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Allgemein Blättern & Rauschen Kultur Texte / Poesie

Der Dichtungsring – dritter Teil

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appllon-mit-lyraUm ehrlich zu sein: wir fanden das gestrige Gedicht von Frau Gebert über die Feiertage zwar vom Zeitpunkt her passend, zugleich aber auch wenig aufbauend. Im Übrigen haben wir uns gefragt, ob Frau Gebert das Gedicht selbst geschrieben hatte. Immerhin kennen und schätzen wir sie eher als Teetrinkerin denn als Freundin von starken Festtagsbieren. Jedenfalls baten wir sie, gerade auf das kommende Wochenende hin, uns lieber ein Zeugnis ihres eher heiteren Schaffens vorzuschlagen. Was sie denn auch gerne tat. Also hier ein neues Gedicht. Fröhlich, wie wir meinen, und gut konsumabel.

Ein schönes Wochenende!

 

 

Blüte und Kolibri

 

Die Blüte sieht den Kolibri

Und denkt, heut’ fliegt der Kurven so wie nie:

‚Der fliegt vielleicht ‚nen heißen Reifen,

als Blüte kann ich’s kaum begreifen.

Als gäb es Schwerkraft nicht und Wind;

Ich schätze mal, der Vogel spinnt’.

 

So spricht die Blüte inhaltsschwer –

Heut mag sie keinen Flugverkehr.

 

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Der Dichtungsring – vierter Teil

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appllon-mit-lyraAlso diese Frau Gebert! Sie erstaunt uns immer mehr.

Hatte sie uns bisher mit leichter, eher süffiger Poesie-Kost verwöhnt, kommt sie uns in ihrem neuesten Werk fast zeitkritisch, abgeklärt, fatalistisch. Dabei, so sagt sie, würde es sich bei ihrem neuesten Gedicht um eine ‚Paraphrase’ handeln. Wir geben das jetzt mal so einfach weiter, jedenfalls bezieht sie sich offensichtlich auf Elemente der Barockdichtung. Der Stil scheint ihr zu liegen, obwohl das Ganze ja etwas zeitbezogen düster daherkommt. Interessant finden wir das von ihr Mitgebrachte allemal. Und außerdem entpuppt sie sich in dem Gedicht als große Weinkennerin. Na sowas.

Wir arbeiten derzeit an einem anderen größeren Thema. Bis das fertiggestellt ist, wollen wir uns am Schaffen unserer reimenden Reinigungskraft erfreuen. Und morgen gibt’s von ihr wieder etwas Heiteres.

„Also hübsch dabeibleiben“, ruft Frau Gebert aus dem Nebenzimmer und grüßt mit dem Wischmopp.

 

 

 

Chateau Lafitte

 

Wenn dumpf die Armut sich erhebt,

und düster hinterm Fenster steht.

Wenn Hunger in den kalten Stuben,

sich paart mit dem Gestank der Gruben:

hernieden gibt’s nicht Wein noch Brot,

vom Osten naht der schwarze Tod.

Der Krieg mit seiner harten Hand,

er peinigt unser Vaterland.

Kein Gott, der noch vom Himmel blickt,

uns Hilfe, Trost und Heimat schickt!

Vom Firmament, da regnets Feuer,

verteuert uns die Hühnereier.

Die ganze Welt ist aus dem Tritt.

Ich dekantier’ ‘Chateau Lafitte’.

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Die Bücherpflegerin

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IMG_0620Daniela Lipps rettet, was zu retten ist: Bücher

Es sind vor allem die Farben. Zunächst das gedeckte, schon leicht ausgewaschene Grün der Fassade. Dann eine französische Fahne, die müde und verblichen vor dem schönen, alten Haus an der Luisenstraße, steht. Gegenüber der Trinkhalle. Die Fahne erinnert daran, dass Baden-Baden früher einmal, in den Zeiten des Herrn Benazet, eine sehr französische Stadt war. Die Hausnummer 30 hatte vormals ein Blumengeschäft beherbergt, das aber seit langem geschlossen ist, und rückblickend selten farbenfrohe Rosen, Nelken oder Tulpen im Verkauf hatte, dafür aber Vergissmeinnicht, Calla und auch Lilien, alles, was man für Beerdigungen halt so braucht.

Das hat sich seitdem geändert. Jetzt, da dort seit mehreren Jahren eine Buchbinderei eingezogen ist, schmücken ein Gummibaum und die Grünlilie das Schaufenster, deren weiß-grüne Blätter farblich ja auch nicht so der Knaller sind. Was ja vielleicht auch nicht unbedingt zu dem kontemplativen Gewerbe passen würde, dem Daniela Lipps, achtunddreißig Jahre alt, dort nachgeht. Ihre Welt sind die Bücher, meist der älteren Art. Antiquariatsbücher. Manche verstaubt oder vergilbt. Soweit ihr möglich restauriert sie diese, bindet sie neu oder ordnet sie, wie z.B. die Monatsschriften der hier ansässigen Rechtsanwaltskanzleien.

Das ist jetzt ihre Welt. Sie ist Baden-Badenerin. Nach einer dreijährigen Ausbildung in der Unibibliothek in Kaiserslautern geht sie nach Freiburg, um dort Mathematik zu studieren. Von dort kehrt sie diplomiert zurück und übernimmt ein Buchbindergeschäft in Lichtental, bevor sie in der Innenstadt ihr jetziges Geschäft findet. Richtet sie ihren Blick nach draußen, durch das weißgestrichene Gitter ihrer Eingangstür, blendet sie das Grün der Lichtentaler Allee.IMG_0616

Das passt ihr so. So wie es ist. Das stille Werken am Vergangenen. Sie ist eher zurückgenommen und sieht sich ungefragt als Einzelgängerin. Das Innere des Werkraums ist zwangsläufig – buchdeckelgemäß – ebenfalls in gedeckten Farben gehalten. Braun. Grau. Beige. Viel Papier dort, gestapelt, wartet darauf verarbeitet zu werden. Dazwischen alte Buchbindemaschinen, Pressen, Papierschneider. Von außen betrachtet wirkt das Innere wie eine Höhle, und erstaunt registriert man, von draußen ins Innere blickend, einen weißen Arm, der im Licht einer Schreibtischlampe seinem konzentrierten Tagwerk nachgeht.

Dabei kann sie nach eigener Aussage gut mit Leuten. Wenn sie muss. Und hat nichts dagegen, wenn sie nicht muss. Sie ist das Gegenteil von exaltiert. Im heutigen Zeitalter der Selbstentblößung wirkt sie unzeitgemäß zurückgenommen.

Fernseher? Hat sie nicht. Viele Hörbücher, ja, das mag sie. Musik auch, aber nicht zu viel. Sie geht nach Hause und hat trotzdem Kontakt mit anderen. Sie chattet dann. Wenn es ihr zu viel wird, schaltet sie den Rechner ab. So einfach ist das. Alles unter Kontrolle.

Das mit dem Chatten werden vielleicht nicht alle ihrer Kunden so einfach verstehen. Vor allem nicht diese, die ein zu restaurierendes Buch gern zum Anlass eines längeren gepflegten Gesprächs nehmen.

IMG_0611Man wird dem Klientel nicht Unrecht tun, wenn man es als eher konservativ bezeichnet. Daniela Lipps vermutet angesichts dessen, was ihr so täglich zum Binden vorbeigebracht wird, wertvolle private Bibliotheken hinter gediegenen Mauern. Dass diese Kundschaft in ihr eine Verbündete im Bildungsbürgerlichen sieht ist ihr klar. Das nimmt sie, die Tochter eines linken Lehrerehepaares, in Kauf und versucht, soweit ihr möglich, sich etwaige Bildungsdefizite nicht anmerken zu lassen.

Die Kundschaft scheint sich an ihrem Äußeren jedenfalls nicht zu stören. Die Rastafari-Locken, die von ihrem Kopf wie teils geknickte Antennen abstehen, sind ja erscheinungsmäßig auch nicht mehr das Aktuellste. So weißt die Rastafari-Bewegung, in den dreißiger Jahren entstanden, durchaus alttestamentarische Züge auf. Vielleicht ist es das, weshalb die Frisur von Daniela Lipps ihren bildungsbürgerlichen Kunden so seltsam vertraut vorkommt? Und hätten sie den Blick gesenkt, wäre ihnen womöglich auch noch aufgefallen, dass sie ihre Zehennägel, die aus ihren Gesundheitsschuhen lugen, in je verschiedenen Farben lackiert hat. Aber auch diese Farben sind gedeckt.

Man wird das Bild des Diogenes in der Tonne nicht überstrapazieren, wenn man konstatiert, dass sich da eine junge Frau in der Jetztzeit so eingerichtet hat, dass sie von ihrem Geschäft “grad so lebt“. Sie hat keine großen Ansprüche, kommt „eben so rum“. Aber auch dabei ist sie auf unaufdringliche Art reduziert. Sie würde damit nie hausieren gehen. Dass sie ein Selbstvermarktungsproblem hat, weiß sie. Gern würde sie mehr aus sich rausgehen. Noch geht das nicht, aber sie arbeitet daran. Am liebsten wäre ihr, da wäre jemand, der ihr den Kontakt mit dem Publikum abnimmt. Glücklich sähe sich dann in einem kleinen Arbeitskäfig, davor ein Schild: „Buchbinder. Bitte nicht füttern“.

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‚Die Brücke‘ an der Oos

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Das ‚Museum Frieder Burda‘ in Baden-Baden präsentiert bedeutende Werke der Künstlergruppe ‚Die Brücke‘

Man muss das Äußere des „Frieder Burda Museum“, gängiges Lob jetzt einmal außen lassend, nicht für ein architektonisches Meisterstück halten. Immerhin könnte man sagen, das Gebäude sei quadratisch, praktisch, gut. Gut vor allem für das, wofür es gebaut wurde: Museum zu sein. Ein Museumsbau sollte zuvörderst Ausstellungen und ihre Bilder in adäquater Weise präsentieren. Nicht verwerflich, wenn nicht die hochgelobte Architektur der Star ist (wie etwa das Guggenheim Museum in Bilbao), sondern die Kunstwerke, denen das Gebäude dienen soll. Ihnen soll es  Raum geben, sich in adäquater Weise zu präsentieren.  So zu erleben  in diesen ersten Frühwinter-tagen, da das Museum Frieder Burda in Baden-Baden die Ausstellung „Die Brücke“ eröffnet.

Allein schon bei der Pressekonferenz war der Andrang beachtlich. Schon jagt der Großkritiker einer überregionalen Zeitung durch die lichten Räume. Graumelliert, den Kragen seines schweren, dunklen Mantels hochgestellt, durchmisst er hastig die Räume, und man hofft inständig, dass er sich die Zeit nimmt, all das zu sehen und zu würdigen, was den Besuchern geboten wird. Nämlich eine Ausstellung, die an Farbenreichtum und an gestalterischer Raffinesse einmal mehr zu einem Highlight des Kulturjahres 2018 zu werden verspricht.

„Die Brücke“ – dahinter verbirgt sich eine Künstlergruppe, bestehend aus den vier Malern Heinrich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde und Max Pechstein, die sich in Dresden 1905 zusammenschlossen hatten. Ende 1911 zog die Künstlervereinigung nach Berlin. Rückblickend muss man die Gruppe – neben dem ‚Der Blaue Reiter’ – zum zweiten wichtigen Beitrag Deutschlands zur Klassischen Moderne zählen.

Gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint es geradezu ein Bedürfnis der jungen, ‚wilden’ Maler gewesen zu sein, eine Malergruppe zu gründen. Zu sehr fühlten sie sich von der etablierten Künstlerschicht, von renommierten Galerien und vom staatlichen Kunstbetrieb gegängelt, wenn es galt, ihrer neuen Malerei Ausstellungsfläche einzuräumen. So beschloss man immer wieder, sich in Künstler-Gruppen zusammen-zuschließen, um so vereint mit weit stärkerem Nachdruck in gemeinsam organisierten Ausstellungen auf sich aufmerksam zu machen.

All zu lang freilich hielten die Gruppen in der Regel nicht. Zu individualistisch waren ihre Mitglieder, zu künstlerisch selbstbezogen agierte man. Das sollte bei der Gruppe „Die Brücke“ nicht anders sein. Den größten Keil hatte wohl Ernst Ludwig Kirchner in die Gruppe getrieben, dessen überbordendes Selbstbewusstsein anscheinend letztlich den Ausschlag dafür gab, dass die Gruppe sich bereits 1913, also nach vergleichsweise kurzer Zeit wieder auflöste. Zudem war man zwischenzeitlich nach Berlin umgezogen und hatte sich dort großstadtbedingt auseinandergelebte. Fortan hatten die Mitglieder das Bedürfnis, ihre eigenen künstlerischen Wege zu gehen. Auch hatte Kirchner für sich zunehmend eine zentrale Bedeutung innerhalb der Gruppe reklamiert, der er auch gerecht wurde, als er jetzt wohnortbedingt Berliner Straßenszenen zum Motiv machte und damit den Abschluss des “Brücke“-Expressionismus einleitete.

Dessen ungeachtet hatte die Gruppe aber bereits in den 20er Jahren ihren Durchbruch erlebt, der allerdings unterbrochen wurde, als sie in der Zeit des Nationalsozialismus den verhehrenden Stempel ‚entartet’ aufgedrückt bekommen hatte, um dann in den 50er Jahren in der Auseinandersetzung mit dem Expressionismus eine neue Würdigung zu erfahren.

Nach dem Umzug nach Berlin sollte sich auch künstlerisch die neue Umgebung stilbildend artikulieren. Verglichen mit den eher heiteren, unbeschwerten Form- und Farbgebung der früheren Jahre in Dresden drängten sich nun dunklere Töne auf der Leinwand nach vorne. Sich anfänglich noch am französischen Impressionismus orientierend, folgten alsbald neue Formensprachen. Auch griff man außereuropäische Einflüsse auf, wie etwa die Kunst afrikanischer Völker.

Dass sich hier in Baden-Baden diese Künstlergruppe in derartiger Gesamtheit präsentieren kann, ist auch der Kuratorin der Ausstellung, Magdalena M. Moeller, zu verdanken, die darauf hinweist, dass die Werke der Gruppe allein schon aus dem Grund selten in dieser Gesamtheit gezeigt werden, da sie maltechnisch bedingt außerordentlich fragil sind. Anders als z.B. die Maler der Renaissance hatten die Maler der ‚Brücke’ vergleichsweise wenig auf materialmäßige ‚Konsistenz’ geachtet, was bedeutet, dass man handelsübliche Farbe auf handelsübliche Leinwände auftrug, mitnichten also dem einen Punkt die nötige Bedeutung beimaß: handwerklich so zu malen, dass auch die Nachwelt noch möglichst lange Freude an den Werken hat.

Allein schon deshalb sollte man sich die Ausstellung nicht entgehen lassen. Zu sehen ist sie noch bis zum 24.3.2019.

 

Allgemein Blättern & Rauschen Menschen

Immer der Nase nach!

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Georg Felsberg zieht umher und bringt etwas mit: Bücher.Titelbild Loch

„Heraus zum 1. Mai“, mag mancher denken, auch wenn er nicht in der Gewerkschaft ist. Georg Felsberg, nunmehr emeritierter Fernsehredakteur beim SWR, pflegt diese Leidenschaft seit Jahren. Von Karlsruhe aus, wo er wohnt, zieht es ihn alljährlich immer und immer wieder in die Länder Asiens, nach Indien, Sri Lanka, Nepal, Bangladesch. Dort sammelt er einen Rucksack voller Erfahrungen, trägt sie heim, und fasst sie dann in Worte, um daraus zauberhafte Texte zu machen.

Georg Hängebrücke

Der Autor vor einer Hängepartie

Die Ausstattung des Fernreisenden ist stets auf Nötigste beschränkt. Er bewegt sich mit Bus und Bahn. Gern auch wird gegangen, wenn sich nichts anderes zur Fortbewegung anbietet. Die Leichtigkeit des Reisens findet sich in der Leichtigkeit der Texte wieder, die mehr sind als bloßes Beschreiben dessen, was ist. Er will dahinter kommen, so, wenn der Titel eines seiner Bücher lautet: „Der Mann hinter dem Loch in der Mauer“. Vier Bändchen sind es mittlerweile geworden. Jedes einzelne im besten Sinne kurz und knapp. Das vertreibt die Müdigkeit.

Die Texte sind Streiflichter, literarische Brenn-Punkte. Das geht nur, wenn man ein genauer Hin-Kucker ist, denn nur so entdeckt man die Alltäglichkeiten, die sich zu wunderbaren kurzen Texten verdichten lassen.

Wer gerne reist und sei es nur im Kopf, sollte die Geschichten unbedingt lesen. Und vorher halt kaufen!

Zu beziehen über –   http://www.georg-felsberg.de.rs 

Auf der Website sind auch die Termine aufgelistet, wann der Verfasser wo liest.  So. Für Genusswillige jetzt auch noch ein Kostprobe:

Das Gewürz des Lebens

Ein magerer, sehr lebhafter alter Mann im abgetragenen weißlichen Kurta, einem langen indischen Hemd, spricht mich wie nebenbei von der Seite an. Er begleitet mich wie selbstverständlich über den Sadar- Markt am Uhrturm von Jodhpur. Wir drängeln uns zwischen den Ständen fliegender Händler mit billiger Kleidung hindurch. Vorbei an Männern, die ihre Waren lauthals anpreisen und Frauen mit Gemüsekarren: Kartoffeln, Gurken und frisch mit einem feuchten Lappen polierte Mandarinen.

„Gestern hast du mich etwas gefragt“, meint mein Begleiter. „Willst du heute wieder etwas wissen? Gestern habe ich dir den Weg zum ‚Step Well‘ gezeigt, dem Stufenbrunnen. Du hast den Weg doch gefunden? Das freut mich sehr.“ Wenn ich heute wieder fragen wolle, meint er und lächelt mir zu, dann könne ich sicher sein, dass ich auch heute den Weg leicht finden könne. Er sei ein ausgezeichneter Wegebeschreiber. Das könne natürlich jeder von sich behaupten, aber bei ihm sei das die reine lautere Wahrheit. Er habe in seinem langen Leben auch Leute getroffen, die den Weg trotz seiner guten Beschreibung nicht gefunden hätten.

Das tue ihm sehr leid, es läge aber nicht an ihm, sondern an der Dummheit der Leute, die immer mit dem Kopf nickten, aber nie genau zuhörten. Bei mir sei das anders, ich sei klug und höre zu. Ich hätte den Weg ja gefunden. Ich hätte den Weg vielleicht auch ohne ihn gefunden, so klug sei ich. Damit meine Klugheit so bliebe, auch im Alter, möge ich doch jetzt mit ihm zu seiner kleinen Gewürzhandlung kommen, gleich dort hinten in der ersten Gasse. Manche Gewürze hülfen, die eigene Klugheit zu bewahren. Kluge Leute glaubten ihm das, bei Dummen hülfe es nichts. Da sei einfach nichts zu machen, so dumm seien die. Weil ich aber sehr klug sei, solle ich mir täglich eine Prise seiner Mixtur in meinen Tee streuen. Das nütze viel und koste wenig.

Als ich sein freundliches Angebot höflich ablehne, lacht er und meint, ich sei ja noch viel klüger, als er gedacht habe. Nur besonders kluge Leute wüssten, dass Gewürze gegen Dummheit nicht helfen. Ich solle aber trotzdem mit ihm kommen, eine Tasse Tee bei ihm trinken und seine Gewürze riechen, die sich auf der Zunge und im Inneren meines Leibes wunderbar anfühlen würden. Als ich ihm freundlich sage, dass ich keine Gewürze kaufen möchte, ihn aber für seine hübschen kleinen philosophischen Überlegungen über die Klugheit und die Dummheit bewunderte, meint er, das sei keine Philosophie, das sei etwas viel Wichtigeres. Ein kleines heiteres Gespräch mit einem neuen Freund unter dem Uhrturm in Jodhpur gegen Mittag, wenn die Sonne scheint, das sei doch „das Gewürz des Lebens“.

Er, als Händler für tausenderlei wunderbare Zungenschmeichler und für die kostbarsten Düfte aus aller Welt, er kenne sich aus.

 

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