Der Badenblogger » Blog Archives

Author Archives: Peter Ruhr

Allgemein Auswärts Menschen

Flucht und Vertreibung

Published by:

Wie ich einmal nach Kehl kam

Wer fliehen will, sollte wissen, womit und wohin. Ich stand am Bahnhof in Baden-Baden und wartete auf den Zug Richtung Süden, nach Freiburg. In einiger Entfernung sah ich eine Kollegin, die wie ich auf den Zug wartete, und in deren Gesellschaft ich keinesfalls die nächste Stunde verbringen wollte. Sie war ein hasenzähniges Wesen mit meist etwas zu langen Röcken. Sie gab sich leutselig,  immer bestrebt, sich mit jedwelchen Kollegen auf eine vermeintliche Kumanei einzulassen. Man durfte ihr aber nicht trauen. Mit ziemlicher Sicherheit würde sie mich über die Dauer der gesamten Fahrstrecke mit mir noch nicht bekannten Interna aus dem Betrieb versorgen. Mir drohte eine Stunde Langeweile. Die von ihr verbreiteten Gerüchte würden mich, je nachdem was sie mir erzählte, ratlos oder wütend machen.

Zum Glück rollte jetzt der Zug ein. Ich war fest entschlossen, mich durch möglichst schnelles Zusteigen ihrem Blick zu entziehen. Klassisches Fluchtverhalten

Nachdem die Wagentür sich hinter mir geschlossen hatte, entspannte ich mich. Fürs erste war ich gerettet. Der Zug war gut besetzt. Zunächst musste ich über zwei glatzköpfige Jugendliche steigen, die es sich, auf dem Boden sitzend, im Eingangsbereich bequem gemacht hatten. Immerhin fuhr der Zug gleich los, und bei den vielen Waggons, die zwischen meiner Kollegin und mir lagen, schien es eher unwahrscheinlich, dass sie sich zu mir durchkämpfen würde. Außerdem konnte sie mich nach Lage der Dinge ja nicht gesehen haben.

Nach längerem Suchen hatte ich einen freien Platz erspäht. Wieder stieg ich über Kahlköpfige junge Männer, was bei mir zu dem Zeitpunkt aber noch keinen Verdacht aufkommen ließ. Mode ist ja stets zeitgebunden. Jede Zeit hat ihren Stil, ihre Frisuren. Was man gestern trug, kann heute schon veraltet sein. Und umgekehrt.

Man sprach Französisch, was in einer Grenzregion ja auch nichts Besonderes ist. Allerdings sahen mich die Mitfahrenden an, als käme ich von einem anderen Stern. Lag es an meiner Frisur? Ich war zwischenzeitlich doch etwas unsicher geworden. Das änderte sich aber, als der Schaffner in einer mir zunächst nicht vertrauten Uniform das Abteil betrat. Er kontrollierte meine Karte und fragte mich beiläufig, ob ich etwa zum französischen Militär wolle? Zur Grand Armee? Der Zug, sagte er, sei ein Militärtransport. Ich sei in den falschen Zug gestiegen. Der hier sei auf dem Weg nach Paris, nicht nach Freiburg. Er würde mir raten – sagte er lächelnd – an der nächsten Bahnstation auszusteigen. Noch sei es ja nicht zu spät. Noch seien wir in Deutschland.

Vor vielen Jahren hatte mir ein Lokaljournalist, den ich fragte, wo er arbeite, zugeraunt: „Wer Vater und Mutter nicht ehrt muss nach Kehl“. Und in der Tat: wer sich wie ich in Kehl auf einer schmutzigen Bank vor dem Bahnhof sitzend wiederfindet, ahnt, was er damit gemeint hatte. Normalerweise rollt dort eine schier nicht endenwollende Autoschlange vorbei: die vielen Pendler, die, von der Arbeit in Deutschland kommend, nach Straßburg zurückkehren. Dreht man sich mich um, fällt der Blick auf einen herabgewirtschafteten Bau, gleich neben dem Bahnhof. Es ist das „Hotel Astoria“, dessen schmuddeliges Äußeres die wenigen dort verkehrenden Gäste offensichtlich nicht zu stören scheint.

Noch beim Betrachten des „Astoria“ fiel mir auf, dass sich zwischenzeitlich ein Zeitgenosse genähert hatte. Er trug einen Mundschutz der etwas aufwändigeren Sorte, also nichts Selbstgenähtes. Sein Modell hatte eine spitz zulaufende Schnauze mit einer vorne abgeflachten Spitze. Soweit ich sah war in diese Spitze eingesetzt ein kleiner Filter mit zwei Luftlöchern, was dem Träger das Aussehen eines freundlich drein-blickenden Ferkels mit Schnute gab. Der Mann sprach mich an, war aber durch den Rüssel seiner Anti-Corona-Maßnahme schlecht zu verstehen. Das wenige, das ich mitbekam, lief darauf hinaus, dass er einen Mangel an Respekt seitens der Deutschen beklagte. Schließlich sei er ein Zigeuner. Ich darf das sagen, denn er sagte von sich selbst, er sei ein ‚Zigeuner‘. Zudem sei er ein ‚Fighter‘, eine Selbsteinschätzung, die er durch einige kurze, ruckhafte Handbewegungen unterstrich. Jeden, der ihn tot mache, mache auch er tot, sagte er mir. Ich müsse vor ihm aber keine Angst haben.

Im vorliegenden Fall wäre es vielleicht angebracht gewesen, ihm das Büro der Fremdenlegion in Straßburg zu empfehlen. Ich war dort schon einmal vorbeigekommen. Nicht ganz weit von der Grenze gelegen, war es zumindest in meiner Erinnerung, in einem heruntergekommenen Backsteingebäude untergebracht, in der Rue d’Ostende, wo es mit seinem Stacheldraht und dem versifften Vorgärtchen für den ganzen Jammer dieses Berufsstandes stand. Während ich noch überlegte, wie ich ihm den Weg dorthin beschreiben sollte, gab er plötzlich Entwarnung: „Du und ich aber gut“, sagte er, was offensichtlich bedeuten sollte, dass wir beide letztlich doch herzensgute Menschen seien. Soweit ich das für mich beurteilen kann, stimmte ich ihm mit leichten Einschränkungen zu, worauf er sich plötzlich umdrehte und in der traurigen Tiefe der Kehler Bahnhofshalle verschwand. Das Letzte, das ich von ihm sah, waren die beiden blütenweißen Schnüre der Maske an seinem dunklen Hinterkopf.
Als ich dann endlich nach zweieinhalb Stunden Verspätung in Freiburg ankam, hielt ich ängstlich Ausschau nach meiner Kollegin. Von der war aber nichts mehr zu sehen.

Allgemein Institutionen

Wasser marsch! Teil 1

Published by:

Warum uns unsere Feuerwehren so lieb wie teuer sind

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Margret Mergen am 23.6.2014 im Kurhaus in Baden-Baden in ihr neues Amt als Oberbürgermeisterin eingeführt wurde, gab es sozusagen den ganz großen Bahnhof. Neben vielen Bürgern und Bürgerinnen nutzten auch zahllose Würden- und Amtsträger die Gelegenheit, der neuen Oberbürgermeisterin ihre Aufwartung zu machen. Mit ganz vorne dabei ein Mann, dessen uniformiertes Äußeres so gar nicht zur festlich gekleideten Menge passen wollte. Die viersternigen Epauletten unter einem in der Flamme stehenden Löwen wiesen ihn unschwer als den Feuerwehrkommandanten Martin Buschert aus, der sich noch kurz zuvor mit seinem Stellvertreter „mit einem Überraschungseinsatz“ vom scheidenden Oberbürgermeister verabschiedet hatte. Immerhin kommandiert der Feuerwehrkommandant ‚39 Mann’ nebst zwei Verwaltungsangestellten, womit freilich die wirkliche Bedeutung seiner Truppe nur unzureichend beschrieben wäre.

Wer sich einmal die Mühe macht, bei Wikipedia die schier unendliche Staffelung der je einzelnen Dienstgrade nebst ihren Dienstgradabzeichen bei den Baden-Württembergischen Feuerwehren zu studieren, der ahnt, wie ernst man das ganze nimmt. Die Feuerwehren haben im sozialen Gefüge der städtischen Gemeinde eine weit über ihre Lösch- und Bergeaufgabe hinaus reichende Bedeutung. Zusammen mit der Blaskapelle eines Ortes repräsentieren sie die ‚Mitte der Gesellschaft’. „Willst du die Wahl verlieren, musst du dich nur mit der Feuerwehr anlegen“, so ein mit den Feinheiten einer Gemeindepolitik Vertrauter. Andere nennen die Feuerwehr auch den Sturmtrupp des Bürgermeisters.

Keine Jahreshauptversammlung der Feuerwehr, die ohne die Anwesenheit der Amtsträger über die Bühne ginge, und auch der stellvertretende Lokalchef des Baden-Badener Ortsblattes lässt es sich nicht nehmen, beim Pressetermin eifrig zu notieren, dass die Feuerwehr zwar weniger Brände gelöscht, dafür aber sich an der Zunahme der technischen Hilfeleistungen abgearbeitet hatte. Darunter wären zu verstehen der ‚Absturz eines Kletterers in der Steilwand’, ein ‚Flugunfall Gleitschirm’. Zudem notiert das Einsatzbuch am 13.11.2014 um 14:27 Uhr: „Person droht zu fallen“. „Person hängt in großer Höhe im Fels“. Dann folgt: „Seilintervention der Höhenretter“. „Im Einsatz: Feuerwehren Baden-Baden und Karlsruhe, Bergwacht, Rettungsdient, Polizei“. Wie viel Personal da letztlich vor Ort war, lässt sich allenfalls erahnen. Wer derartigen Einsatz leistet, weiß, was er sich und der Gemeinschaft wert ist. Der Kletterfreund wird es nach dem Rettungseinsatz auch wissen. Tröstlich dann, wenn eine Versicherung zur Übernahme der Kosten bereit steht. Wenn nicht, wird’s für den Hilfsbedürftigen richtig teuer. So, wie in Berlin, wo der Terrier Skipper in eine Notlage geriet und gerettet werden musste. Der war in einem Dachsbau gefangen, und so waren dreiundzwanzig Feuerwehrleute und fünf Fahrzeuge im Einsatz, ein Aufwand, den man der Hundehalterin mit € 13 000 in Rechnung gestellt hatte. Jetzt klagt sie. „Wir fahren mit allem, was Räder hat“, so kürzlich ein Feuerwehrkommandant mir drohendem Unterton im Radio.

Eine veritable Materialschlacht….

MEHR DARÜBER DEMNÄCHST!

Allgemein

Wasser marsch! Teil 2

Published by:

Warum uns die Feuerwehr so lieb wie teuer ist

20151215_122441Eine veritable Materialschlacht, für die manchmal der Einzelne gegebenenfalls mit seiner Versicherung, oft genug aber die Allgemeinheit aufkommen muss, der die Feuerwehr lieb und vor allem aber auch teuer ist. Andere öffentliche Einrichtungen dürfen sich in der heutigen Zeit solcher Zuwendungen nicht ganz so sicher sein. Bevor wir uns weiter mit der Feuerwehr als solcher befassen, wollen wir erst einmal noch einen kurzen Blick auf die allgemeine Situation der Städte und Gemeinden werfen, hier ganz besonders auf die Lage der Schulen und Kitas, deren Zustand allgemein als bedenklich geschildert wird. So titelte die SZ vom 7.12.2015 mit der Überschrift: „Der Schimmel von der ersten Bank“. „Wände sind kaputt, die Decke droht einzustürzen, Toiletten sind verdreckt, Heizung defekt. Viele Schulen in Deutschland sind in einem erbärmlichen Zustand – warum wird so wenig dagegen getan?“ Und die WELT schreibt am 28.5.15: „Deutschland investiert nicht. Deutschland bröckelt“. Um dann fortzufahren: “Ganz oben auf der Liste der am stärksten vernachlässigten Bauwerke stehen Schulen und Kindergärten.“ Nun soll hier keineswegs die Feuerwehr als solche in Frage gestellt werden. Und es wäre unverantwortlich, notwendigerweise gut ausgestattete Feuerwehren für solche Missstände verantwortlich zu machen. Noch immer gilt, dass eine zu knapp budgetierte Feuerwehr, die ihren überaus wichtigen Aufgaben nicht oder nur unzureichend nachkommen könnte, eine Vernachlässigung wäre, die sich eine immer noch reiche Gesellschaft nie und nimmer leisten dürfte. Wer einmal auf ihre Hilfe angewiesen war, weiß, wovon hier die Rede ist.

20151215_155625Auch darf hier nicht ihre Bedeutung für die Jugendarbeit verschwiegen werden. Bei der Feuerwehr werden junge Menschen angehalten, sich für ihre Mitbürger zu engagieren. Soziales Verhalten wird geübt, Verständnis für Technik wird geweckt. Und dennoch muss sich auch eine so wichtige Hilfetruppe fragen lassen, ob die schmucken Feuerwehrdepots in Größe und Ausstattung tatsächlich notwendig sind, Fragen, die eher von Kitaleiterinnen oder Schulrektoren als von den Feuerwehrverantwortlichen oder gar dem Badischen Tagblatt gestellt werden. Hinzukommt, dass ja nicht nur Baden-Baden sich eine solche stolze Wehr leistet, sondern auch die eingemeindeten Orte wie Steinbach, Neuweier, Varnhalt. Oos, Lichtental, Sandweier, Haueneberstein, Ebensteinburg und Balg Schlauch bei Fuß stehen und sich ebenfalls fürs Feuer oder Ähnliches gerüstet zeigen. Ob sich die Oberbürgermeisterin von Baden-Baden bei ihrem Besuch bei der Feuerwehr auch danach einmal erkundigt hatte?

Am Kaiserstuhl ist es nicht anders. Da hört man zum Beispiel von einem Löschfahrzeug der Feuerwehr Schelingen (Stadt Vogtsburg), das nach Aussagen eines ehemaligen Mitgliedes glänzt wie vor 20 Jahren und dabei keine 4000 Kilometer auf dem Tacho hat. Damit der Oldie keinen Schaden nimmt, werden von Zeit zu Zeit ‚Bewegungsfahrten’ angesetzt. Glück gehabt.

Immerhin gibt es dort aber einen Feuerwehrausschuss…

 

MEHR DEMNÄCHST…

 

 

 

Allgemein Institutionen

Wasser marsch! Teil 3

Published by:

IMG-20151215-WA0000Immerhin aber gibt es dort einen Feuerwehrausschuss, dem von acht ‚normalen’ Mitgliedern schon mal sechs angehören. Zwischen zwei und fünf Einsätze werden pro Jahr ‚gefahren’. Mitte der 80er Jahre gab’s den letzten Brand im Ort. Dafür aber werden die Gebäude gepflegt und beheizt. Die Ausstattung muss gewartet werden, Versicherungen sind zu bezahlen. Und kein politischer Würdenträger hat die Kraft zu sagen, dass EINE gut ausgestattete Feuerwehr in der zentralen Gemeinde vollauf reicht, den Ansprüchen nach Feuerschutz etc. zu genügen. Unter diesen Bedingungen wäre es für einen um die Wiederwahl bangenden Amtsträger politischer Selbstmord, hier Veränderungen anzustreben. Lieber lässt man Kitas bröckeln und wartet ansonsten darauf, dass das letzte Mitglied still verlöscht. Doch sind die meist üppigen Hallen nicht der einzige Posten, der uns die Feuerwehr lieb und vor allem auch wert macht.

„Ich werde regelrecht erpresst“, so der Bürgermeister einer Hochschwarzwaldgemeinde. Was war passiert? Da hatte ihm sein Feuerwehrkommandant in einem Brief mitgeteilt, dass die Brandsicherheit mit dem vorhandenen Löschzug nicht mehr gewährleistet sei. Man brauche etwas gänzlich Neues. Was also ist in einem solchen Fall zu tun? Der Bürgermeister kann die Verantwortung für eventuell nicht zu leistende Hilfe mangels neuesten Materials nicht auf sich nehmen und wird versuchen, die finanziellen Mittel für neues Gerät in den Haushalt einzubringen. Koste, was es wolle. Und das wird nicht billig sein. Denn keine Feuerwehr kauft einen Löschzug ohne Spezifikationen, das heißt dass in der Regel nichts ‚von der Stange’ beschafft wird. 20151215_122504‚Individualisierung’ lautet dann das Gebot der Stunde, und wer einmal die Ausstattungsliste eine normalen PKWs studiert hat, weiß, dass mit Sonderausstattung das meiste Geld verdient wird. Da sind die Schläuche noch der geringste Posten. Ein ‚C-Schlauch C 52 mit Storz Kupplung’ 20 Meter lang kostet € 52. Wird er allerdings in Afghanistan zum Löschen gebraucht weist die Website des Herstellers zusätzlich € 78 Fracht auf.

Verglichen mit der Feuerwehr in Dubai sind das alles kleine Posten. Dort laboriert man schon für den Einsatz an 828 Meter hohen Burj Khalifa mit sogenannten Jet-packs, also raketengetriebene Rucksäcke für den Löscheinsatz an Hochhäusern. Stückpreis 250 000 Dollar. Dass wir für sowas bei uns keine Verwendung haben – da haben unsere Gemeinden nochmal Glück gehabt.

Allgemein Kultur Menschen

Nuttenbrause!

Published by:

Zwei Straßen, nicht weit entfernt von meiner Wohnung, findet sich ein kleines Geschäft. Zwischen zwei Wohnhäusern scheint es fast eingeklemmt. Um von etwaigen Kunden nicht übersehen zu werden, baumelt über dem Eingang eine Toto Lotto Fahne.  Neben einem unzeitgemäß üppigen Angebot an Rauchwaren  gibt es dort auch  Postkarten,  Gummibärchen und Schnäpse in kleinen grünen Fläschchen. Das grüne Frühstück. Dazu jede Menge Frauenzeitschriften.
Erstaunlicherweise hält man dort auch die NZZ vor, die, ausdrücklich für mich zurückgelegt, ein leichtes Vertrautsein seitens der Geschäftsleitung ihrem gelegentlichen Kunden gegenüber suggeriert.
Die Chefin mag knapp über Fünfzig sein. Sie ist freundlich, saisonal aber etwas herb.
Sie spricht schnell. Ihre Sätze kommen auch an schönen Tagen fast ein bisschen gepresst. Aber daran habe ich mich gewöhnt.

Was mich freilich in jüngster Zeit etwas befremdet ist eine Geräuschquelle, die so recht nicht zum üblich publizistischen Angebot der Frauenzeitschriften passen will. Kürzlich z.B. klang es eher nach dem Soundtack von Filmen wie „Full Metal Jacket“ oder Action Thriller wie „Stirb langsam Teil 2“.

„Radio“? fragte ich und sah die Dame an. „Nee. Fernseher. Er steht da hinten“. Sie deutete mit einer knappen Kopfbewegung rechts hinter den Tresen. Anscheinend steht da ein Apparat, der sich bevorzugt – es war mir schon länger aufgefallen – auf die Reproduktion von Schlachtenlärm verlegt hat.

Das „Goldene Blatt“ betrachtend fragte ich sie, was sie da höre. „Klingt nicht nach Schwarzwaldklinik“ ergänzte ich noch. „Nein, nein“, sagte sie.

Sie liebe Horrorfilme, Kriegsfilme. Je gruseliger, desto lieber. „Kann gern auch noch stärker sein“, merkte sie noch an. Seit jeher sei das so bei ihr. „Je Horror desto lieber „. Sie schüttelte energisch den Kopf. Die zwei einfältigen Ohrringe, lang und golden am Ohrläppchen hängend, baumelten heftiger.

Ein letzter Versuch. „Nichts Romantisches, nein, gar nicht? Auch nicht Helene Fischer? Atemlos durch die Nacht?“

Es war ein letzter irgendwie versöhnlich gemeinter Versuch. Nicht so mit ihr. Mit einem einzigen stakkatohaft und fest vorgetragenen Wort, fegte sie mein Bemühen hinweg, sie mit meinem falschen Bild von ihr zu versöhnen. So finster wie entschlossen sah sie mich an an und sagte nur ein einziges knappes verächtliches Wort: „Nuttenbrause“.

  • Archive

  • Besucher

    Total Visitors
    1159154
    1137
    Visitors Today
    81
    Live visitors