Gestern war das Wetter schön. Die Sonne schien und es war warm. Ich bekam Lust auf Eis. Also machte ich mich auf zur Eisdiele. Die heißt ‚Roma‘ und liegt ganz in meiner Nähe. Das Personal wechselt immer mal wieder. Nur ein ziemlich dicker Junge ist öfters da. Er kommt aus Sardinien. Das hatte er mir gesagt. Gestern aber bediente mich ein junges Mädchen. Ebenfalls figurbetont, aber schwarz gekleidet. Schwarz macht ja bekanntlich schlank.
Maskenbedingt hatte ich die Brille in der Brusttasche meines Hemdes verstaut. Das Mädchen meinte es gut mit mir und geizte nicht mit den Eisportionen. Als sie mit dem Becher nach hinten verschwand, um Sahne zu holen, bemerkte ich zwischen ihren unbekleideten Schulterblättern eine deutlich rote Färbung, worauf sie mir leid tat, denn ich befürchtete schon, sie hätte einen schlimmen Ausschlag. Vielleicht litt sie unter einer schmerzlichen Gürtelrose? Vielleicht war diese Gürtelrose sogar hochgerutscht, bis hin zur Schulter? (kenne mich da nicht so aus).
Als sie von der Sahnestation zurückkam, sagt sie, sie hätte heute keine Sahne. Die wäre ‚aus‘. Schade, dachte ich, aus. Keine Sahne. Dann muss ich das Eis eben heute trocken runter würgen. Dergestalt in meiner Aussicht auf Genuss reduziert, zog ich meine Brille wieder auf, was meinen Blick jetzt aber schärfte. Nachdem sich das Mädchen erneut umgedreht hatte, sah ich, dass der vermeintliche Ausschlag sich als Tattoo eines roten Adlers entpuppte, der sie wohl mit seinen Schwingen noch einmal nach hinten tragen sollte. Dort gab es zwar keine Sahne, aber einen Taschenrechner, in den sie konzentriert eingab: 3 x € 1,20. Macht genau € 3,60.
Ganz ehrlich: dass ich keine Sahne bekommen hatte, machte mich ein bisschen traurig. Aber für diese junge Frau freut es mich, denn sie wusste offensichtlich, wie man den Preis für drei Kugeln Eis berechnet. Zudem hatte sie keine Gürtelrose, sondern doch eher ein Tattoo.
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Korkengeld Teil 1
Wie Natalie Lumpp das Genießen zum Beruf macht
Es ist vor allem der Gang. Wie sie da fröhlich und leicht wippend beim Weinevent die Bühne betritt, fehlt eigentlich nur noch der Pferdeschwanz.
Und unten im Hof vielleicht ein roter Alfa Spider, nur so zum Spaß. Aber der Eindruck täuscht. So leicht, wie sich das nach außen darstellt, ist es natürlich nicht. Natalie Lumpp ist Sommelier, Weinberaterin.
Das Geschäft, in dem sie sich täglich beweist, ist hart, auch wenn es Freude macht. Große Kenntnis ist gefragt. Und Durchhaltewillen, Disziplin. Und dann noch, anders als der Spider, ein Fahrzeug, das seine Halterin bei Tag und Nacht, bei Regen und Schnee pünktlich zum Ort der Veranstaltung bringt, denn dort muss sie tagtäglich das Tor aufstoßen zu einer Welt, die so ganz die Ihre ist: die Welt des Weines.
Um soweit zu kommen, brauchte es eine ganze Menge. Ganz zu Anfang aber vor allem eines: viel Glück. Das Geschäft ist hart. Zunächst für die, die drin sind, vor allem aber für die, die reinwollen. Wer Ahnung vom Wein hat, dem bleibt zu-nächst nur der Weg einer Weinberatung in der Spitzengastronomie. Das bedeutet harte Tage, lange Nächte; viel Einsatz, immer freundlich. Und dann der Verkaufsdruck.
In den letzten Jahren aber hat sich für einige wenige dieser WeinberaterInnen – es gibt auch Männer! – ein neuer Weg aufgezeichnet. Das Thema Wein ist zu einem Geschäft geworden, das nach Beratung verlangt und auf Werbung angewiesen ist. Hier hatten sich die Medien förmlich angeboten. Weinqualität – schön und gut, aber wenn dein Wein niemand kennt? So ist auch in diesem Geschäft Marketing zu einem zentralen Punkt geworden. Man braucht Kommunikatoren, man braucht Verkäufer. Man braucht Leute wie Natalie Lumpp.
Im Rückblick erscheint ihr Werdegang ziemlich klassisch. In Freiburg geboren, absolviert sie zunächst eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Dazu kommen Weinseminare. Handwerk will gelernt sein. Dann wird sie in der ‚Traube‘ Tonbach ‚Chef de range‘, im Hotel ‚Bareiss‘ Chefsommelier und dann Restaurantleiterin im Schlosshotel Bühlerhöhe. Kurz nach der Jahrtausendwende eröffnet sich für sie die Möglichkeit, in der SWR Unterhaltungssendung „Der Fröhliche Alltag“ das Thema Wein im Fernsehen zu präsentieren. Parallel dazu aber nach wie vor Teilnahme an Weinwettbewerben. Kontakte knüpfen, präsent sein, Mitgliedschaften in Weinkreisen pflegen, sich vernetzen, dran bleiben. Das ganze Programm eben.
Und sich immer fröhlich präsentieren. Gut drauf sein. Wippen. Dann endlich der Entschluss: raus aus der Mühle der Gastronomie, rein ins Freiberufliche….
Demnächst mehr. Wo? Hier.
Korkengeld Teil 2
Wie Natalie Lumpp das Genießen zum Beruf macht
Dann endlich der Entschluss: raus aus der Mühle der Gastronomie, rein ins Freiberufliche.
Zu den Fernsehauftritten kommen jetzt Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften. Regelmäßige Kolumnen in der ‚Brigitte‘. Sie schreibt Bücher und macht immer wieder auchHörfunk. Was anfänglich Kleinvieh war, machte immer mehr Mist. Erste Weinpräsentationen, dann als Jurymitglied Teilnahme an Weinwettbewerben. Der Kalender füllt sich. Nun kommen auch ZDF, PRO 7 und Sat1 auf sie zu. In diesem Jahr sind schon alle Freitage ausgebucht. An fünf Tagen in der Woche ist sie beschäftigt. Ob die Familie das Nachsehen hat? Wie viele junge erfolgsorientierte Frauen würde sie dies verneinen. Ihr Mann allerdings hält ihr den Rücken frei.
Neben ihrer Präsenz in den Medien immer wieder Weinevents, die Hochämter des Geschäfts. Wein ist mittlerweile zum Livestyle geworden und sie stylt mit. Jetzt ist sie da angekommen, wo sie hinwollte. Was sie verkauft, ist auch ihr eigenes Image, nämlich das einer patenten, unkomplizierten jungen Frau, die sich nicht verstellt und sich so naturbelassen präsentiert, wie die von ihr favorisierten Weine. Z.B. beim Weinseminar in der 1. Mannheimer Kochschule in Friedelsheim/Pfalz. Natalie Lumpp ist schon früher da. Eben ordnet sie noch die Aromentöpfchen. Ihr Inhalt soll nachher erschnüffelt werden. Sie will die Sinne ansprechen. Geschmackstypen sollen erkannt werden. Da interessieren so Fragen wie: welcher Wein zu welchen Speisen, was macht die Temperatur mit dem Wein, wer braucht schon den Gerbstoff? Einfluss des Bodens. Terroir wird das neuerdings genannt. Wo kommt der Wein her? Welcher Einfluss hat der Boden, auf dem er wächst? Welches Glas zu welchem Wein?
Da ist vieles zu beachten. Das Publikum will geführt, will eingeführt werden. Da ist auch Psychologie im Spiel. Ein weites Feld. Im vorliegenden Fall sind es genau vierundfünfzig Genussjünger, die bereit sind, dem Ruf der Sommelier zu folgen. Dafür hat sich ein ehemaliges Weingut schön gemacht, Scheunengemütlichkeit. Vorwiegend junges Publikum. Keine Bembeltrinker, keine Henkelgläser. Heute gilt es. Entspannte Atmosphäre. Alle per du. Der Weingast ist Friedrich Becker aus Schweigern. Von Natalie Lumpp eingeladen, wird er einem neugierigen Publikum heute seine Weine präsentieren. Früher betrieb der Vater das Weingut, jetzt hat der Sohn das Sagen. Oder etwa nicht? Die Frage des Generationswechsels taucht auf. Da fragt sich das junge Publikum: wie kommen die beiden miteinander aus? Sowas nennt Natalie Lumpp ‚eine Geschichte‘. Das interessiert die Leute: neben dem Wein der Mensch. Jetzt ist Zeit für’s Essen…
Und weiter gehts. Demnächst hier: mit Teil 3.
Korkengeld Teil 3 und Schluss
Wie die Sommelier Natalie Lumpp das Genießen zum Beruf macht
Jetzt ist Zeit für’s Essen, soufflierten Zanderfilet‘ oder am abschließenden ‚Iron Steak in Punschmarinade‘? Wahrscheinlich war es einfach die schiere Wucht der Lumpp’schen Weinbegeisterung, die, in Verbindung mit dem überwältigenden Unterhaltungsfuror der energetisch aufgeladenen Moderatorin, das Publikum kurz durchatmen ließ. Denn eines sollte klar sein: ein Fläschchen zu öffnen und behutsam die Aromen herauszuschälen, das, so hört man allenthalben, reicht schon lange nicht mehr. Alles ändert sich. Wo früher Glykol im Pfälzer Glas stand, schwappt heute die reine Freude.
Über den Pfälzer Riesling lässt sie nichts kommen. Die Badener? Die seien wie ein Dampfer, der seit Jahren gut balanciert seine Qualitätsbahnen zieht. Natürlich gibt es Ausschläge, nach oben wie nach unten. Aber insgesamt seien sie auf einem guten Weg. Und was ist mit dem Rheingau? Zu satt. Die Rheinhessen, ja, die können es: „Message in a bottle“ – so wird’s gemacht. Und was geht an der Saar? Da hat der Jauch ja ein Weingut geerbt und betreibt es jetzt. Das könnte die ganze Region mitziehen. Und die Mosel? Mein Gott. 80% gehen in den Export, warum sich also ändern? Da tut sich im Moment wenig. Die Neuen Bundesländer? Gut und interessant, aber zu teuer. Die Mengen zu klein. In Württemberg ist der Lemberger ‚eine Granate‘. Die am Bodensee machen den besten ‚Müller‘ und das Elsass? Oh je. Braucht kein Mensch. Überbordende Weine, viel Alkohol, überreife Trauben. Alter Stiefel. Die kaufen jetzt ja bei uns. Gut, dass keiner der Winzer zuhört.
Mit der Kritik an den Weinen ist das nämlich so eine Sache. Nahezu jeder Winzer fordert die Weinfrau bei der Weinprobe eindringlich auf, ihm klar ihre Meinung zum Produkt zu sagen. Aber wehe, sie tut es. Alle wollen nur das Gute, nein, das Beste über ihr Produkt hören. Da ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, will man einem Winzer klar machen, dass sein Wein vielleicht in Ordnung ist, mehr aber auch nicht.
Harald Wohlfahrt, der große Dreisternekoch der ‚Traube Tonbach’, hochgeachteter Ziehvater der meisten deutschen Spitzenköche, fasst all das so zusammen: „Natalie Lumpp hat viel Ahnung vom Wein und sieht gut aus“.
Mehr kann man von einer Sommeliere nun wirklich nicht verlangen
Im Zobel zur Zwiebel
Wenn der Baden-Badener Wochenmarkt zum Laufsteg wird
Einkaufsspaß? Dank Corona gehört auch dieses Baden-Badener Gütezeichen seit Monaten der Vergangenheit an. Einkaufswagen-Slalom mit Sicherheits-abstand durch den Supermarkt; Schaufensterbummel durch die einst so beliebte Fußgängerzone mit Blick auf leere Flächen oder „Zu vermieten“-Schilder – macht doch keinen Spaß. Im Gegenteil. Da werden sogar der Drogeriemarkt oder die Apotheke zum Einkaufs-Highlight für genervte Maskenträger/innen. Aber da gibt es ja noch die kleinen Refugien, in denen so etwas wie Freude am Kauf aufblühen kann – die Baden-Badener Wochenmärkte mit ihren fast durch die Bank gut aufgelegten Händlern.
Ob über Obst, Gemüse, Fleisch und Backspezialitäten, über Käse, Eier und Blumen, ja selbst über Kohlköpfe, Kartoffelknollen und Marmeladetöpfchen hinweg, kommt Kauffreude auf; aller Masken zum Trotz. Selbst zwischenmenschliche Kontakte bahnen sich an. Man glaubt es kaum.
Doch wäre Baden-Baden nicht Baden-Baden, wo bekanntlich das „good good life“ beheimatet ist, wenn es nicht auch in Sachen Markttreiben immer noch ein bisschen anders ginge: während auf dem Platz bei der Bernharduskirche und vor dem Lichtertaler Kloster Jogginghose, Parka oder ähnlicher Einheitslook zu Marktkorb oder Rucksack getragen werden, durchweht – Corona hin, Corona her – den Wochenmarkt auf dem Augustaplatz ein Hauch von Laufsteg.
High-Heels-Boots und Pelzjäckchen, Top-Styling trotz flächendeckend geschlossener Friseur- und Nagelstudios (wie machen die das bloß???), trotz Marken-Shopper und Edelmetall am Ohr und Finger: beim Zwiebelkauf oder der Maultäschleauswahl (Manufakturwahre) wird all das einer verständigen Öffentlichkeit präsentiert. Koriander und Ingwer sind die vergnügt preisgegebenen Geheimtipps für die Verarbeitung von Lammgehacktem – oder war es doch frische Minze? Beim Coffee-to-go kommt fast Partystimmung auf, wenn mehr als zwei Haushalte in pandemiebedingtem Abstand kommunizieren.
Irgendwie ist doch immer noch „Baden-Baden-Zeit“, um einen Werbespruch aus unserer guten, alten Zeit zu zitieren. Wie tröstlich.
Irene Schröder