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Allgemein Essen & Trinken Menschen

Korkengeld Teil 2

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Wie Natalie Lumpp das Genießen zum Beruf macht

Dann endlich der Entschluss: raus aus der Mühle der Gastronomie, rein ins Freiberufliche.

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Zu den Fernsehauftritten kommen jetzt Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften. Regelmäßige Kolumnen in der ‚Brigitte‘. Sie schreibt Bücher und macht immer wieder auchHörfunk. Was anfänglich Kleinvieh war, machte immer mehr Mist. Erste Weinpräsentationen, dann als Jurymitglied Teilnahme an Weinwettbewerben. Der Kalender füllt sich. Nun kommen auch ZDF, PRO 7 und Sat1 auf sie zu. In diesem Jahr sind schon alle Freitage ausgebucht. An fünf Tagen in der Woche ist sie beschäftigt. Ob die Familie das Nachsehen hat? Wie viele junge erfolgsorientierte Frauen würde sie dies verneinen. Ihr Mann allerdings hält ihr den Rücken frei.

Neben ihrer Präsenz in den Medien immer wieder Weinevents, die Hochämter des Geschäfts. Wein ist mittlerweile zum Livestyle geworden und sie stylt mit. Jetzt ist sie da angekommen, wo sie hinwollte. Was sie verkauft, ist auch ihr eigenes Image, nämlich das einer patenten, unkomplizierten jungen Frau, die sich nicht verstellt und sich so naturbelassen präsentiert, wie die von ihr favorisierten Weine. Z.B. beim Weinseminar in der 1. Mannheimer Kochschule in Friedelsheim/Pfalz. Natalie Lumpp ist schon früher da. Eben ordnet sie noch die Aromentöpfchen. Ihr Inhalt soll nachher erschnüffelt werden. Sie will die Sinne ansprechen. Geschmackstypen sollen erkannt werden. Da interessieren so Fragen wie: welcher Wein zu welchen Speisen, was macht die Temperatur mit dem Wein, wer braucht schon den Gerbstoff? Einfluss des Bodens. Terroir wird das neuerdings genannt. Wo kommt der Wein her? Welcher Einfluss hat der Boden, auf dem er wächst? Welches Glas zu welchem Wein?

IMG_4478 AffentalDa ist vieles zu beachten. Das Publikum will geführt, will eingeführt werden. Da ist auch Psychologie im Spiel. Ein weites Feld. Im vorliegenden Fall sind es genau vierundfünfzig Genussjünger, die bereit sind, dem Ruf der Sommelier zu folgen. Dafür hat sich ein ehemaliges Weingut schön gemacht, Scheunengemütlichkeit. Vorwiegend junges Publikum. Keine Bembeltrinker, keine Henkelgläser. Heute gilt es. Entspannte Atmosphäre. Alle per du. Der Weingast ist Friedrich Becker aus Schweigern. Von Natalie Lumpp eingeladen, wird er einem neugierigen Publikum heute seine Weine präsentieren. Früher betrieb der Vater das Weingut, jetzt hat der Sohn das Sagen. Oder etwa nicht? Die Frage des Generationswechsels taucht auf. Da fragt sich das junge Publikum: wie kommen die beiden miteinander aus? Sowas nennt Natalie Lumpp ‚eine Geschichte‘. Das interessiert die Leute: neben dem Wein der Mensch. Jetzt ist Zeit für’s Essen…

Und weiter gehts. Demnächst hier: mit Teil 3.

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Korkengeld Teil 3 und Schluss

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Wie die Sommelier Natalie Lumpp das Genießen zum Beruf macht

Schloss EbersteinJetzt ist Zeit für’s Essen, soufflierten Zanderfilet‘ oder am abschließenden ‚Iron Steak in Punschmarinade‘? Wahrscheinlich war es einfach die schiere Wucht der Lumpp’schen Weinbegeisterung, die, in Verbindung mit dem überwältigenden Unterhaltungsfuror der energetisch aufgeladenen Moderatorin, das Publikum kurz durchatmen ließ. Denn eines sollte klar sein: ein Fläschchen zu öffnen und behutsam die Aromen herauszuschälen, das, so hört man allenthalben, reicht schon lange nicht mehr. Alles ändert sich. Wo früher Glykol im Pfälzer Glas stand, schwappt heute die reine Freude.

Über den Pfälzer Riesling lässt sie nichts kommen. Die Badener? Die seien wie ein Dampfer, der seit Jahren gut balanciert seine Qualitätsbahnen zieht. Natürlich gibt es Ausschläge, nach oben wie nach unten. Aber insgesamt seien sie auf einem guten Weg. Und was ist mit dem Rheingau? Zu satt. Die Rheinhessen, ja, die können es: „Message in a bottle“ – so wird’s gemacht. Und was geht an der Saar? Da hat der Jauch ja ein Weingut geerbt und betreibt es jetzt. Das könnte die ganze Region mitziehen. Und die Mosel? Mein Gott. 80% gehen in den Export, warum sich also ändern? Da tut sich im Moment wenig. Die Neuen Bundesländer? Gut und interessant, aber zu teuer. Die Mengen zu klein. In Württemberg ist der Lemberger ‚eine Granate‘. Die am Bodensee machen den besten ‚Müller‘ und das Elsass? Oh je. Braucht kein Mensch. Überbordende Weine, viel Alkohol, überreife Trauben. Alter Stiefel. Die kaufen jetzt ja bei uns. Gut, dass keiner der Winzer zuhört.

natalie_lumpp_pressebild_12Mit der Kritik an den Weinen ist das nämlich so eine Sache. Nahezu jeder Winzer fordert die Weinfrau bei der Weinprobe eindringlich auf, ihm klar ihre Meinung zum Produkt zu sagen. Aber wehe, sie tut es. Alle wollen nur das Gute, nein, das Beste über ihr Produkt hören. Da ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, will man einem Winzer klar machen, dass sein Wein vielleicht in Ordnung ist, mehr aber auch nicht.

Harald Wohlfahrt, der große Dreisternekoch der ‚Traube Tonbach’, hochgeachteter Ziehvater der meisten deutschen Spitzenköche, fasst all das so zusammen: „Natalie Lumpp hat viel Ahnung vom Wein und sieht gut aus“.

Mehr kann man von einer Sommeliere nun wirklich nicht verlangen

Allgemein Auswärts Essen & Trinken Menschen

Bewegung im Ruhestand Teil 2

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Endlich daheim! Zu Gast in der Pfalz

Dies also ist der Klangteppich, vor dessen Hintergrund sich befreit auftrinken ließe. Dabei haben wir es hier mit einem Eldorado des Rentnerwesens in seiner rechtschaffendsten Form zu tun. Wer hier, am südlichsten Zipfel der Pfalz freundlich sitzt, vermittelt einem das Gefühl, am Ende des beruflichen Lebens angekommen zu sein. Jeder Schluck erzählt davon, sich den Ruhestand verdient zu haben. Handwerker, Angestellte, Gewerbetreibende. Natürlich könnte man einräumen, dass die Genussfähigkeit der Anwesenden eine absehbar endliche ist. Umso lustvoller trinkt man hier seinem fernen, doch unbestimmtes Ende entgegen.

Hätte man früher vielleicht seinen Schrebergarten gepflegt, so hat es die innnerstädtische Verdichtung besorgt, dass diese Oasen des unmittelbaren Naturerlebens zu Bauplätzen für Fertighäuser im Toskanastil umfunktioniert wurden. So bleibt dem Rentner nur, sich andersweitig zu orientieren. Hier hilft die Regiokarte der Bahn, die zu überschaubarem Preis den Bewegungsspielraum der Früh-verrenteten sicherstellt, und als dessen fröhliches Ergebnis wir in Schweigen-Rechtenbach eine beachtliche Anzahl von Gästen finden, die aus Heidelberg, Mannheim oder Ludwigshafen angereist sind.

Doch sind es nicht allein die Weine, der Saumagen oder die saisonal angebotenen Russischen Eier, die die Gäste hierher locken. Es ist mehr als das.    Gaststätten, die gerade dem älteren Gast mit einer gewissen Fürsorglichkeit begegnen, gibt es in der Pfalz viele. Und doch wird punktuell offensichtlich, dass das allein nicht immer ausreicht.

Der Rentner von heute will mehr geboten bekommen. Würde mit den Gästen stets pfleglich umgegangen, erinnerte das Gebotene an betreutes Wohnen. Im vorliegenden Fall trifft das nur eingeschränkt zu. Hier ist die gelegentliche Ansprache eine andere. Ja, man könnte von einer Erlebnisgastronomie sprechen.

So kommt man nicht umhin, das Personal mit seinen je verschiedenen durchaus unterhaltenden Charakteren näher zu betrachten. Da wäre zunächst mal der Chef. Er ist eine Persönlichkeit, die in ihrer Komplexität verstanden werden will, und die mit ihrem etwas schrägen Humor Neuankömmlinge manchmal verstört. Doch tut man gut daran, die laut aufbrausenden Worte des Wirts als Teil einer Show zu begreifen, dessen vermeintliche Ruppigkeit meist wundersam in einem Lachen endet. Er ist halt, wie er ist, sagen die Stammgäste und registrieren amüsiert die Irritation der Neuankömmlinge.

Wie in der Commedia d’ell Arte, agiert auf dieser südpfälzischen Bühne auch noch ein Tolpatsch, der, vom Chef täglich malträtiert, doch um keinen Preis der Welt irgendwo anders arbeiten wollte. „Lakai, Lakai, Lakai“, stößt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, wenn der Oberste ihn üblerweise mal wieder als solchen bezeichnet hatte. Letztlich versöhnt mit seinem harten Los zeigt er sich erst, wenn ihm Stammgäste beim Verlassen des Hauses ein ordentliches Schmerzensgeld zustecken. Es ist eine Bühne mit durch die Bank charaktervollen Darstellern

Doch beschränkt sich das nicht allein aufs Personal.

Drüben, nahe beim großen Strauch, sitzt eine Frau in Begleitung ihres Mannes. Sie ist – wie man so sagt – „gut beieinander“. Ihr großer Busen wird nur mit Mühe gefasst von einem giftgrünen, mit feinen Goldfäden durchwirkten Pullover. Als die Bedienung an den Tisch kommt, um die Bestellung aufnehmen, bestellt die Dame einen ‚Pfälzerteller‘. Von der Bedienung gefragt, was es denn für den Herrn sein dürfe, wird sie von der Gattin knapp beschieden: der esse heute nichts; der müsse das „Gebiss schone“.

 

 

 

Allgemein Institutionen Menschen

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

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Winfried Kretschmann: trauriges Ende einer Dienstfahrt.

Heute also erreicht uns die Nachricht, dass ein Politiker – in diesem Fall der üblicherweise überaus bedächtig sich präsentierende Ministerpräsident des Bundeslandes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann – verunfallt ist. Das Ergebnis: drei demolierte Fahrzeuge und, was noch schlimmer ist, zwei Schwer- und ein Leichtverletzter. Winfried Kretschmann selbst war nichts passiert. Er wird die Amtsgeschäfte wieder unverzüglich aufnehmen.
Das mag man gutheißen oder nicht. Tatsache aber ist, dass das unfallverursachende Begleitfahrzeug nur so schnell fuhr, wie der Wagen des MP fährt. Dessen Fahrzeug wiederum war nur so schnell gefahren, wie der Herr Ministerpräsident es wünschte. Trotz Starkregens auf der A 81 hatte also der Lenker einer grüngeführten Landesregierung seinen Fahrer angewiesen, es jetzt man ordentlich krachen zu lassen. Termine. Sicher.

Man braucht hier jetzt nicht hämisch auf die Forderung der Grünen zu verweisen, auf den Autobahnen Tempo 120 einzuführen. Tatsache aber ist, dass es selbst einem Normalfahrer immer mal wieder auffällt, wie rücksichtlos die Politikerkaste von ihrem vermeintlichen Vorrecht Gebrauch macht, auch bei schlimmsten Witterungsverhältnissen ein Fahrverhalten an den Tag zu legen, wie sie es in Ihren Reden immer geißeln. Man könnte auch sagen: sie fahren wie die Bekloppten. Mit meist zwei Begleitfahrzeugen brettern sie dann über die Autobahnen, dass es einem erschrocken auf die rechte Spur wechselnden Normalfahrer nur Angst und Bange werden kann. Ihr Reich scheint nicht von dieser Welt.

Termindruck? Das sicher.

Und doch: nehmt euch Politiker nicht so wichtig. Und haltet Euch an das, was ihr von uns, dem Wähler, immer fordert. 

Allgemein Menschen Texte / Poesie

Der Mann ganz vorne  

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hören wir uns leise Seufzen. Schlimme Sache, klar. Aber irgendwann soll es auch gut sein. Zumindest hier bei uns. Also machen wir jetzt mal etwas anderes. Wir bringen eine Geschichte aus dem wirklichen Leben. Recht lustig soll sie sein. So, wie das Leben halt manchmal ist. Wir teilen sie in drei Teile. Und dann  hängen wir die Teile aneinander. Man kann die drei Folgen aber auch kopieren und ausdrucken. Na, sowas. Also jetzt geht’s los:

Der Mann ganz vorne                                                                  Folge 1

Weich eingebettet liegt das Sendezentrum inmitten grüner Hügel. Im Inneren reges Treiben, auch im vierten Stock, am Ende des Flurs. Dort arbeitet hinter einem riesigen, noch vom Vorgänger stammenden dunkelbraunen Schreibtisch der Hauptabteilungsleiter Wilhelm Reger, dessen konsequent durchgeplan-ter Werdegang ihn nach Abschluss eines Studiums der Jurisprudenz ihn zunächst zum Referenten des Fernsehdirektors führte. Von da aus war es, nach dem Weggang seines Förderers, nur ein kleiner, aber bedeutender Schritt hin zur Stelle eines Abteilungsleiters.

Durch das großen Bürofenster die kleine Stadt weit unten betrachtend, fiel fortan immer mal wieder sein Blick auf den Gummibaum zu seiner Rechten. Dort ruhte, wenn es der Linderung bedurfte, sein Auge sanft, vor allem dann, wenn Ruhe einkehren sollte in seinen unruhigen Sinn. Marterte ihn eine der Aufgaben, die das Amt so mit sich brachte, fand er Ruhe beim Betrachten der Pflanze, dessen fette Blätter stets von Frau Maller abgestaubt und dessen trockene Erde mittels einer kleinen kupfernen Gießkanne mit weit ausladendem Schnabel aus poliertem Kupfer bewässert wurde.

Vor allem Personalentscheidungen waren es, die ihm bisweilen Kopfzerbrechen bereiteten. Zwar war es keineswegs so, dass er nicht über das nötige Maß an Härte verfügt hätte, die ein so herausragendes Amt fordert. Da konnte er durchaus ein entschlossenes Vorgehen an den Tag legen. Nein. Es war die das Amt so unbequem machende Ambivalenz zwischen einerseits nötiger Härte, andererseits dem Wunsch, die von einer Entscheidung Betroffenen würde diese, wie er ja schließlich auch selbst, als übergeordnet und notwendig einsehen. Zunächst ließe sich sagen: alle ziehen am selben Strang. (Doch wäre in diesem Fall präziser: der eine zieht, der andere hängt). In solchen unkommoden Momenten sah er sich lediglich als Überbringer, nicht als der Verursacher einer schlechten Nachricht. Diese für beide – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – unangenehmen Gespräche pflegte er möglichst rasch und mit einem finalen „Nichts für ungut“ oder auch „Nehmen sie’s nicht persönlich“ ausklingen zu lassen, hoffend, dass sich das Thema für ihn danach erledigt hätte und er aus der Nummer raus sei.

Bisweilen aber gelang es ihm, einfach abzutauchen und das für ihn höchst Unangenehme mit einer Geste, die er für durchaus angemessen hielt, von sich zu schieben. So z.B. als auf einen fernen Ratschluss hin die ihm unterstellten Fernsehansagerinnen vom für sie so ungemein wichtigen Bildschirm verbannen sollte. Es wäre jetzt also an ihm gewesen, die Exekution klar zu kommunizieren. Jedoch glaubte er durchaus darauf vertrauen zu dürfen, dass sich dies im Kreise der Damen – und es waren ausschließlich solche – bereits rumgesprochen hätte. So sah er sich von der Last, die letztlich bittere Wahrheit zu überbringen, ent-bunden. An einer den Schmerz lindernden Geste aber sollte es nicht fehlen. Er bat den Hausmeister, in der Kantine Getränke zu besorgen. Je einen Kasten Bier und eine Kiste FANTA. Beide. Kasten und Kiste, möge er doch bitte in den Aufenthaltsraum der Damen bringen. Das Maß der Fürsorglichkeit erweiternd, regte er an, auch noch einen Flaschenöffner mit kurzer, aber nicht zu kurzer Schnur am Kasten zu befestigen. So ein Flaschenöffner ginge nun mal leicht verloren. Und bitte nicht vergessen zu sagen: man möge sich bedienen.

Farblich gesprochen war dieser Alltag grau. Mal mehr, mal weniger, aber letztlich doch grau.

Dann aber zeichnete sich überraschend ein Heute ab, das versprach, Farbe ins Leben zu bringen. Die Stelle eines Hauptabteilungsleiters ‚FS-Unterhaltung’ war überraschend frei geworden; es galt sie zu besetzen. Man suchte jemanden, dem zuzutrauen war, dieses hauspolitisch eigentlich bedeutungsarme, doch für das Erbringen von Einschaltquoten nicht unwichtige Amt auszufüllen. Nachdem er also schon einmal bewiesen hatte, dass er als Vorgesetzter imstande war, sich ohne viel Federlesens und in der gebotenen Stille von subalternen Mitarbeiterinnen zu trennen, hatte er sich daran anschließend für weitere, höhere Aufgaben empfohlen.

Jetzt also galt es, sich in einem neuen Amt zu versuchen, und dank des Appendix’ ‚Unterhaltung’ taten sich für ihn selbst überraschend eine Fülle neuer Möglichkeiten auf, von denen er sich eine gewisse Freiheit versprach. Zum einen durfte er amtsbedingt darauf hoffen, der strengen Kontrolle seiner Gattin zu entkommen. Sie hatte ihn nach zeitweilig ausufernder nachdienstlicher Einkehr in der funknahen Kneipe („happy hour“) in zunehmend ruppigem Ton zu alsbaldiger Heimkehr genötigt. Zum anderen aber wiesen ihm die in Zukunft anstehenden Außenproduktionen von Fernsehshows einen durchaus gangbaren Weg zu möglichem Lebensgenuss.

„Der Himmel ist hoch und der Zar ist weit“, pflegte er dann zu sich selbst zu sagen, sah er sich doch in Zukunft befreit von häuslich-familiärer Enge, aber auch von den lästigen Pflichten eines durchbüro-kratisierten Alltags innerhalb des Betriebs.

Zudem versprach sein neues Tätigkeitsfeld eine Fülle neuer Möglichkeiten, sich einladen zu lassen. Keine Produktion ohne Arbeitsessen mit den Kooperationspartnern, keine glücklich zu Ende gegangene Live-Sendung, die nicht in einer sogenannten ‚Afterwork Party’ ihren verdienten Abschluss gefunden hätte. Immer mit Alkohol, oft mit Gesang, ja, manchmal sogar mit Tanz. Sah man ihn anfänglich noch etwas unsicher am Rande stehen, mit einem Bier in der Hand sich vorsichtig und ungelenk zur Musik bewegend, so gewann er zunehmend Sicherheit, bis er dann zu vorgerückter Stunde und von allen bejubelt, tänzelnd ins Geschehen eingriff. Soviel Vergnügen war noch nie.

Später, viel später, nun im Ruhestand, hätte man ihn manchmal noch in der Stadt sehen können beim fast rührenden Versuch, wenigstens zeitweise den fürsorglichen Fängen seiner Gattin zu entkommen. Denn plötzlich war seine Anwesenheit, da ja nun ohne Amt, nicht mehr länger gefragt. Ein Anderer war jetzt an seine Stelle getreten. Vorbei die vielen Einladungen, all die Schmeicheleien. Was blieb, war die schmerzliche Einsicht, dass man ihn über all die Jahre seiner beruflichen Stellung, nicht aber seiner eventuellen Liebeswürdigkeit wegen eingeladen und hofiert hatte. Es sollte ein langer Winter werden.

So blieben ihm jetzt vor allem das Warten auf die seltener werdenden Verwandtschaftsbesuche und – häufiger – kleine Besorgungsgänge in die Innenstadt, die sich im alltäglichen Einerlei als willkommene Abwechslung anboten. Dazu trug er ein kleines, grünes Rucksäckchen, aus dem, wann immer ich ihn später noch sah, ein einsamer Lauchstengel ragte. Nach dem Einkauf ging er wieder nach Hause, ein zunehmend grauer Mann mit seinem aus dem Rucksack ragenden Gemüse, das immer etwas traurig zu winken schien, bevor dann beide, als hätte es sie nie gegeben, im Dunkel der Alleebäume verschwanden. Und immer war mir, als hätte dieser schwankende Stengel etwas von der Trauer eines Kindes an sich, das mitten aus dem Spiel gerissen, den anderen Spielkameraden noch zuwinkt, ehe es nach hause muss.

Doch noch war es nicht soweit…. Fortsetzung folgt

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