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…frech und gottesfürchtig… Teil 2

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Ein Besuch bei dem Schriftsteller Otto Jägersberg, der von Baden-Baden aus die deutschsprachige Welt mit Geschriebenem versorgt und schon früh von Alfred Andersch gelobt wurde

Die ländliche Umgebung Baden-Badens gedankenvoll durchschreitend, erläuft er sich den literarischen Stoff. Wo die schriftstellernden Schönen von Berlin Mitte wie hungrige 20160502_145958Fische mit weit geöffnetem Schlund auf der Suche nach literarischem Plankton die Hauptstädte Europas durchmessen, da reicht Otto Jägersberg fürs erste ein Waldspaziergang. Literarische Welten erschafft er in sich.

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Wo hier ist der Buchhändler?

Dabei wirkt er, der das literarische neunzehnte Jahrhundert bewundert, ein bisschen aus der Zeit gefallen, denn vom zeitgenössischen Selbstbespiegelungsschreiben ist er zeilenweit entfernt. Auch wenn man von ihm nicht alles gelesen hat, ist das Sich-Offenbaren nicht sein primäres Anliegen. Eher durchzieht ein distanziert-ironischer Ton sein Schreiben. Das Moralinsaure ist nicht seines. Seinen Stil nennt er lieber „unterkühlt, zurückgenommen, unprätentiös“. Wären wir hier im begriffsreduzierten Feuilleton, würden wir von einem „breitgefächerten Oevre“ sprechen und meinen, dass Otto Jägersberg vieles bringt.

Kurzgeschichten, denen man anmerkt, dass sich da einer eingearbeitet hat in die zu beschreibende Materie (Jagdszene: „Dr.

Hier ist der Buchhändler Straße. Bei ihm ist zu vieles zu haben.

Hier ist der Buchhändler.  Josua Straß in Baden-Baden. Bei ihm sind alle Bücher zu haben.

Scheubles Hund vorm Anblasen geflügelt“). Dann die Romane („Der Herr der Regeln“), in denen die provinzielle Welt zum dichterischen Kosmos wird. Und natürlich die Gedichte („Wein Liebe Vaterland“), die alles Andere begleiten. Vielleicht geht seine Art zu schreiben ein Stück weit auch auf Günter Grass zurück. Gerade dessen Gedichte schätzt er ganz besonders. Schon früh hatte er ihm Texte von sich zur Begutachtung geschickt. Sie kamen zurück, vom Meister persönlich aufs Wesentliche reduziert. So etwas prägt. Umso mehr drängt es Otto Jägersberg, von Zeit zu Zeit – hier Nietsches Zarathustra nicht unähnlich – vor die Höhle zu treten, um, „wie die Biene, die des Honigs zuviel gesammelt hat“, sich den Seinen mitzuteilen. Denen trägt er gern vor, wie an jenem bewölkten Sonntagnachmittag in der Stadthalle in Gernsbach.

Die Lokalität ist von beispielhaft deprimierendem Aussehen, das auszublenden ihm allerdings klaglos gelingt. Wer je einen elsässischen ‚Salle polyvalente‘ kennengelernt hat, weiß jetzt, dass Hässlichkeit durchaus über den Rhein schwappen kann. Der Hausmeister ist, wie immer bei solchen Hallen, auch bei diesem Anlass schlecht gelaunt und uninformiert. Zudem könnte ein labiler Dichter hinter dem schmucklosen Ambiente ohne weiteres die Metapher fürs eigene karge Dasein erkennen. Immerhin hat man vor die Bühne gemeindeeigenes Grünzeug gestellt. Das Publikum besteht aus der üblichen kulturtragenden Schicht und ist nicht allzu zahlreich. Darunter auch der obligatorisch ältere Herr mit Baskenmütze, die ihm ein pastorenhaftes Aussehen verleiht. An der Wand die Ankündigung eines demnächst anstehenden Blasmusikkonzertes.

Heute aber tönt der Dichter….  (wie geht’s weiter? Mehr demnächst!)

 

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…frech und gottesfürchtig…: Teil 3 und Schluss

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Ein Besuch bei dem Schriftsteller Otto Jägersberg, der von Baden-Baden aus die deutschsprachige Welt mit Geschriebenem versorgt und schon früh von Alfred Andersch gelobt wurde

Dichter beim vorbildlichen Linksabbiegen

Dichter beim vorbildlichen Linksabbiegen

Heute aber tönt der Dichter, und so wird man Zeuge einer weiteren Begabung: seine Fähigkeit, eigene Texte so vorzutragen, wie sie gemeint sind. Durch das Vor-Lesen gelingt es ihm, das Geschriebene quasi vom Zwei- ins Dreidimensionale zu heben, ähnlich einem Bild, das zur Skulptur wird. Anders als bei vielen ton- und beziehungslos vortragenden Textschöpfern, bereitet es dem Publikum ein großes Vergnügen, ihm beim Vortrag zuzuhören. Der Grund dafür ist ganz einfach – er versteht es, gut vorzutragen. Zudem vermittelt er dabei das Vergnügen am eigenen Text, was keineswegs selbstverständlich ist. Günther Grass konnte das, Walter Jens natürlich auch, aber viele andere können es nicht.

Eben diese Fähigkeit macht ihn auch zu einem gesuchten Redesteller bei Vernissagen, anlässlich derer er gern Einführungen hält, die das üblich Preisende weit hinter sich lassen. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Laudatio deutlich bunter gerät als manche Exponate.

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Rückt das Literarische immer mal wieder in den Hintergrund, geht er fremd, schlägt er sich schöpferisch seitwärts in die Büsche. Er fügt dann kleine Skulpturen zusammen – ja, zu was eigentlich? Gemacht aus Alltagsdingen, bei denen das Danebenliegende zum Naheliegenden wird. Da entstehen aus einem halb aufgeblasenen Fahrradschlauch skulpturähnliche Gebilde, die fotografiert, sich neben einem kleinen Kartoffelstampfer wiederfinden. Der hingegen sieht sich auf einen Sockel fixiert und an der Wand aufgehängt. Andererseits wird dem der Kartoffelstampfer aber auch wieder literarisch gewürdigt.

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In einem Essay besingt Otto Jägersberg auf diesen auch das Hohe Lied und vergisst darüber nicht den Spazierstock, den er einen ‚Kartoffelstampfer auf Landgang’ nennt. So schwer all das auch einzuordnen ist, so schwer fällt es, sich dem Ganzen zu entziehen. Ist es Dada? Ist es Kunst? Oder, wie im Fall des Kartoffelstampfers, einfach nur praktisch?

Otto Jägersberg jedenfalls nennt solche Objekte ‚Tunichtgute‘. Mehr Sinn geht nicht.

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Der Mann der Frauen Teil 1

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Zu Gast in Offenburg bei Robert Pölzer, dem Macher der FREIZEIT REVUE 

Früher, zu Zeiten des Senators, schlug in Offenburg das Herz des Burda Verlags noch links, dort, wo auch jetzt noch, gleich nach der Brücke über die Kinzig, der Turm des alten Verlagsgebäudes steht. Sucht man heute die Gebäude des Verlags, sollte man aber etwas weiter fahren, sich dann rechts halten, bis auf einmal große, vollverglaste Bürokomplexe auftauchen, die suggerieren, sie stünden für ein Maximum an Transparenz. Doch nicht alles, was man sieht, offenbart sein Geheimnis, vor allem nicht, wenn das scheinbar einfache Produkt den komplexen Prozess seiner Herstellung verbirgt.

Niemand weiß das besser als Robert Pölzer, der Chefredakteur der ‚FREIZEIT REVUE’, der zudem noch die Ableger ‚FREIZEIT SPASS’ und ‚FREIZEIT EXKLUSIV’ verantwortet. Doch anders als die Auflagen seiner drei Blätter kränkelt heute der Chef. Eine Erkältung, die ihn zudem noch frösteln lässt. Zudem ist heute Redaktionsschluss. Zu krankheits- und urlaubsbedingt dünner Personaldecke gesellt sich zudem auch noch eine eher dünne Themenlage.

Dabei könnte er sich entspannt zurück lehnen, denn er steht seit nunmehr neun Jahren der ‚FREIZEIT REVUE‘ vor. Sie gehört mit einer Auflage von 800 000 zu den unbestritten erfolgreichsten des Genres und dürfte dem Verlag beträchtliche Gewinne einfahren. 1961 in Augsburg geboren begann Pölzer zunächst bei der BILD und kann dann, über mehrere Stationen, zu BURDA, wo er 2007 die Redaktion der Zeitschrift übernahm und seine ihn bislang prägenden Erfahrungen einbringen konnte: die Jahre als Fußballspieler, das Spielen in einer Band und, da mag man staunen, der Job bei einem Schlüsseldienst. Der Dienst am Ball z.B. zeigte ihm, dass man das Teamspiel nie unterschätzen sollte. Durch die Tanzmusik lernte er den Respekt für den Wunsch des Publikums, unterhalten zu werden. Und der Job beim Schlüsseldient schärfte seinen Röntgenblick fürs Dahinterliegende. Nicht zwangsläufig offenbart das, was man von außen sieht, auch das, was drinnen ist.20160316_112258

Derart erfahrungssatt stellt er sich auch heute der Herausforderung, seinen Lesern – etwa zwei Drittel der Kunden sind Leserinnen – all das zu bieten, was das Herz begehrt. Von Rätseln zunächst nicht zu reden und auch nicht vom Horoskop; vom Kochen nicht und auch nicht vom obligatorischen Reiseteil. All diese verschiedenen Elemente mögen viele der epigonalen Printprodukte in je verschiedenem Schärfegrad ähnlich präsentieren. Vierunddreißig, meist billigere Produkte seien es, die alle glauben, dass es genügen würde, sich im formal Ähnlichen zu erschöpfen. Doch dem sei natürlich nicht so. Es macht die Mischung, so Pölzer, mit der man seine Melange anrichtet. Wie er, einem Alchemisten gleich, sein Rezept zubereitet, komponiert und doch hütet; wie er im redaktionellen Teil die Bedürfnisse seiner Konsumentinnen ernst nimmt, sie in ihren Sorgen und Nöten begleitet; wie er seismographisch den Träumen seiner über Sechzigjährigen nachspürt, um sie dann in seinen Heften zu bebildern. Das klingt irgendwie nach der Abwandlung eines längst verblichenen Werbespruchs: Pölzer weiß, was Frauen wünschen.

 

….und demnächst gehts weiter!

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Der Mann der Frauen Teil 2

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Zu Gast in Offenburg bei Robert Pölzer, dem Macher der FREIZEIT REVUE

 

Ganz besonders gelingt ihm das, wenn er z.B. Prinzessinnen ins Blatt hebt. Aber auch bekannte Liebespaare ‚laufen gut‘. Alles Geschichten, an die er den Anspruch erhebt, dass sie seine Leserinnen in ihrer Lebenswelt berühren, so etwa, wenn er voller Mitgefühl auf den Fall einer Frau an der Seite eines Prominenten zu sprechen kommt, die sich gegen eine Jüngere ausgetauscht sieht. Der Ansatz könnte hier wie folgt lauten: seht her, in Grünwald lebt sich‘s auch nicht besser ‚Ratgeber Lebensfragen‘, nennt er das, was wie eine allwöchentliche Leichttherapie daherkommt, und der „Therapeut“ behandelt nicht auf Rezept. Er hätte es gern bar. Macht € 1,70.

Und so macht sich jeden Mittwoch eine ansehnliche Schar Käuferinnen auf den Weg, immer auch ein Stück weit auch auf der Jagd nach diesem wohligen Schaudern, das sich dann einstellt, wenn man realisiert, dass es nicht nur einen selbst, sondern diesmal sogar einen der Promis getroffen hat. So kann’s also auch gehen.

Wenn im Heft dann noch der Mondkalender auf Seite 78 verkündet, dass Körper und Geist just nach Erscheinungstermin des Hefts zur Höchstform auflaufen; wenn sich die Rezepte dem Nachkochen nicht verweigern und im Partnerrätsel eine ‚Leitende Krankenschwester mit sechs Buchstaben‘ zweifelsfrei geraten wird – dann, ja dann, dürfte einer rundum glücklichen Woche, soweit sich die Leserin an der FREIZEIT REVUE orientiert, nichts mehr im Wege stehen. Doch einmal mehr verbirgt auch hier, wie so oft in der Kunst, die Schönheit des Bildes die Mühen der Herstellung.

Noch kränkelt Pölzer. Noch hat sich die Nachrichtenlage nicht substanziell verbessert und um den Redaktionstisch versammelt sich der momentan verfügbare Personalbestand. Wenig genug. Dazu der Termindruck. Nun zeigt sich der Meister. Jede der Redakteurinnen bringt herbei die verschiedensten Ausgaben „unterhaltender Frauenzeitschriften“, in denen sie zuvor einzelne Themen mit selbstklebenden Notizzetteln markiert hatten. Jetzt werden diese zur Diskussion gestellt. Hop oder top. Geht das Thema? Geht es noch? Oder eher nicht? Manches fischt man aus dem Internet, anderes hat man selbst recherchiert. Dazu wird einem an dem Bildschirm zu den angesprochen Themen passendes Bildmaterial angeboten, mit dem man ein Thema, das noch nicht ganz rund scheint, in eine bestimmte Richtung abrundet, verstärkt, pointiert. Das Eckige muss ins Runde.

Ein Beispiel. Das Anwesen von Michael Schumacher ist natürlich von Corinna und den Kindern bewohnt. Und doch fehlt ein Mann im Haus. Hier bietet sich Michaels bester Freund, sein langjähriger Physiotherapeut, an. Er wird Corinna in Zukunft etwas zur Hand gehen. Wie also sollte man dieses Thema blattgerecht aufbereiten? Wichtig vor allem: der Helfer darf nicht in die Schmuddelecke gerückt werden, also besser keine Überschrift: „Corinna hat ein Problem. Kann er helfen?“ Stattdessen ist Kai Schnapka, der Hilfswillige, „nicht nur für den schwerverletzten Freund, sondern auch für dessen Familie und Ehefrau Corinna da“.

So wird’s gemacht. Hier ist, wie so oft, Fingerspitzengefühl gefragt.

 

….mehr demnächst….!

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Der Mann der Frauen Teil 3

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Zu Gast in Offenburg bei Robert Pölzer, dem Macher der FREIZEIT REVUE

20160316_112036So auch bei der Meldung, dass Robbie Williams nach einem heftigen Flirt anlässlich der Verleihung des Radiopreises den schwangeren Bauch von BARBARA SCHÖNEBERGER mit einem Küsschen bedachte, worauf dieser, nach eigener Aussage, ‚praktisch‘ die Milch in die Brust schoss. Wer die Moderatorin kennt, ahnt, wie das gemeint war. Umso behutsamer muss die Meldung ins Blatt gehoben werden. Erst lässt man Mutter Schöneberger erzählen, dass sie ihre Kinder auch schon mal in der Schlafanzughose vom Kindergarten abholt. Also wird’s mit der Milch schon nicht so schlimm gewesen sein. Schließlich ist die Milch – laut eigener Aussage – ja auch nur ‚praktisch‘ eingeschossen.

Ein anderes Drama nebst allfälliger Lösung zeichnet sich in Heft Nr. 13 ab. Da fühlen wir mit MARIANNE & MICHAEL. Die Beiden zählen, ähnlich wie die AMIGOS, zu den Urgesteinen der volkstümlichen Musik. Doch was für eine Lebensleistung! Dem Sangespaar scheint es im höheren Alter letztendlich doch noch gelungen zu sein, aus dem Haus, in dem sie mit den Eltern von Marianne einen Großteil Ihres Lebens verbracht hatten, auszuziehen. Der Prozess war offensichtlich nicht ganz schmerzfrei verlaufen, denn Michael hatte sich wohl wegen des allgegenwärtigen Generationskonflikts über Jahre hinweg ausbedungen, den Morgen allein zu verbringen. Gut vorstellbar, dass er dafür auch Krümel in Kauf nahm. Jedenfalls meldet das Blatt, er hätte sogar im Bett gefrühstückt. Eines schönen Tages entschloss sich das schon reife Schlagerpaar, schweren Herzens einen eigenen Hausstand zu gründen. Der Friede war wieder hergestellt! Gut so. Ein „schwerer Weg“ war’s trotzdem, wie das Blatt meldet. Und doch war er notwendig, um, wie für die Leser ersichtlich, die Ehe der Beiden zu retten.

Hier zeigt sich Kernkompetenz: Stories von oben nach unten zu holen. Runterzubrechen. Was oben stattfindet, soll unten verständlich sein. So sitzt Pölzer an der Stirnseite eines in freundlichem Beige gehaltenen Arbeitstisches wie die Spinne im ovalen Netz. Korrigiert, merkt an, gibt zu bedenken, formuliert um, setzt Überschriften, schiebt Themen von einem20160316_112137 Heft ins andere, sucht Fotos, erbittet Korrektur. Das Leichte kann ganz schön schwer sein. Knochenarbeit halt.

Druck? Ja, natürlich. Vierunddreißig Blätter, vierunddreißig Konkurrenten. Und immer die Möglichkeit vor Augen, dass eines Tages die vielen Jäger des Hasen Tod sein könnten, zumal man sich auch hausintern in einem Wettbewerb sieht. Angst? Nein, das nicht. Aber Wachsamkeit. Denn er weiß: „Die Tür nach unten ist immer offen“.

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