allzu weit entfernte Aiges Mortes abzusetzen, wo wir hofften, in Gesellschaft einer gesunden Schar fröhlich vor sich hin gurrender Tauben,  das Leben auch weiterhin genießen zu können.

Aiges Mortes ist, tief in der Provence gelegen, bei all seiner mittelalterlich gemütlichen Anmutung, bei all den heimeligen Gässchen, Cafes und Türmchen letztlich doch eine Festungsstadt geblieben. Die Stadt sollte der erste Zugang Frankreichs zum offenen Meer werden. Gegründet wurde sie von Ludwig IX., auch „der Heilige“ genannt, womit seine Zeitgenossen sich auf seine ‚Milte’, seine Frömmigkeit und Barmherzigkeit bezogen. Er war von seinen Zeitgenossen und der Nachwelt gleichermaßen hoch geschätzt.

Damals glücklich von einer Malariaerkrankung genesen, beschloss er aus Dankbarkeit seinem Schöpfer gegenüber ein Gelübde abzulegen. So begab er sich auf  den ersten von zwei Kreuzzügen ins Hl. Land. Rückblickend waren beide wenig erfolgreich. Doch hatte das Kreuz, das er nahm, ihm offensichtlich den Blick aufs kriegsführerisch Notwendige verstellt.

Nachdem er kurz vor seiner Abreise für seine Kinder noch beschauliche Traktate verfasst hatte, landete er zunächst in Nordafrika. Das war im Juli 1248 und zudem noch in der schlimmsten Mittagshitze. Das Unternehmen stand denn auch nicht unter einem glücklichen Stern. Sein Scheitern war absehbar. Glaubt man seinem getreuen, ihn begleitenden Chronisten Jean de Joinville, durfte man von anfänglich etwa ca 15 000 Streiter ausgehen. Die aber wurden alsbald von Seuchen dezimiert, von Gegnern hingeschlachtet oder gerieten in Gefangenschaft. Das erging dem König und seinem Kompagnon nicht viel anders. Doch wurde der König gegen ein enormes Lösegeld freigelassen, und auch sein Chronist kam, nach vorübergehender Sklaverei, frei und erreichte endlich Frankreich. Das sollte ihm eine Lehre sein.

Denn kaum zurück, plante Ludwig der Heilige schon wieder den nächsten Kreuzzug. Auch dieser sollte im neuerbauten Aiges Mortes seinen Anfang nehmen. Und wieder erging eine freundliche Einladung an seinen Seneschal Jean de Joinville, der aber diesmal freundlich abwinkte. Er hatte – wie man so sagt – den Braten gerochen und sich unter fadenscheinigsten Vorwänden (Heirat und absehbare Familiengründung) abgeseilt, worauf er später als kluger Mann starb. Wie klug er war, mag man daraus ersehen, dass Jean de Joinville im nahezu biblischen Alter von 90 Jahren das Zeitliche segnete. Nicht ganz so gut erging es seinem König, der nicht lange nach seiner Abreise zu seinem 2. Kreuzzug von Aiges Mortes aus in Nordafrika landete und dort, kurz nach der Einnahme von Karthago, krankheitsbedingt verschied.

War die Macht des französischen Königs zu diesem Zeitpunkt auch noch ungeteilt, der König selbst war es nicht.

Nach gut mittelalterlicher Herrscher-Sitte wurde nach dem Tod sein Fleisch in einer Wein-Essig Lösung von den Knochen gelöst. Die Gebeine wurden zunächst in der Abtei Saint-Denise in Paris bestattet. Doch wanderte später eine Rippe in die Kathedrale von Notre Dame, mehrere Finger bekam König Haakon V. von Norwegen. Andere Knöchelchen des Königs finden wir damals in der Kirche von Vadstena in Schweden usw. usf.

Zeit also, des französischen Königs zu denken.

Aus diesem Grund stand ich nun auf der Burgmauer von Aiges Mortes und ahnte, von den Zinnen weit in die Ferne blickend, das Meer und das baldiges Scheitern des Unternehmens. Anders als in Arles bestrahlte mich hier auf der Mauer eine nicht ganz so sengende Sonne. Ihre Hitze wurde von einer moderat milden Sorte des Mistral gemindert. Nach der Flucht vor ca fünf toten Tauben schien mir das Leben hier deutlich angenehmer als im heißen Arles, das ja, wie man weiß, auch schon van Gogh nicht gut bekommen war. Und doch sollte das Leben hier, auch in vermeintlich kommoder Umgebung, für mich noch eine Überraschung bereithalten.

Denn, auf der Mauer stehend, frischte plötzlich der Wind wieder auf. Eine wilde Böe umtoste mein Haupt und blies mir den Hut vom Kopf. Er flog in weitem Bogen tief unter mir in den Burggraben. Dieser Burggraben war, wahrscheinlich kurz nach dem Einschiffen Ludwigs dem Heiligen ins Hl. Land im Jahre 1248 zu einer Art Parkplatz umfunktioniert worden, weshalb es jetzt passierte, dass nach dem Abflug meines Hutes, eine jener neuerdings marodierenden Rentnerinnen, fremdes Gut nicht achtend, mit wabbeligem Ärmchen und Spindelfingern aus einem giftgrünen Peugeot nach meinem herabgefallenen Hut griff und sich nicht entblödete, sich meines Besitzes zu bemächtigen. Auf der Wehrmauer stehend, sah ich in Panik meinem Hut hinterher, der so schnell flog, dass ich gar nicht mehr dazu kam, den Flug meiner Habe von der Mauer herab im Detail zu verfolgen. So blieb mir nichts anderes übrig, als hilflos seine Landung tief im Burggraben durch das naheliegende Loch eines mittelalterlichen Abtritts zu verfolgen. So wie der mittelalterliche Ritter wahrscheinlich einen letztes Blick auf seine schwindenden Exkremente warf, so erblickte auch ich durch den steinernen Abtritt den freien Fall meines guten Stücks.

Angesichts des möglichen Verlusts muss mein Rufen dementsprechend verzweifelt geklungen haben…

Mehr demnächst. In Teil 2

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Aigues Mortes: Hut ab! Teil 2

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City walls of the medieval town Aigues-Mortes, southern France

Angesichts des möglichen Verlusts musste mein Rufen dementsprechend verzweifelt geklungen haben. Eigentlich hätte mein Schrei durch das steinerne Loch des mittelalterlichen Aborts die Diebin von ihrem Diebeszug abhalten müssen. Aber dem war nicht so. Mein verzweifelter Ruf ließ sie lediglich suchend nach oben blicken. Noch hielt sie in entwenderischer Absicht meinen Hut in ihrer Hand. Auf der Zinnen stehend, wand ich mich jetzt nach rechts, wo vormals, kampftechnisch gesehen, zwischen zwei Steinblöcken Platz gewesen war für zügig ausgeführte Armbrustattacken. Ich lehnte mich weit über die Mauer und fuchtelte. Dann schrie ich: „Madame, ca, c’est ma chapeau!“ Ungläubig blickte sie an der vier Meter dicken Mauer entlang nach oben. Von dort tönte noch einmal mein verzweifeltes Rufen. Dann sah sie mich. Mit dem erneut vorgetragenen Statement: „Le Chapeau, c’est moi“ erhöhte ich die Wucht meiner Forderung, die Finger doch gefälligst von meiner Habe zu lassen.

Nun könnte man einwenden: was ist schon ein davonfliegender Hut angesichts der Würde eines über tausend Jahre alten Bauwerkes? Wer so argumentierte, verkennt die Bedeutung des davonfliegenden Kleidungsstücks (als ein solches muss man den Hut bezeichnen). Der Hut, von dem hier die Rede ist, hatte ich, mich vor der Sonne und nicht übermäßig starken Winden schützend, immer als eine zu mir durchaus passende Ergänzung gesehen. Cremefarben das Material, schmückt ihn außerdem ein hellblaues Hutband, das ihm eine gewisse Heiterkeit verleiht, in der Anmutung deutlich charaktervoller als man es etwa von einem nur monochromen Äußeren erwarten durfte. Zudem bilde ich mir ein, dass das von dem Hut ausgehende Signal suggeriert: da ist einer, der die Schönheiten des Jetzt, wie es sich z.B. im Besteigen von mittelalterlichen Zinnen manifestiert, vollumfänglich zu genießen weiß. Wohlwollende hatten früher beim Betrachten meines Hutes so freundliche Worte gefunden wie z.B. ‚keck’. Ein anderer hatte ihn einmal sogar ‚pfiffig’ genannt! Doch gab es auch andere Stimmen. Unverständigere Zeitgenossen meinten allerdings anmerken zu müssen, dass der Hut für meinen Kopf vielleicht doch etwas zu klein sei, ein Einwand, dem ich mit aller gebotenen Entschlossenheit entgegen trat, zumindest bis zu dem Moment, da nicht mehr zu leugnen war, dass eine etwas größere Kopfbedeckung meinen Kopf eventuell strammer gefasst und dem erlebten Windstoß entschiedener getrotzt hätte.

Zwischenzeitlich hatte ich per Handy meiner Begleiterin von dem Schurkenstück erzählt. Ich hatte sie gebeten, sich ohne Verzug zum Ort des Geschehens zu begeben. Angesichts meiner drängend vorgetragenen Bitte hätte man, kriegstechnisch gesprochen, die flugs Herbeieilende ohne Zögern als eine Art Entsatzheer bezeichnen können, das, wenn auch spät eintreffend, sich doch noch als schlachtentscheidend entpuppen kann. So weit war es aber noch nicht, denn rückblickend betrachtet muss ich die Wegelagerin durch mein Rufen angemessen beeindruckt haben. Kaum hatte sie mich als den Eigner des Hutes ausgemacht, leistete sie meinem Ruf, wenn auch zögerlich, Folge. Zunächst einmal zog sich die massige Gestalt mit dem Wabbelarm ins Innere des giftgrünen Peugeots zurück. (Gab es hier noch irgendetwas zu bedenken?) Dann tauchte sie wieder auf und legte den Hut auf den Boden. Zu meinem nicht geringen Erstaunen zögerte sie noch kurz, bevor sie dann das gute Stück über die Stummelantenne des nebenan parkenden Minis hängte. Peinlich, wie mir das Schurkenstück mittlerweile schon selbst geworden war, bedankte ich mich jetzt mit einem launigen Ruf durch das steinerne Innere des mittelalterlichen Abtritts.

Inzwischen war meine Begleiterin endlich eingetroffen und hatte den Hut von der Antenne des Minis gepflückt. Erleichtert hatte ich dann meinen Gang auf der Mauer fortgesetzt, So kam ich endlich zu dem Turm, in dem Madame Durand von 1720 bis 1768, also volle 48 Jahre, eingekerkert war, nur weil sie, wie berichtet wird, „ihrem protestantischen Glauben nicht abschwor“. Als ich, nachdenklich geworden, den Gefängnisturm der Madame verließ und zum Ausgang strebte, dachte ich noch für mich: was ist so ein Vergehen verglichen mit dem Raub meines Hutes?

Da hatte meine Diebin aber echt nochmal Glück gehabt.

Allgemein

Der Wein im Paradies

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Auf dem DOLLENBERG – Siegerehrung im WEINPARADIES ORTENAU

Vielleicht ist es nicht gerade der heiligste aller Berge, zu dem die Ortenauer Winzer alljährlich pilgern, doch ist der Dollenberg dem Himmel nah genug, um dort, auf 695 Meter über dem Meeresspiegel, im Zweisterne Restaurant DOLLENBERG um höchste WeinWeihen zu bitten und – so stand zu hoffen – auch zu empfangen.

Das ‚Weinparadies Ortenau‘ unter dem Vorsitz von Stephan Danner, das vorneweg, ist eine Vereinigung von 42 Winzerbetrieben, die alljährlich angetreten sind, die Besten aus Ihrem Kreis zu küren, ein Vereinigung, die eingesehen hat, dass es in der heutigen Weinlandschaft unerlässlich ist, nicht nur Qualität zu liefern, sondern mittels Marketing diese auch zu kommunizieren.

Der DOLLENBERG, so lässt sich sagen, ist mit seiner ambitionierten Küche eine Art Hotspot im lieblichen wenn auch ansonsten nicht übermäßig überlaufenen Renchtal, wo derzeit der Bürgermeister der Gemeinde Bad Peterstal zum Entsetzen vieler um den Gastrostandort Besorgten alles daran setzt, in der so waldreichen wie windarmen Gegend drei massive Windräder zu positionieren. Natürlich ist an diesem Abend das Thema zwar präsent, doch nicht dominierend.

Zu sehr sind die gemeldeten Winzer damit beschäftigt , ihre Weine ins rechte Licht zu rücken. An diesem Abend also soll es um den Riesling gehen, der, nach Einschätzung vieler maßgeblicher Weinschmecker, nicht weniger als der König der Weißweine. Um den Segen gebeten hatten denn auch die profiliertesten Winzer der Ortenau, wie etwa die Gebrüder Laible, die sich alle Jahre wieder sich im edlen Weinkampf um die Gunst der Juroren treffen, sich aber, wie zu hören ist, um Vieles sorgen müssen, nicht aber um den Absatz ihres allgemein gesuchten Tropfens. In diesem Fall zu Ehren kam Andreas Laible; er belegte den zweiten Platz. Der erste Platz ging an die Privatkellerei Bimmerle. Und, auf einem guten dritten platz, „Die Oberkircher Winzer eG“.

Neu in diesem Jahr, dass auch erstmalig eine fruchtbetonte, halbtrockene Weinkategorie eingeführt wurden, dazu – auch das einen Neuerung – werden Rieslingsekte prämiert, was allgemein als gelungene Ergänzung bewertet wird.

Kein Weingenuss ohne Essen, und so wird, neben dem Auftritt des Patrons Meinrad Schmiederer, der in einer kurzen Rede darauf hinwies, dass es eine ganz besondere Situation ist, in der sich die Winzer befinden. In einem nicht übermäßig großen Weinbaugebiet wie die Ortenau, ist nicht zu vermeiden, dass punktuell aus Nachbarn Konkurrenten werde. Bei seinen Ausführungen werden ihm die Anspannung der Rebenkämpfer nicht verborgen geblieben sein. Um zu viel geht es. In dem engen, fast schon überfüllten Markt der Spitzenweine gilt es, jeden Vorteil zu nutzen, jedes Marketingplus in Euro zu verwandeln.

Auch wenn man sich kennt und schätzt, so weiß doch jeder (und behält es für sich): die Konkurrenz schläft nicht. Wo die Tochter nicht selbst im Betrieb mitarbeitet, sieht sie sich doch aufs Anmutigste hinterm Tisch drapiert, wo sie, ganz die Weinkönigin, dem Schmelz des Rieslings ihre professionelle Herzlichkeit beimischt. Dabei muss es nicht bleiben. Die Zahl der Winzerinnen hat in den letzten Jahren stark zugenommen.

Das Fachorgan „Gourmetwelten“ meldet, es sei der durchschnittliche Anteil der weiblichen Auszubildenden in den beiden Fünfjahreszeitraum 2015 bis 2019 sowie 2020 bis 2024 von 24 Prozent auf 30 Prozent gestiegen“.

Unverkennbar also, dass sich ganz allgemein ein Generationenwechsel mit stark weiblicher Beimischung abzeichnet. Ob sich dieser Wechsel vom Patriarchen zum einem jungen Nachfolger oder gar einer Nachfolgerin harmonischer gestaltet, lässt sich schwer absehen. Noch immer gehört das Harmonie suggerierenden Foto einer glücklichen Winzerfamilie zum Standardrepertoire der Selbstvermarktung.


Allgemein Malen & Schnitzen

Licht und Schattenspiele an der Museumsmeile

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Am 20. Juli feiern Burda-Museum, Kunsthalle, LA8 und Stadtmuseum gemeinsam wider den Rotstift

Privatbesitz © The Richard Pousette-Dart Estate / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Während das kalte Licht der Realität brutal die leeren Kassen der Stadt Baden-Baden in den öffentlichen Blickpunkt rückt, entfaltet im Museum Frieder Burda die aktuelle Ausstellung „Poesie des Lichts“ fast überirdischen Glanz. „Als Himmel, der sich unaufhörlich öffnet, wie ein asymmetrisches, unkalkulierbares impulsives Kaleidoskop“ definierte Richard Pousette-Dart (1916-1992) seinen Kunstbegriff. Bis zum 14. September erlaubt das amerikanische Multitalent in seiner der ersten großen Ausstellungen außerhalb der USA einen Einblick in seinen Kosmos mit rund 140Werken aus sechs Schaffensjahrzehnten.


Als einer der Pioniere des Abstrakten Expressionismus überwand er scheinbar mühelos die Grenzenzwischen Malerei, Bildhauerei, Kunsthandwerk, Skulptur und Fotografie.

Beherrschendes Thema blieb lebenslang die Faszination des Lichts. Flirrende großflächige Gemälde, auf deren scheinbar groben Oberflächen sich das Licht bricht und funkelnde Farbeffekte entstehen, wechseln mit filigran wirkenden Skulpturen und rätselhaften Metallarbeiten, die teilweise an aztekische Schmuck- und Ritualobjekte erinnern. Manche Werke erinnern mit ihrer Leuchtkraft an mittelalterliche Kirchenfenster oder nächtliche Sternenhimmel. Im oberen Stockwerk zeigt der
Fotograf Richard Pousette-Dart seinen virtuosen Umgang mit Licht und Kamera in Porträtaufnahmen bekannter Künstler seiner Zeit.

Diesem Aspekt seines Schaffens widmet übrigens das Begleitprogramm eine Sonderführung am 28. August um 17 Uhr. Während das Frieder Burda Museum aufgrund seiner privaten Führung unangefochten seinen Platz an der Museumsmeile behauptet, sieht es in der Nachbarschaft ungleich düsterer aus. Zwar hat der Baden-Badener Gemeinderat noch nicht das letzte Wort in Sachen Schließung des Stadtmuseums gesprochen, aber der städtische Rotstift dürfte schon gezückt sein. Auch die Nachbarschaftshilfe in Form des Protests der Stiftung Frieder Burda wird an der misslichen Situation wohl nichts ändern. Auch auf der anderen Seite des Meier-Baus herrscht in der Staatlichen Kunsthalle düstere Stimmung. Noch sind dort mit Mehtap Baydu (Lass Deinen Regen regnen) und Egemen Demirci
(Text Material) zwei aus der Türkei stammende Künstler zu Gast, aber am 10. Oktober steht die für viele Jahre letzte Ausstellung an: Anlässlich des 75. Geburtstags des Badischen Künstlerbunds beschließt „Selber Ort, andere Zeit“ die lange Geschichte des der modernen Kunst verschriebenen Hauses.

Die Baden-Badener Kunsthalle fungiert während der Renovierung des Badischen Landesmuseums im Karlsruher Schloss als Ausweichquartier, nachdem sie bereits im Mai diesen Jahres dem Landesmuseum angeschlossen wurde. Hinter der Interimslösung steht auch für diese renommierte Kulturinstitution ein dickes Fragezeichen in Sachen Zukunft. Wie ein Symbol der Solidarität wirkt das gemeinsame Museumsfest am 20. Juli, an dem alle vier (Noch-) Museen beteiligt sind – denn auch das LA8 liegt in den letzten Zügen. Nach dem Rückzug der Grenke-Stiftung aus dem Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts steht auch hier die Zukunft in den Sternen. Die geplante Nutzung als Welterbe-Zentrum fiel ja bereits dem besagten Rotstift zum Opfer …

(Irene Schröder)

Allgemein Essen & Trinken

Der Weitgespeiste – Das Interview Teil 1

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An diesen Tagen erreichte uns die Nachricht vom Tod des Gastrokritikers Wolfgang Abel – Verleger und Verfasser einer weitgehend regional ausgerichteten kulinarischen Buchreihe. Er lebte und arbeitete in einem kleinen Dorf, nahe Badenweiler. Dort hatten wir ihn bei einem sehr guten Kaffee zu einem längeren Gespräch getroffen. Als kleines Dankeschön für seine so wichtige Arbeit an der Ess-Kultur der Wirtschaften – hier noch einmal das Gespräch, das wir mit ihm 2015 geführt hatten.

 

Zuerst mal eine Frage, die sich ein Gastrokritiker gefallen lassen muss: kochen Sie selbst?

Ich koche eher einfach. Wenn ich mal zuhause bin, dann aber ja. Meine Frau kocht sehr gern. Wir laden oft Leute ein. Auch weil wir so eine Art Netzwerk haben. Ich kann die Bücher nicht allein machen. Das Schreiben besorge ich natürlich allein, aber ich bin einfach auch auf die Einschätzung anderer angewiesen. Wir haben einen Freundeskreis von Leuten, die ähnliche Interessen haben und deren Geschmack in eine ähnliche Richtung geht. Leute, die zunächst nicht erpicht darauf sind, ein neues Sternelokal zu testen, sondern die – wie auch ich – darauf achten, dass draußen im Land eine aufrichtige, gescheite Küche stattfindet.

Wenn Sie ein Lokal besuchen, machen Sie das allein oder eher in Begleitung?

Ich nehme gern jemanden mit, ganz einfach, weil dadurch das Spektrum der Einschätzungen breiter wird. Dabei geht es mir nicht darum, die Länge der Pommes Frites abzumessen. Und schon gar nicht laufe ich mit dem Fleischthermometer rum. Auf was es mir ankommt ist: Wenn ich aus dem Gasthaus rausgehe muss ich mich besser fühlen, als vorher. Manchmal ist es allerdings umgekehrt. Wenn die Stimmung im Lokal nicht stimmt, wenn du denkst, du warst in einem Eisschrank, wenn alles künstlich ist, dann spüre ich das. Ich gehe auch mal gern auf den Personalparkplatz. Wenn da Autos stehen mit ‚Böse Onkels’ Aufkleber, oder wenn der Chef mit einem tiefergelegten Schlitten rumfährt, dann beeinträchtigt das meine Meinung über ein Lokal, selbst wenn es mit dem Essen zunächst nichts zu tun haben sollte. Und was auch nicht geht, sind tote Fliegen im Kasten mit der Speisekarte vorm Haus.

So ein kulinarisches Testen lebt ja auch von der Anonymität. Sind Sie in der Restaurantszene nicht schon bekannt?

Im näheren Umkreis sicherlich. Im Breisgau oder in der Ortenau bin ich aber nicht bekannt. Und sollte ich einen Tisch reservieren, dann mache ich das unter dem Mädchennamen meiner Frau.

Was muss eine Gastroführer leisten?

Zunächst einmal muss er Orientierung bieten. Und er soll auch gut unterhalten.
In der Kritik wie im Lob sollte er sich nicht ranschmeißen. Er sollte sich nicht gemein machen mit seinem Thema. Er sollte eine gewisse Distanz behalten und trotzdem das Thema mit einer gewissen Leidenschaft angehen. Und vor allem: man sollte die Art der Kritik nicht vergessen. Die meisten Kritiken sind ja nur Lobhudeleien. Wenn man dann etwas tiefer gräbt, kann es schon passieren, dass der Lobende und der Gelobte oft auf eine merkwürdige Art miteinander verbunden sind.

So gesehen – was bereitet Ihnen ein regelmäßiges Ärgernis und was eine regelmäßige Freude?

Fangen wir mit dem Ärgernis an. Gar nicht geht, wenn in einer Weingegend wie hier Rotweine serviert werden, die im Juli hinterm Tresen stehen und demzufolge mit der sogenannten Zimmertemperatur von 28 bis 30 Grad ins Glas kommen. Das gilt auch für Weißweine, die zu warm sind. Das ganze in Gläsern serviert, die eher Senfpötten ähneln und dann kostet die Flasche auch noch € 30 – € 40.

Ein weiteres Ärgernis ist, dass ja immer weniger ‚gekocht‘ wird. Also kein Braten mehr vom großen Stück. Es gibt immer mehr diese a la Minute Tellergerichte. Es wird kaum mehr geschmort. Dabei reden alle von regionaler Küche und die Zutaten kommen immer noch aus dem Großmarkt. Warum keine heimischen Produkte? Denn deren Qualität hier im Süden hat sich entschieden verbessert. Sie bekommen ja heute wirklich Spitzenprodukte vor der Haustür. Braucht es da immer noch das Industriefleisch wie vor 20 Jahren? Nach wie vor passiert das in ganz vielen Häusern.

Und was ist mit der Freude?

Auch heute noch gibt es hier in der Gegend nach wie vor einige atmosphärisch schöne Landgasthöfe. Mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich dann so eine authentische Wirtschaft sehe. Mit einem Kachelofen und einem Tannenriemenboden, und die zudem bei dem geblieben sind, was sie können: kleine Karte, 5 – 6 Gerichte. Von mir aus Schnitzel, Leberle, Wurstsalat. Gut gemacht. Frisch. Solide Ware. Reicht doch.

www.oaseverlag.de

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