Category Archives: Kultur

Allgemein Kultur

Surfen auf der Woge des Erfolgs

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Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Dass das so ist, hatte schon Karl Valentin früh erkannt. Doch er war nicht der erste. Schon lange vor ihm – glaubt man dem Wikipedia Eintrag – hatte Puccini, der große Opernkomponist, Ähnliches gespürt. Denn wie anders hätte man den Satz aus dem Wikipedia Eintrag verstehen sollen, dass Puccini, verwöhnt von seinen frühen Erfolgen, zur Einsicht kam, dass es weit angenehmeres gibt, als sich an 12 Tönen abzurackern.

Lassen wir jetzt einmal seine zahlreichen, teilweise parallel verlaufende Amouren außen vor, weist uns eine Postkarte von ihm den rechten Weg zur alternativen Lebensart und Sinnhaftigkeit: sie zeigt den Maestro als leidenschaftlichen Seefahrer, wie er da, umtost von Wind und Wellen, eben diesen fröhlich trotzt. Glücklich die Wasser, die einen solchen Maestro tragen.

Allerdings war er nicht der einzige, der vor Kunst und Noten floh, um sein Heil anderswo zu finden/suchen. Auch von einem anderen großen Komponisten ist bekannt, dass er im Komponieren nicht das Nonplusulta des Lebens sah. Früh vollendet, sah sich auch Gioachino Rossini nach äußerst erfolgreichem Bühnenschaffen vor allem als leidenschaftlicher Koch. So verdanken wir ihm nicht nur zahlreiche Opern sondern auch noch zahllose Rezepte, die uns ebenfalls entzücken. Hier sei beispielhaft das wunderbare ‚Tournedos a la Rosini` erwähnt.

Darüber hinaus hört man von noch einigen ‚Alterssünden‘, Klavierstücke, die  wir in diesem schmackhaften Zusammenhang jetzt einmal als eine Art Petitesse werten wollen. Diese Klavierwerke sollten wir Genießer dem Komponisten aber gern nachsehen, zumal sie so appetitanregende Titel tragen wie „Gefolterter Walzer, asthmatische Etüde, chromatischer Drehteller oder Fehlgeburt einer Polka“. Vom künstlerischen Standpunkt aus gesehen also eher eine Art klingendes Dessert.

Immerhin ein schönes Beispiel dafür, dass da ein großer Künstler weiß, wann es Zeit ist, in die Küche zu verschwinden oder eben, wie im Fall von Puccini, Klepperboot zu fahren.
Das freilich wissen nicht alle. So erinnerte Wolfgang Hildesheimer in einer wunderbaren Kurzgeschichte („1956 – ein Pilzjahr“) an den einhundertsten Todestag eines Mannes namens Gottlieb Theodor Pilz, dessen Verdienst wohl darin bestand, zu verhindern, dass Kunst entsteht. Leider seien die Mittel dieser Stiftung seit geraumer Zeit versiegt, weshalb überall die Kunst wieder ihr Haupt erhebt. Und so zieht es heute wieder unzählige Frauen und Männer auf der Suche nach Verdienstmöglichkeit und schöpferischem Material nach Berlin, wo sie reich gefüllte Stipentiatentöpfe vermuten, die ihnen das Erschaffen von Kunst oder zumindest Kunstähnlichem ermöglichen.

Daneben  erreichen uns in diesen Tagen aber auch andere, uns fröhlich stimmende Informationen. In Gotha, nicht weit von Berlin, hatte kürzlich der PEN getagt, die deutsche Schriftstellervereinigung, und war mit lautem Getöse zu Ende gegangen, worauf der damalige Vorsitzende, der türkischstämmige Denis Yücsel, aus für uns nicht recht erfindlichen Gründen hinwarf und dem Verband bescheinigte, er sei auf dem Weg zu einer „Bratwurstbude“.

Sollte es schöpferischen jungen Menschen also demnächst vergönnt sein, sich in einer solchen zu verdingen, lässt dies für die Literatur der kommenden Dekade hoffen. Doch scheint es gänzlich verfrüht, hinter jedem Lenker eines Tretboots auf dem Wannsee einen saturierten Dichter zu vermuten.

Allgemein Kultur Stadtstreicher

Russische Eier Teil 1

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…im Fabergé Museum in Baden-Baden

Während draußen auf den Schlachtfeldern der Ukraine furchtbare Kämpfe toben, ist es im Inneren des Gebäudes erstaunlich still. Allerdings findet auch hier, im beschaulichen Baden-Baden, ein Kampf statt, wo man im Fabergé Museum mit nicht kriegerischen Mitteln aber ebenso großer Leidenschaft die Erinnerung an die einstige Größe Russlands beschwört.

Denn gerade hier, in der Kurstadt an der Oos, hält sich – meist in Kreisen zugewanderter Russen – zäh die Mär, Baden Baden sei eine ‚russische Stadt‘. Dabei bezieht man sich im wesentlichen auf die Zeit zwischen den ersten Besuchen der badischen Zarengattin, die von Heimweh getrieben, mit ihrem Gatten ab 1700 Baden Baden immer wieder besuchte. Bis zum Ende des Zarentums sollte denn Baden Baden fortan eine der Sommerhauptstädte Europas werden, in denen sich alljährlich zur Sommerzeit der russische Adel mit all den angeflanschten Lakaien, Kurtisanen und Künstlern tummelten. Es galt, zumindest zeitweise, dem verschnakten Umfeld der aus Sümpfen geborenen Hauptstadt St. Petersburg zu entfliehen.

Last man standing. Dostojewski – der letzte Russe in Baden-Baden?

Und so setzte man sich hier in B-B fest, in neu erbauten Villen, Herrenhäusern, die allesamt in ja großdeutschem oder französischen Baustil gehalten waren. Man sprach Französisch, trank Champagner oder auch – Tschechow hat darüber berichtet – Affentaler Wein. Doch wäre es damals wie heute schwergefallen, eine genuin russische Kultur zu erkennen. Das Einzige, das einen genuin russischen Charakter trug war die Tradition der russisch orthodoxen Kirchen mit ihrer Ikonenmalerei. Vielleicht muss man nicht so weit gehen, dem Verdikt von Hugh Thomas („die Geschichte der Welt“) zuzustimmen, der sagt, es sei – bis zum Aufkommen des russischen Romans im 19. Jahrhundert – „der mittelalterliche Großpflug der einzige Beitrag der Slawen zum Fortschritt der Menschheit“.

Die Fabergé Eier jedenfalls gehören nicht dazu. Denn auch diese entsprangen, zumindest der Idee nach, französischer Handwerkskunst. Es sollte einem Franzosen hugenottischer Herkunft beschieden sein, dem Zaren und der ganzen russischen Oberschicht eine Pretiose zu schenken, die nachgerade zu einem Symbol zaristischer Herrschaft werden sollte.

Dies dürfte dem wiedererweckten Zaren namens Putin nicht entgangen sein… (Mehr demnächst. Hier.)

 

Allgemein Kultur Menschen

Badischer Dreisatz

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Philipp Brucker

Immer gut, wenn man zusammen Mittag isst. Man erfährt dann immer etwas, das man noch nicht kannte. So erinnerte mich heute der ehemalige Landrat des Ortenaukreises, Klaus Brodbeck, an Philipp Brucker, der als Oberbürgermeister von Lahr das mit Beste an Badischer Weltliteratur geschrieben hat, das wir haben. „’s Wundergigili“ „Jo, Pfiffedeckel“, und „Hänner’s verstande?“, alles Bücher, die wir als Zeugnisse bleibenden Schaffens sehen.

Nun aber hörte ich heute von einer Sentenz, die ebenfalls von dem brillianten Philipp Brucker stammt, und die ich hier unbedingt erzählen muss. Vielleicht nicht als Handlungsanleitung in derzeitiger Zeit zu sehen, aber erzählenswert ist der kleine Vers trotzdem. Hier also:

 

Badischer Dreisatz

Erscht mache mer mol nix.

Dann warde mer ab.

Und dann were mer sähne.

(für Nicht-Badener)

Erst machen wir mal nichts.

Dann warten wir ab.

Und dann werden wir sehen.

So. Und demnächst wieder so, wie Sie’s von uns gewohnt sind. Ernst.

 

Allgemein Gastbeiträge Kultur Malen & Schnitzen

Maschenprotest: Häkeln für die Umwelt

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Würden Nixen Handarbeitsunterricht erhalten, wären die leuchtend bunten Exponate der aktuellen Schau im Frieder Burda Museum durchaus ihren fleißigen Fingern zuzuordnen. Für jemanden, den schon ein rundes Häkeldeckchen an den Rand der Verzückung bringt, hat der Besuch im Museum etwas durchaus Märchenhaftes – wer bringt diese Farbenpracht und diesen Formenreichtum aus den Tiefen der Meere in unmittelbare Nähe der braven Oos?

Zu verdanken ist dieses bestrickende Erlebnis den Künstler-Schwestern Margaret und Christine Wertheim, deren Symbiosen von Kunsthandwerk, Wissenschaft und Kunst seit fast 20 Jahren für internationales Aufsehen sorgen. Mit ihrem als feministischem Kunst-Happening definierten „Chrochet Coral Reef“ (gehäkeltes Korallenriff) wollen sie auf die drohende Zerstörung maritimer Wunderwerke wie das Great Barrier Reef aufmerksam machen und weltweit Menschen aktiv mit der Häkelnadel am Kampf gegen die Umweltsünden teilhaben lassen.

Seit 2005 entstanden in über 50 Städten und diversen Ländern vor Ort „Häkelriffe“, an denen fast 20 000 Menschen, meistens Frauen, mitwirkten. Die Baden-Badener Ausstellung mit dem Titel „Wert und Wandel der Korallen“ schlägt bisher alle anderen Aktionen. Über 40 000 Häkelkorallen aus ganz Deutschland wurden an das Museum geschickt und vor Ort zu beeindruckenden Installationen zusammengefügt. Sie kamen nicht allein, denn vielen Paketen lagen Briefe, Fotos und sogar Gedichte der Absenderinnen bei, die sich teilweise in ihren Wohnorten zum kollektiven Häkeln getroffen hatten – Kaffeekränzchen mit hohem Anspruch, denn: „Durch das Häkeln mit Garn betreiben die Autorinnen und Autoren der Werke eine Art angewandte Mathematik, gleichzeitig bringen sie Handwerk und Geometrie mit dem Klimawandel und der Entwicklung des Lebens auf der Erde in Verbindung ….So entsteht eine Taxonomie der Häkelkorallen-,Organismen‘, definieren die Schwestern ihre Arbeit laut Pressemappe des Museums.

Margaret und Christine Wertheim

Das Baden-Badener „Satellite Reef“, das sich als Community-Art-Projekt“ versteht, nimmt einen eigenen Saal des Museums ein. Sechs „Koralleninseln“ wirken wie ein bunter unterirdischer Garten, der durchaus den rund um das Museum blühenden Frühjahrsboten Konkurrenz macht. Ein „Ableger“ der Baden-Badener Installation wird übrigens künftig im Pforzheimer Gasometer als Leihgabe des Frieder Burda Museums zu besichtigen sein. In die Freude an den fast unendlich erscheinenden Farben und Formen der gehäkelten Nesseltierchem mischt sich die Trauer über das Verbrechen, das die Menschheit tagtäglich an ihnen unter anderem durch Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung und Tourismus begeht.

„Korallenbleiche“ lässt sie zu gespenstischen Wesen mutieren, denen der Hitzetod droht, Plastikmüll, Drähte und andere Abfallprodukte wurden in bedrückende Installationen eingearbeitet, die in scharfem Kontrast zu den oft fast übermütigen Tentakeln beispielsweise der großen Wandinstallation stehen. Erstaunlich viele Männer lassen sich übrigens von den Kunstwerken aus Luftmaschen, festen Maschen und Kettmaschen faszinieren – so viel zum Thema Handarbeitsausstellung für Umweltschützer. In die Praxis lassen sich die Anregungen übrigens in mehreren Kursen und Workshops umsetzen, die das Museum im Begleitprogramm zur bis zum 26. Juni dauernden Korallenschau anbietet. Auch im Internet finden sich viele Beispiele zur gehäkelten Hommage an ein bedrohtes Paradies.

Irene Schröder

Allgemein Blättern & Rauschen Kultur

DER SPITTER 2

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Sendet sie nieder!

Deutsche Radiowellen im Widerstand

Gerade in diesen so stürmischen und vom Krieg geprägten Tagen, die die derzeit Ukrainer durchleiden, tut es dem geschundene Volk gut, aus allen Teilen der Welt Solidarität zu erfahren. So auch heute morgen, als um 8.45 h im Rahmen des normalen Programms der Deutschlandfunk wie auch 200 anderer deutscher Sender in einer beispielhaften Aktion das Programm unterbrachen und dem erstaunten Hörer mitteilte, man wolle als Geste der weltweiten Solidarität mit dem leidenden Volk der Ukrainer eben hier im Programm ‚ein Zeichen setzten‘. Zum Zeichen erkoren hatte man sich den Song ‚Give Peace a Chance‘ von John Lennon, das dann wuchtig knappe ca 5 Minuten lang über den Sender ging und allen Redakteurinnen und Redakteuren unzweifelhaft das wohlige Gefühl vermittelte, auf der richtigen Seite zu stehen und sich dem klingenden Widerstand gegen die Russische Okkupation eben angeschlossen zu haben.

Könnte aber auch sein, dass sich unsere kämpferischen MitarbeiterInnen mit dieser tapferen Aktion irgendwie ins Knie geschossen haben. Vielleicht ist diese mächtige Geste Putin nicht entgangen, worauf die Deutsche Welle und andere Deutsche Sender in Russland ihre Programme einstellen mussten.

Immerhin aber dürfte den mutigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Kreise der Kollegen und Kolleginnen, aber auch von den Müttern der Kindergruppe größte Achtung gezollt werden für ihr rundum tapferes, friedenstiftendes Tun.

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