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Allgemein Gastbeiträge Institutionen Kultur

Schönes Gestern

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Vor 200 Jahren war im Baden-Badener Kurhaus erheblich mehr los

‚To be or not to be‘ – nicht nur Hamlet steht immer wieder vor dieser Schicksalsfrage von Sein oder Nicht-Sein. Im anglophilen Kurstadt-Marketingslang trägt die sehenswerte Ausstellung im Stadtmuseum Baden-Baden anlässlich des 200. Bestehens des Kurhauses den anspruchsvollen Titel „The Place to be“ (Neudeutsch: Hotspot).

Fast zwei Jahrhunderte lang rechtfertigte der Betrieb im ursprünglichen „Konversationshaus“ samt Spielbank diese Bezeichnung durchaus: In der ehemaligen „Sommerhauptstadt Europas“ steppte vulgär ausgedrückt der Bär. Die Reichen und Schönen, die Elite von Geist, Geld und Macht samt manchmal zwielichtigem Gefolge von Hochstaplern, Glücksrittern und Kurtisanen amüsierten sich im 19. Jahrhundert zwischen Kurhaus, Theater und Allee. In den eleganten Sälen des Weinbrenner-Baus wurde musiziert, getanzt, gespeist, gespielt und die hohe Kunst der Konversation gepflegt.

Die von Heike Kronenwett kuratierte Ausstellung versetzt die Besucher im Erdgeschoss des Museums in diese Hochzeit des Kurhauses – und Baden-Badens – vor allem dank der genialen Spielbankpächter und Unternehmer Jean Jacques und Èdouard Bénazet. Zu den schönsten Exponaten zählen die lackierte Reisetruhe von Napoleons Stieftochter Stéphanie und die Casino-Installation mit dem berühmten Klondyke-Pferdchenroulette.
Das zweite Jahrhundert ließ sich schon weniger unbeschwert an Noch immer aber diente das Kurhaus der Unterhaltung auf hohem Niveau, wenn auch unter unerfreulichen politischen Vorzeichen. Das Wirtschaftswunder ließ auch Baden-Baden nach dem Zweiten Weltkrieg wieder erblühen und fand eine prächtige Bühne im Kurhaus. Glanzvolle Bälle, Misswahlen, Modenschauen der Haute Couture, Showstars wie Josephine Baker und Marlene Dietrich, gekrönte Häupter wie der Schah von Persien samt Soraya oder Hussein von Jordanien, Politiker von Valèry Giscard d´Estaing über Bill Clinton oder Barack Obama – die Fotos im oberen Stockwerk erinnern an großartige „Events“ der Vergangenheit. Das Kurhausrestaurant wurde zu der „guten Stube“ der Baden-Badener – wer etwas zu feiern hatte, ließ sich hier kulinarisch verwöhnen und gern von den Spaziergängern durch die großen Fenster beobachten. Literarische Gesellschaften und Baden-Badener Clubs nutzten die Kurhausräume für ihre Treffen und andere Veranstaltungen.
Corona verdammte auch das Kurhaus zu einem Dornröschendasein, und noch immer herrscht hinter der klassizistischen Fassade sehr wenig Betrieb im Vergleich zur Vergangenheit. Große Bälle? Fehlanzeige, selbst der international renommierte Grand Prix Ball als ehemaliger Höhepunkt der Großen Woche fiel dem Rotstift der Baden-Baden Events zum Opfer. Silvester darf der „schönste Ballsaal Deutschlands“ noch für einen Abend seine Eleganz entfalten, Tanzturniere und –shows wie die Welttanzgala am 2. November setzen Highlights.

Der Playboy hat das einmalige Ambiente für seine Gala entdeckt, und der „Sportler des Jahres“ sorgt für TV-Präsenz. „Bis heute gastieren zahlreiche Shows und Musicals im Bénazet-Saal, und er wird für diverse Festlichkeiten und Kongresse genutzt“, heißt es im Ausstellungstext, der kleine Prospekt wirbt da schon blumiger: „Bis heute ist das Kurhaus das gesellschaftliche und touristische Zentrum Baden-Badens, bekannt für das Glücksspiel, für glanzvolle Veranstaltungen und als Ort vielfältiger Begegnungen -,the Place to be‘.“
Bummelt man aber abends durch den Kurpark, erweckt das Kurhaus oft eher den Eindruck eines „lost Place“. Kaum Gäste im „Hectors“, verwaiste Bel Etage. Der Weinbrennersaal bewährt sich weiterhin als Heimat der Philharmonie mit ihrem großartigen Programm, und natürlich sorgt das Casino für (Nacht-)leben. Als „gesellschaftliches Zentrum“ der Baden-Badener fällt das Kurhaus jedoch eher in die Kategorie „Lost Place“ – oder kennen Sie einen Kurstadtbürger, der es voller Stolz als seinen „Place to be“ bezeichnen würde?

 

(Irene Schröder)

Allgemein Gastbeiträge Kultur Malen & Schnitzen

„I FEEL THE EARTH WHISPER“: Eindringlich flüstert Mutter Erde

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Die aktuelle Ausstellung im Museum Frieder Burda beschert Momente der Ruhe samt Wellbeing

Ernesto Neto, Blue tree, 2024. Courtesy the artist and Tanya Bonakdar Gallery, New York / Los Angeles; Fortes D’Aloia & Gabriel, São Paulo and Rio de Janeiro © Ernesto Neto; Foto: N. Kazakov

Schon seit seiner Eröffnung vor zwei Jahrzehnten steht der elegante Museumsbau in engem Kontakt mit der Natur, denn immer wieder fällt der Blick der Besucher auf die Lichtentaler Allee und den angrenzenden Kurpark, setzt unbewusst neben der aktuell gezeigten Kunst auch die grüne Nachbarschaft in Szene. Diesen Anspruch von Architekt Richard Meier setzt das Kuratorenduo Patricia Kamp und Jérôme Sans unter dem Leitmotiv „I feel the earth whisper“ im Museum Frieder Burda gekonnt und mit vielen Überraschungen um und entspricht damit exakt der Forderung des Internationalen Museumsverbandes von 2022, „vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch“ zu bieten. Profan gesagt: Museum darf und soll auch Spaß machen, den manchmal elitären Elfenbeinturm getrost verlassen und den Austausch mit ungewöhnlichen Partnern suchen.
Vier internationale Künstler haben sich für diese Ausstellung auch von der unmittelbaren Umgebung inspirieren lassen: Ein wildes, atmendes Haus hat die Südafrikanerin Bianca Bondie unter dem Motto „Salt kisses my lichens away“ geschaffen. Sagen aus dem Schwarzwald und der badischen Geschichte werden in Wandteppichen und Tapeten mit Moos, Wasser und Pflanzen verwoben und entwickeln sich im Laufe der Zeit durch chemische Prozesse zu einer unwirklichen, spirituellen Umgebung.
Schwarzwald und ein ecuadorianischer Küstenwald verbinden sich per Live-Video in Julian Charrières Projekt „Calls for action“. Es ist Bestandteil der Ausstellung „Where cloud becomes smoke“ des französisch-schweizerischen Künstlers, der sich vor allem mit der komplexen Verflechtung von Mensch und Natur befasst.
Speziell für das Museum Frieder Burda hat Sam Falls seinen Beitrag „Waldeinsamkeit“ aus Heilsteinen, Keramik, Gussglas und Leinwänden geschaffen. Unter anderem legte der Amerikaner im Wald eine große Leinwand aus, auf der er Blumen und Zweige arrangierte. Im Laufe der Zeit hinterließen sie auf der Leinwand ihre fast unheimlich wirkenden Abdrücke und Farbspuren.


„Schuhe aus“ heißt es vor dem Betreten des „Blue Tree“, einer riesigen Baumstruktur, die der Brasilianer Ernesto Neto aus handgehäkelten brasilianischen Baumwollstoffen schuf. Als Spielplatz und Ruheort will er diesen speziellen Raum verstanden wissen, den Gefäße mit Pflanzen, Kräutern und Gewürzen schmücken. 13 Meter hohe „Regenwände“ aus Stoff umfließen die Installation, deren Magie sich wohl kaum ein Besucher entziehen kann. Hier glaubt man, das Flüstern der Erde vernehmen zu können, untermalt von leisen Klängen der ausgelegten Instrumente.
„Schuhe an“ – und zwar möglichst solide – lautet dagegen die Devise bei den Spaziergängen, die Forstamtsleiter Thomas Hauck anbietet. Von der Stourdza-Kapelle aus geht es durch den Friesenwald, wobei immer wieder Bezüge von der Ausstellung zu Baden-Badener Flora und Fauna hergestellt werden. Die Geroldsauer Wasserfälle und die Bussackerhütte werden ebenfalls unter Haucks Führung angelaufen. „Waldbaden“ lässt sich aber eigentlich überall im Baden-Badener Stadtwald auch ganz ohne Begleitung – sei es im Arboretum, im Merkurwald oder auf einem der zahlreichen Wege zwischen Wolfsschlucht, Altem Schloss oder Fremersberg. Und wer dabei einen Baum als Freund umarmt, vernimmt vielleicht ein heiteres Flüstern …
Zurück zum Museum: Selbstverständlich werden in den kommenden Wochen bis zum Ausstellungsende am 3. November Kreativ- und Kursprogramme für Kinder und Erwachsene in museumspädagogischer Tradition angeboten. Ungewöhnlich ist dagegen der Programmpunkt „Wellbeing im Museum“. Damit ist keineswegs ein schickes Spa mit Naturkosmetik umschrieben, sondern Yoga- und Soundhealing-Angebote oder Handpan-Workshops, bei denen Kunst mit allen Sinnen erlebt werden kann. Menschen mit besonderen Bedürfnissen soll der Zugang zu den Kunstwerken durch drei erfahrene Guides ermöglicht werden. „Kunst am Morgen mit allen Sinnen“ wendet sich speziell an Autisten, „Kunst-Erinnerungen“ soll Menschen mit Demenz und ihren Betreuern den Zugang zur Ausstellung ermöglichen.
Das gemeinsame Ziel dieser weitgefächerten Programmpalette: In einer Welt, die immer komplexer, umtriebiger und auch bedrohlicher zu werden scheint, die Chance zum Innehalten zu nutzen, die Gemeinsamkeiten und gegenseitigen Abhängigkeiten von Mensch und Natur zu erkennen und auf die leisen Töne des Miteinanders zu hören. Mit viel Glück versteht der Eine oder Andere dann auch das Wispern von Mutter Erde, das so leicht im Alltagslärm untergeht.

(Irene Schröder)

 


Alle Infos zu Öffnungszeiten, Eintrittspreisen und Programmen unter www.museum-frieder-burda.de

Allgemein Essen & Trinken Gastbeiträge

Auf der Durststrecke durchs Hungergebirge

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Wanderfreunden dringend zu empfehlen: Rucksack und Picknickkorb 
 
Das Wandern ist bekanntlich nicht nur des Müllers Lust, sondern auch Badener und Touristen schätzen die reizvollen Touren rund um Baden-Baden – nicht zuletzt deshalb wurden im Zuge des Welterbe-Zuschlags historische Spazierwege wieder ansprechend hergerichtet. Wer also das Glücksspiel scheut, sich mit Flieger oder Bahn an ein fernes Urlaubsziel zu begeben, hat wunderbare Naherholungsziele unmittelbar vor der Haustür. Eine Wanderung zur Yburg oder zur Burg Alt-Eberstein, gemütlicher Aufstieg zum Alten Schloss, Tagesausflug zur Roten Lache, Abwärtsroute vom Merkur zur Nachtigall, alles gut ausgeschildert und familienfreundlich angelegt – und auch noch sehr figurfreundlich, denn auf zünftige Bewirtung muss mittlerweile an vielen einst schon fast legendären Zielpunkten verzichtet werden.

Ein abendliches Viertele auf der traumhaften Terrasse der Yburg hatte für viele Kurstädter Kultstatus, und von der Erinnerung an die  leckeren Torten auf der „Roten Lache“ zehrt so mancher ehemaliger Stammgast noch heute, während der nüchterne Internet-Hinweis „dauerhaft geschlossen“  (auch die „Nachtigall“!) den Appetit auf eine Wanderung mit kalorienreicher Belohnung dämpft. Ein schöner Ausblick entschädigt ja für manche Anstrengung, aber ein gut gezapftes, kühles Bier ist auch eine Augenweide, die gern durch Gaumenfreuden abgerundet würde.

Kultstatus – nicht nur dank der Fernsehvergangenheit – genoss bis vor einem Jahr auch der „Forellenhof“, dessen schattige Terrasse  auf den Spaziergänger gr0ßen Reiz ausübte. Geschlossen ist nun auch das Restaurant im Alten Schloss, das sich als noble Event-Location zu etablieren versucht. Der Kiosk vor der Ruine hat zwar Getränke, einfache Speisen und Kuchen im Angebot, aber so recht festsetzen mag man sich an dem zugigen Plätzchen jetzt nicht mit. Mehr Glück hat der Ausflügler im „Scherrhof“, der mit dem Dienstag auch nur einen Ruhetag pro Woche hat, aber nur von 12 Uhr bis – laut Homepage – „ Feierabend“ geöffnet hat. „Feierabend“ war kürzlich bei einem Anruf an einem Sonntag bereits um 19.30 Uhr. Vor dem Aufbruch zu einer noch bestehenden Einkehrmöglichkeit wie „Schwanenwasen“ oder „Bütthof“ empfiehlt sich ohnehin die Nachfrage nach den Öffnungszeiten – einige Betriebe decken nur an drei Tagen in der Woche den Tisch, sind dann aber so gefragt, dass eine Reservierung angebracht ist.

„Selbst ist der Wirt“ wäre eine kostengünstige Alternative: Picknickkorb oder Rucksack mit deftiger Wandererkost und Getränken in Kühlflaschen, die an schattigen Plätzchen ausgepackt und genossen werden. Dahin müssen sie allerdings erst einmal transportiert werden … Absolut keine Option ist angesichts der Waldbrandgefahr der Würstchengrill auf einem Rastplatz.
Die Gründe für die Verknappung des kulinarischen Wanderangebots liegen laut Auskunft des Hotel- und Gaststättenverbands – wie so viele anderer Negativentwicklungen – zum großen Teil in der Pandemie: Während des großen Lockdowns sahen sich viele Köche und Servicemitarbeiter nach alternativen Arbeitsplätzen um – händeringend werden nun Ersatzkräfte gesucht, um den Betrieb halbwegs aufrecht erhalten zu können. Nicht zu stemmende Pachtgebühren, aufwändige Umbaumaßnahmen, gesundheitliche Einschränkungen – alles verständlich, aber betrüblich, wenn der potenzielle Gast mit knurrendem Magen und trockener Kehle vor verschlossener Tür steht.
Umso tröstlicher mutet dagegen ein Ort an, den der Fremde wohl nicht gleich mit zünftiger Bewirtung assoziieren würde: Der Baden-Badener Hungerberg trägt seinen Namen zu Unrecht, denn ausgerechnet dort wird im schönsten Biergarten Baden-Badens an sechs Tagen der Woche geschlotzt, gefuttert und gefeiert. Feierabend ? Selten vor Mitternacht.

Irene Schröder

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