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„Tante Mimser“ Teil 2

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Im Amerika der 50er Jahre  gab es eine Gesellschaftsdame namens Elsa Maxwell. Sie war, wie aus alten Illustriertenfotos ersichtlich, von ähnlicher Statur wie die Röschin. Ebenso altfüllig, sah man sie meist im Kreise prominenter Amerikaner und Amerikanerinnen. Sie war wohl, wie zu lesen war, die Beichtmutter einer ganzen Promigeneration. Sie war gebildet und unterhaltsam. Von einem reichen Gönner gefragt, womit er ihr eine Freunde machen könnte, hatte sie ‚Kreisler’ gesagt, worauf sich Tage später ein chromblitzender Chrysler Straßenkreuzer von ihrer Tür fand, nicht ahnend, dass die beschenkte Adressatin den Geiger Fritz Kreisler gemeint hatte. Jedenfalls war man in Amerikas High Society froh um ihren Rat und ihre Diskretion.

Es muss sich aber auch in den damals von Wilhelmine Rösch vertriebenen Zeitschriften Hinweise auf ebendiese Elsa Maxwell gegeben haben, denn eines nicht so schönen Tages fand sich, was damals noch völlig unüblich war, an der Hauswand des Schwarzen Adler hingeschmiert der Satz: „Wilhelmine Rösch, die Elsa Maxwell vom Renchtal“.

Dies führe ich nur an, um die Bedeutung der Mimi zu bebildern. Jedenfalls freuten sich die älteren, den Krieg überlebt habenden Herren, sie in ihrem Kreis zu wissen, sie, mit ihrem Geist und ihrem Gespür für Klatsch und Tratsch. Da sie nie und nimmer genug Geld gehabt hätte, sich den abendlichen Klingelberger leisten zu können, durfte sie sich immer als eingeladen betrachten. Gegenteiliges ist jedenfalls in der Chronik des runden Tisches, dem sie angehörte, nicht verzeichnet. Wer hatte bezahlt? Davon ist nichts vermerkt. Man hatte es gern diskret.

Wer aber waren diese spendablen, damals schon etwas älteren Herren? Mir als Kind waren sie jedenfalls so erschienen. Ich kann mich aber täuschen. Früher war man früher alt. Jedenfalls waren sie alle Mitglieder eines honorigen Herrenstammtisches, um dessen Rund sich Angehörige der besseren Stände versammelten. Ihre Namen sind alle verzeichnet in drei massiven Bänden, die, von dunkelbraunen Schubern geschützt, pünktlich und detailliert auflisten, wer wann da war, wo er saß und über was gesprochen wurde. Die Bücher waren Teil des von mir angetretenen nicht eben großen Familienerbes, das ich allerdings gern noch um das Rezept der von meiner Großmutter alljährlich gebackenen Weihnachtsplätzchen namens ‚Nussnester’ ergänzt gesehen hätte. Was aber nicht der Fall war. So blieben mir, neben wenigen anderen Dingen, nur diese drei Bände, in denen ich blättere und deren letzter Band der Beginn einer Ära einläuten sollte.

Am 3.11.1966 z.B. hatte man über dieses und jenes gesprochen. Es war der Geburtstag „unserer lieben Frau Schirmann“, meiner Großmutter. So trank man „auf ihr Wohl mit ihrem Sekt“. Da traf es sich gut, dass die Herren Langenmaier, Egelhaaf, Lehrke und Rhein da waren, eine eher kleine Besetzung. Dr. Bohrmann blieb entschuldigt „als krank“ fern („gestern konnte er noch massieren“), und Herrn Apelt, der in der Regel die Chronik führte, weilte im 40 Km entfernten Baden-Baden. Dort machte man, konnte man sich’s leisten, gern im ‚Brenner’s Parkhotel’ ein paar Tage Urlaub. Die Woche drauf aber war er wieder da, und so konnte die Kladde vermerken, dass es „Gute Unterhaltung gegen Schluss 11 h mit Apelt“ gegeben hatte. Empörung äußerte man allenthalben, dass die FDP mit ihren vier Ministern aus der Regierung Erhard ausgeschieden sei, und man bescheinigte ihr damals einen „Mangel an Gesinnung und Charakter“.

Frau Rösch ist als ‚anwesend’ nie gesondert vermerkt, aber am 17.11.1966 widerfährt ihr große Beachtung. Leider, muss man sagen. Der Band Nr. 3 vermerkt tatsächlich ihren Namen, der ausnahmsweise wie all die anderen Namen über die Jahre, am runden Tisch mit eingezeichneter Position vermerkt worden war. Eine Ausnahme, wie es scheint, denn der Anlass war ein traurig Besonderer. „Von 21h-23h in Frische und bei guter Unterhaltung, sank unsere liebe gute Frau Rösch unerwartet zur Seite. Gestützt von mir und Dr. Bohrmann (offensichtlich war Dr. Bohrmann an besagtem Tag wieder zum Massieren gekommen d.V) – konnte sie sich nicht mehr erheben. Der Tod hatte sie ereilt“.

Man wird nicht umhingekommen sein, auch die Scherben ihres Glases aufzulesen, denn wie mir meine Großmutter Jahre später noch erzählte, hatte die eben Verblichene, bevor sie fiel, noch den halbvollen Römer erhoben. Aus der Nachbarschaft herbeigerufen war dann ein Herr Dr. Kessler erschienen, dem aber nicht mehr zu tun blieb, als den Heimgang der doch irgendwie glücklich aus dem Leben Geschiedenen zu konstatieren.

So kam es denn auch noch, dass durch die Todesanzeige, geschalten von einer Verwandten namens Martha Riese-Weingart, die meines Wissens nie zuvor in Erscheinung getreten war, alle Welt erfahren sollte, dass Frau Wilhelmine Rösch im Leben offensichtlich auch noch ‚Tante Mimser’ genannt wurde.

 

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Pfälzer Flugtage

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Kuh in Melchsee-Frutt

Abgefallene Kuh. Nicht in der Pfalz!

Der LuftKuhOrt: Warum in der Pfalz eine Kuh vom Himmel fällt

Wir sollten unbedingt mal wieder über unsere Nachbarn, die Pfälzer, reden. Ohne sie wäre die Welt wirklich ärmer. Wir hätten dann nämlich keine ‚Fleeschknepp’, keine ‚Grumbeersupp un Quetschekuche’ und auch keinen ‚Saumagen’. Vor allem aber hätten wir nicht diesen wunderbaren Riesling, der sich, wie man es besser nicht sagen kann, gewaschen hat.

Das hängt natürlich auch mit der einzigartigen Landschaft zusammen. Denn wenn  beim Immobilienerwerb der Banker versucht, uns mit dem Ruf: Lage! Lage! Lage! auf einen vernünftigen Standort einzuschwören,  blicken wir verträumt aus dem Fenster und denken an ‚Musenhang‘, ‚Ungeheuer‘, ‚Maushügel‘, allesamt große Weinlagen rund um Deidesheim.

All diese Herrlichkeiten zusammenfassend muss man sagen: wenn der Herrgott dort oben jemals Manna auf einen Landstrich hat regnen lassen, dann wird’s  die Pfalz  gewesen sein.

In diesen Tagen muss nun aber ein Pfälzer Hausbesitzer das Gefühl bekommen haben, der Herr im Himmel habe noch einen draufgelegt, denn die Presse meldet, es hätte in seinem Haus einen Schlag getan, worauf der wackere Pfälzer ins Freie geeilt war und dort im Garten eine abgestürzte Kuh habe entdeckte.

Wären wir noch ein bisschen gläubiger, müssen wir bezeugen, dass der Herrgott auf die Pfalz nicht nur Manna sondern neuerdings also auch Kühe hat regnen lassen. Aber es verhielt sich dann wohl so, dass die grasende Kuh oberhalb des Anwesens dem Abgrund zu nahe gekommen war. So wurde sie wohl ein Opfer der Schwerkraft, stürzte ab, wurde dann aber – oh Wunder! – von einer Regenrinne aufgefangen, an der sie irgendwie hängen blieb.

Wir wollen den Gedanken jetzt nicht vertiefen, was sie in der Pfalz denn für Regenrinnen verbauen. Offensichtlich sind die stark genug,  den Sturz einer Kuh abzufangen. Das wäre dann vielleicht eine Werbeaktion der Pfälzer Regenrinnenbauer. Ist aber eher unwahrscheinlich.

Vielleicht könnte es aber auch sein, dass man einfach mal wieder auf ein Pfälzer Naturprodukt aufmerksam machen wollte – ähnlich dem Hällischen Landschwein, das ja auch zu einer Marke geworden war. Ob bei dessen Markteinführung  im Vorfeld Schweine geflogen sind, wissen wir nicht. Das Ganze scheint uns bei gründlicher Betrachtung jedenfalls rätselhaft.

Egal, wie’s wirklich war – es gilt festzuhalten: alles besser, als dass es Katzen hagelt.

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Ode an den Wurstsalat

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Gerade in diesen so überaus harten Zeiten, sollten wir uns hier kurz und wehmütig an die Leib- und Magenspeise erinnern, die uns stets, in guten wie in schlechten  Zeiten unseren Bierdurst erst so richtig abrundet. Es ist der Wurstsalat.

Natürlich braucht es dazu keine Wirtschaft. Wir können den Wurstsalat auch daheim essen. Schließlich gibt’s Ringe aus Fleischwurst überall. Auch wird es in der heimischen Küche an Öl, Zwiebeln und auch an Essig nicht fehlen. Aber gerade im Verzicht auf den Wurstsalat daheim liegt ein Stück weit das große Glück dieses besonderen Genusses. Dem sollte man sich am besten im Freien hingeben.

Wenn wir ihn da essen wollen, wo er hingehört, fällt uns voller Sehnsucht natürlich gleich mal der Biergarten ein. Die Sonne scheint, der Kies knirscht. Ab und zu lässt der Baum, in dessen Schatten wir trinken, ein Blatt leise zu Boden fallen. Wir haben unsere Zeitung dabei. Das Oldtimer Cabrio steht mit offenem Verdeck vor der Wirtschaft. Dort, wo von Zeit zu Zeit unser Blick hin wandert. Die Bedienung, die uns kennt, ruft schon von Ferne: wie immer? Aber sicher! Und dann kommt’s. Erst kommt das Bier, und dann haben wir auch noch den Salat. Den Wurstsalat. Sieht fast nach einem Wunder aus, wie er da so vor uns steht.

Doch auch ein Wunder will angerichtet sein. Denn was sich so einfach anhört, ist so einfach nicht. Ein Wurstsalat ist – auch wenn man es ihm nicht ansieht – ein komplexes Gebilde. Es gibt ihn zunächst ganz einfach als Wurstsalat. Dann aber geht’s schon los. Es gibt ihn in der Variante ‚Straßburger‘ Wurstsalat, also mit Schweizer Käse. Oder aber auch als ‚Elsässer‘ Wurstsalat, was aber das Gleiche ist. Manche Bedienungen fragen nach. Sagt man ‚Straßburger’, sagen sie ‚Elsässer‘? Sagt man ‚Elsässer‘ fragen sie ‚Straßburger‘? Scheint, als wartet auf den Genießer eine ganze Palette von geschmacklichen Möglichkeiten.

Im Schwäbische gibt’s z.B. noch den ‚Schwäbischen Wurstsalat“ (richtig erraten!), der sich vom Badischen (oder Elsässer) darin unterscheidet, dass er mit Schwarzwurst zubereitet wird.

Die Fleischwurst sollte dünn geschnitten sein, nicht zu viel Öl und schon gar nicht zu viel Essig. Grundsätzlich sollte er gut durchgezogen sein, aber anderseits auch wieder nicht zu lange. Nicht, dass da was Lätschiges vor uns im Teller liegt. Manche raspeln den Käse flockenartig über die Wurst. Auch gut. Vor allem hat man das nicht alle Tage. So gesehen ist ein Wurstsalat ein bisschen wie ein Überraschungsei. Man weiß nie, was man kriegt.

Das kann einem in Bayern nicht passieren. Der Wurstsalat, den sie uns da auftragen, ist in der Regel ein merkwürdiges Ding – man kann es nicht anders sagen. Da schwimmen doch tatsächlich Fleischwursträdchen in einer Mischung aus Wasser und Essig, soviel Flüssigkeit, dass die Wurst da drin kaum Luftholen kann. Hat man viel Glück, hat das Personal die Hälfte der Soße beim Anmarsch schon verschüttet. Sonst besorgen sie es beim Abstellen des Tellers. Den verbleibenden Rest kann man mit der meist extra in Rechnung gestellten ‚Semmel‘ kaum auftunken. Was bleibt, ist oft genug eine vollgekleckerte Hose, immer noch Hunger und ein Zwiebelgeschmack im Mund, der uns beim nächstes Mal einen (meist exzellenten!) Schweinebraten bestellen lässt.

Ansonsten hätte auch hier gegolten: weniger Zwiebeln sind mehr. Wie zu viel Knoblauch ein Essen komplett verhunzen kann, so kann einem das auch mit dem ‚Überzwiebeln‘ passieren. Klein-geschnitten sollten sie sein, die Zwiebelchen. Eine zarte Beimischung. Sind es zu viele, drängen sie sich geschmacklich in den Vordergrund, wo sie nicht hingehören. Wenn’s halt trotzdem mal passiert, muss ein Schnaps her.

Ist man soweit gekommen, braucht es jetzt eigentlich nur noch meine Lieblingsbeigabe. Aufgeblasene Schreiberlinge würden das eine ‚kongeniale Ergänzung‘ nennen. Wir aber nennen es Bratkartoffeln. Manche sagen Brägele, was in Ordnung geht. Hauptsache, man weiß, was gemeint ist. Das Dümmste allerdings ist, wenn man uns sogenannte ‚Bratkartöffele‘ andrehen will. Da krieg ich die Krise.

Ansonsten habe ich die Bratkartoffeln gern fein geschnitten. Können auch ein bisschen fett sein. So zünden sie die nächste Stufe in der Geschmacksrakete. Natürlich tut’s Brot auch, erfahrungsgemäß sparen Wirte aber oft am Brot. Sehe ich manchmal die zwei Scheiben auf dem Teller, kommt es mir vor, als würde ich die schon vom ALDI kennen. Dem entgeht man, wenn man gleich der Bratkartoffel sein Ja-Wort gibt. Brot kann dann weg. Ich persönlich finde, dass erst durch die Beilage – die alte DDR hätte es eine ‚Sättigungsbeilage‘ genannt – so ein Wurstsalat zu einem richtigen Essen wird.

Das Hors d’oeuvre kann dann entfallen. Das Dessert nehmen wir morgen. Selbst wenn die Wetterlage stabil scheint, tut man im Biergarten gut daran, sich auf’s Wesentliche zu konzentrieren. Auf einen Wurstsalat.

Allgemein Essen & Trinken

Essen auf Rädern

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220px-ICE_3_FahlenbachGestern war’s wieder mal toll im Zug. Er war pünktlich abgefahren, und kaum hatte er den Bahnhof verlassen, duftete es nach Essen, dass es nur so eine Art hatte. Was geruchsmäßig schon mal ganz toll roch, waren zunächst Fleischküchle mit Kartoffelsalat, beides  mit offensichtlich hohem Zwiebelanteil. Erwähnen muss man in diesem Zusammenhang auch den einzigartigen Duft von Romadur auf  Baguette! Weiter registriert die Nase ‚Sushi‘, aber auch Curryhühnchen an Reis. Immer wieder gern genommen. Hatte ich schon vom Salat mit Knoblauchdip erzählt? Und von dem unverwüstlichen Speisekartenknaller: kaltes Schnitzel ‚Wiener Art’, ebenfalls ergänzt durch einen Kartoffelsalat, der durch die Beigabe von etwas Knoblauch an Geschmack und Geruch sogar noch zulegen kann?

Wem jetzt schon mal das Wasser im Mund zusammenläuft, der sei vorsorglich darauf hingewiesen, dass sich diese wunderbaren und unverwechselbaren Düfte keineswegs am dafür vorgesehenen Ort, nämlich im Speisewagen, entfalten, sondern im Großraumabteil des ICE von München nach Karlsruhe, wo man schon mal den Eindruck hätte gewinnen können, der 2. Weltkrieg sei eben zu Ende gegangen. Froh, dem Grauen entkommen zu sein, reist man jetzt durch das Nachkriegsdeutschland. Vielleicht arm an Geld, aber unzweifelhaft reich an mitgebrachtem Proviant.

An manchen Tagen scheint es, als wäre eine normale Zugfahrt nicht mehr vorstellbar ohne das, was man früher vielleicht als das große Fressen bezeichnet hätte. Kurz: der ganze Wagen stank nach Essen, dass man mit Mühe den Brechreiz unterdrücken konnte. Dabei präsentierte sich ein äußerst breitgefächertes Geruchsportfolio, einmal quer durch die kalte Küche. Jede geöffnete Tupperware wird so zu einer Büchse der Pandora.

Vorbei die Zeiten, da der Duft von Kaffee die Nasen der Reisenden umschmeichelte und das einzige Geräusch, das das Ohr eines still Lesenden erreichte, das Knacken eines Schokoriegels war.

Heute aber, so scheint es, reisen ganze Heerscharen ausgehungerter Reisender, die weniger die Sorge umtreibt, dass der Zug pünktlich abfährt, als vielmehr, dass er zu früh ankommt.

Könnte ja sein, dass man mit dem Essen noch nicht fertig ist.

Allgemein Essen & Trinken Kultur

Er hat die Haare schön

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Marc Marshall färbt sich den Bart und treibts bunt

Schwer zu glauben, aber kaum hatten wir gedacht, das alte Jahr sei vorbei, holt es uns auch schon wieder ein. Und zwar in Form eines Fotos, mit dem der Sänger Marc Marshall für sich wirbt und das, wie heute halt üblich, fluchs viral geht. Was in der Regel heißt, dass jeder Mist – ist er mal draußen –  nicht mehr einzufangen ist.

Im vorliegenden Fall beschäftigt uns ein Foto des Sängers, das er in der Hoffnung auf ähnliche Popularität, wie sein Vater Tony Marshall am Ende des letzten, eher nicht so gut verlaufenden Jahres noch gepostet hatte.

Nun muss man natürlich wissen, dass Marc Marshall, obschon auch nicht mehr ganz jung, sich noch nicht recht gefunden hat. Mal präsentiert er sich als klassischer Schlagersänger, mal als Chansonier. Dazwischen gibt er sich aber auch als Opernsänger oder aber als Gigolo. Immer, so steht zu vermuten, ist bei ihm künstlerisch was los. Da ist ein ständiges Häuten, wie man es allenfalls vielleicht noch von Schlangen kennt, die nach dem saisonal bedingten Abstreifen ihrer Haut von sich doch stets immer wieder behaupten können: hallo, ich bin’s.

So mag es auch unserem Künstler gehen, der trotz seinen durch seinen vielfältigen Rollenwechsel uns glauben machen will, wo Marc Marshall drauf steht ist auch Marc Marshall drin.

Dieser an sich vernünftige Ansatz wird jetzt irgendwie beschädigt durch seine jüngste Aktion, die die Seriösität seines Tuns zwar nicht gänzlich in frage stellt, immerhin aber an ihr rüttelt. Auf der Suche nach immerwährender Aufmerksamkeit war der Künstler in den letzten Tagen des vergangen Jahres nämlich auf die Idee verfallen, sich zwar nicht schlagenmäßig zu häuten, immerhin aber einen anderen Anstrich zu verpassen.

So kam es, dass er sich, das künstlerische Tun noch unterstreichend, seinen mächtigen Bart färbte, um so in Anlehnung an die Regenbogenaktion unserer Nationalmannschaft in Katar ein Zeichen zu setzen. Auch er ist also gegen Rassismus und Diskriminierung. „Liebe, Frieden und Respekt trage ich in mir – und all diese Werte sehe ich auch in einem Regenbogen.“ Dass diese Wortfolge auch als Headline seines aktuellen Programms auftaucht, ist praktisch. So muss er nicht zweimal nachdenken.

Gerade weil der Sänger sich bislang in diesen Bereichen noch nicht so positioniert hatte, war dieser Schwenk einigen seiner Fans so nicht geläufig, weshalb sie sich in den sozialen Medien erst einmal Luft verschafften und ihn kritisierten. Worauf der Star jedwelchen kritischen Anmerkungen entschlossen entgegentrat. BILD meldete, er habe angesichts des Elends der Welt sogar mit einem anderen Star eine „144-Stunden-Mahnwache gehalten, sich mit mehr als 90 Persönlichkeiten aus aller Welt ausgetauscht“. Angesichts der aufkommenden Publicity kann man das nur als eine rundum gelungene Aktion bezeichnen. Umso ratloser verfolgen wir sein Statement zu der Kritik einzelner Fans, denen er zuruft: „Lasst mich in Ruhe! Es ist mir scheißegal, ob irgend jemand mein Gesicht gefällt oder nicht“. Abgesehen davon, dass es ‚jemandem‘ heißen muss, droht dem engagierten Sänger nun eine nicht geringe Anzahl seiner Zuhörer abhanden zu kommen, was er stark verärgert als ‚WinWin‘ Situation bezeichnet.

So gesehen hat er ja recht. Auch einem Fisch, den wir landläufig als ‚Forelle‘ benennen, kann es egal sein, ob wir ihn mit dem Regenbogen in Verbindung bringen. Hauptsache, er landet nicht auf unserem Teller und fängt an zu singen.

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