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Des Glückes Schmied Teil 1

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Franz Botschek – der Mann am Feuer

Bei der Besetzung des ‚Mime’, des Schmiedes in der Oper ‚Siegfried’, hätte Richard Wagner an einem wie ihm seine helle Freude gehabt. Mächtig steht er da, ein Baum von einem Mann. Mit starken Armen, riesigen vom Rauch geschwärzten Händen und einem Lederschurz, der ihn vor der stärksten Hitze schützt. Schade nur, dass Franz Botschek nicht singen kann und Wagners Opern nicht kennt. Dafür aber liebt er ‚Truck Stop’ und steht auf Büchsenwurst.

Letztere braucht er auch, wenn er an seinen vier verschiedenen Feuerstellen arbeitet, die er sich zwischen seinem ererbten Elternhaus und einem angebauten Holzhaus eingerichtet hat. In Lauf, einem kleinen Dorf in der Ortenau. Dort geht er seinem schweren Handwerk nach, inmitten eines höher gelegenen Wohngebietes, wobei er an der Feuersicherheit seines Arbeitsplatzes nicht den geringsten Zweifel aufkommen lässt. In der Ferne liegt die Rheinebene und ganz unten das gemütliche Dorf. Neben sich hat er Bier und Büchsenwurst, und hinter sich eine Säulenbohrmaschine von 1910. Und für einen kurzen Augenblick lang mag man sich der trügerischen Illusion hingeben, dass diese Vergangenheit doch noch ein Morgen haben könnte, ohne Gedanken an die Globalisierung, ohne Bits und Bytes. Gern möchte man sich noch eine Art Zukunft vorstellen, geschaffen durch eines rechten Mannes Hände Arbeit, übriggeblieben aus einer Zeit, in der hochqualifizierte Arbeitskräfte sich nicht entscheiden mussten, ob sie zum Arbeiten entweder das iPhone oder den Becher Latte Macciato aus der Hand legen sollen.

„Hey Boss, ich brauch‘ mehr Geld“ hört man Gunter Gabriel im kleinen Kofferradio singen, das schwarz, von Ruß, mit scharfkantig abgebrochener Antenne in der Ecke hängt. Gunter Gabriel übt – wenn man so will – ebenfalls eine Art  Handwerk aus: das eines Barden. Auch dieses Handwerk hat einer Art Zukunft, nämlich im RTL Dschungelkamp, in das demnächst der Barde mit Gitarre und Toupet für viel Geld einzieht. So etwas ist Botschek von Haus aus suspekt. Nichts für ihn. Schall und Rauch.

Doch kommt auch das Schmiedehandwerk ohne beides nicht aus….

(sämtliche Fotos mir freundlicher Genehmigung von Samuel Hess. Siehe auch    www.samuelhess.de)

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Des Glückes Schmied Teil 2

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Doch kommt auch das Schmiedehandwerk ohne beides nicht aus. Das sieht die Nachbarin offensichtlich ähnlich, wenn der Rauch der feurigen Esse in ihre Richtung zieht und Wucht und Lärm des Federhammers die Fundamente ihres Nachbarhauses erzittern lassen. Das ist halt so. Das rührt sie nicht. Eher machte sie sich Sorgen, wenn das Gewerbe von Zeit zu Zeit ruht und sie vom Nachbarn nichts hört.

Es sind vielleicht diese stillen Momente, in denen er vom Wilden Westen träumt, wo es ihn in Gedanken immer wieder hinzieht, so etwa, wenn er in einem Buch über Indianer blättert oder über die Cartwrights aus der Serie ‚Bonanza’ ins Schwärmen gerät. Schon der Anblick der massiven, zusammengefügten Balken seines Holzhauses, die sich seit dem Einzug wie berechnet um acht Zentimeter gesenkt haben, befeuert seine Träume. Den Rest erledigt an kalten Abenden der offene Kamin. Im flackernden Licht der offenen Flamme zieht er dann schon mal den Stetson auf, den ihm ein früherer Kollege aus Amerika mitbrachte und den einst John Wayne bei einer Filmproduktion getragen hatte. Das sind dann die Momente, in denen Franz Botschek, der Schmied, durchblicken lässt, dass hartes Eisen auch mal weich werden kann. Es kommt halt auf die Temperatur an.

Doch lasse man sich nicht täuschen: sein Reich ist auch von dieser Welt. Froh, mit einer auskömmlichen Betriebsrente seines ehemaligen Arbeitgebers SWR versorgt zu sein, macht er jetzt nur noch das, was ihm Spaß macht. Auch heute noch bekommt er eine Gänsehaut, wenn er an seinen ersten Hammerschlag aufs rotglühende Eisen denkt. Diese Begeisterung für sein geliebtes Handwerk möchte er weitergeben, in monatlich stattfindenden Schmiedekursen, in denen er fünf Laien in einem sechsstündigen Grundkurs vermittelt, dass das Glück eines Menschen auch auf einem Amboss liegen kann. Rechtsanwälte durften das ebenso erfahren wie ein Strahlentherapeut, Kaminfeger, Steinmetze und, ja, auch Frauen. Unterbrochen nur durch das Auslöffeln der ‚Schmiedesuppe‘, lernen sie bei solch einem Lehrgang, dass das Beherrschen von Grundschmiedetechniken wie das Aufspalten, Spitzschmieden und das Tordieren, unerlässlich ist, will man am Ende eines Samstags mit einem selbstgeschmiedeten Teelichthalter zwar arm- und handlahm, dafür aber glücklich in den Flieger nach Berlin steigen.

So ein Leben hat er sich immer gewünscht…..

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Des Glückes Schmied Teil 3

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So ein Leben hat er sich immer gewünscht. Schaffend und selbstbestimmt, hoch über Lauf, ins Tal blickend. Ein bisschen wie der Türmer aus Goethes Faust, der „zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“ war und endet mit: „Ihr glücklichen Augen, was je ihr gesehen, es sei, wie es wolle, es war doch so schön“. Dass er so weit kommen konnte, verdankt er einerseits seiner guten Konstitution. Anderseits aber auch seiner Disziplin und Arbeitslust.

Ansonsten beharrt er eigensinnig darauf, dass jeder ein gutes Stück weit seines Glückes Schmied sei. All dies zusammen ließ ihn in siebenundvierzig Jahren Arbeit nicht einen Tag arbeitslos sein. Wofür er dem Herrgott im Allgemeinen, Andrea Nahles aber im Besonderen dankt. Letzterer hält er zugute, dass sie ein Gesetz durchgebracht hat, das ihm jetzt ermöglicht, nach fünfundvierzig Berufsjahren mit dreiundsechzig abschlagsfrei in Rente zu gehen. Es war ihm ein tiefes Bedürfnis, sich dafür erkenntlich zu zeigen. So schmiedete er der Ministerin ein Hufeisen mit einem Kleeblatt, fügte dankende Worte hinzu und war fast gerührt, als ihn drei Tage später ihn ein Anruf aus dem Ministerialbüro erreichte. Andrea Nahles würde ihn gern sprechen. Man führte ein zehnminütiges Telefonat, in dessen Verlauf sie sich für das Präsent herzlich bedankte und ihm versicherte, dass ihm ein gebührender Platz in ihrem Büro sicher sei. Und ganz besonders hätte sie sich über das Hufeisen gefreut, weil sie doch selbst Pferde habe.

Und zudem sei auch ihr Großvater Schmied gewesen.

Allgemein Menschen Stadtstreicher

Oh Heiliger Bimbam!

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Kann man Weihnachten übertreiben? Ein Wunder: es geht!

Wer im vorweihnachtlich gestimmten Baden-Baden nicht gerade selbst in froher Erwartung ist, wird die baldige Ankunft des Jesuskindes mit all seinen Nebenwirkungen eher als Zumutung empfinden. Anlassbedingt überschwemmen derzeit tausende von Touristen die Innenstadt. Natürlich die obligatorischen Franzosen, Schweizer und Amerikaner, vereinzelt aber aber auch schon wieder Chinesen. Sie alle kommen nach Baden-Baden, um ‚the real Christmas – Event’ zu erleben. Den etwas abseits geparkten Bussen entstiegen, nähern sie sich der Innenstadt. Schon anfänglich fast trunken vor Heilserwartung, lässt sich auf dem Christkindlesmarkt dieser beseelte Zustand durch das Zuführen von Glühwein noch kräftig steigern. Fortan sieht man alles doppelt. So etwas nennt man ein Lichtermeer.

Hinzu kommen die jüngst Zugezogenen. Nach dem Angriff auf die Ukraine hat sich die Zahl der jährlichen Weihnachtsmarktbesucher durch den Zuzug russisch/ukrainisch sprechenden Flüchtlinge noch deutlich vermehrt. Bis vor nicht allzu langer Zeit waren es zunächst nur die hier ansässigen Russen. Baden-Baden, ein Sehnsuchtsort.

Nachdem die Russen im Zuge der Russischen Revolution 1918 den Zar und seine Familie umgebracht hatten, entdeckten deren Nachfahren hier in Baden-Baden jetzt die ‚gute alte Zeit‘. Hinzu kommen jetzt auch noch eine große Anzahl von vor dem Krieg geflüchteten Ukrainer. Noch scheinen die beiden Volksgruppen einvernehmlich miteinander auszukommen. Immerhin eint beide Gruppen ein auffallender Hang zu selbstgefärbtem Blondhaar und mit Pailletten besetzten Jeans. Weiter gefällt man sich in Strickmoden, deren lilafarbenen Zopfmuster kongenial ergänzen werden durch einen erstaunlichen Hang zu überschweren Parfums.

Die Ortsansässigen sehen sich kaum in der Lage, die beiden Gruppen sprachlich von einander zu trennen. Die Russen werden von den Einheimischen eher mir Argwohn betrachtet. Unaus-gesprochen wirft man ihnen vor, Putins Expansionskrieg gut zu heißen. Den Geschäftsleuten ist’s egal. Überall werden Arbeitskräfte gesucht. Zudem geben sich die in die Zugewanderten große Mühe, Deutsch zu lernen, was insofern nicht weiter verwunderlich ist, als dass die hier bereits sich heimisch fühlenden Deutschrussen eifrig darauf erpicht sind , als Ur- Deutsche zu gelten. Ansonsten pflegt man die Liebe zur slawischen Heimat und deren kulinarischen Köstlichkeiten.

Wer z.B. hier nach dem authentischem Borschtscherlebnis sucht, sieht sich hier vom „MixMarkt“ der Monolith Gruppe – ein Großhändler für den Export slawischer Produkte – bestens versorgt. Gegen Heimweh hilft z.B. der Genuss von ‚Rjaschenka‘. Ein Festmahl kann man mit ‚Plombir‘ oder einem Speiseeis der Marke ‚Eskimo‘ krönen. Wem das noch nicht reicht, der wird auf der Suche nach einer weiteren Zumutung in der Mitte der Stadt fündig. Dort trifft man auf den „Löwenbräu-Keller“ mit seinem Biergarten. Wie in jedem Winter wurde er auch dieses Jahr wieder saisonal umfunktioniert. Wer sich also nach Borschtsch verzehrt, wer Geschmack findet an eingearbeitetem, blondem Falschhaar – dem wird beim Anblick dieses weihnachtlichen Ensembles das Herz aufgehen. Selbst wenn man die Deko Orgie elsässischer Vorgärten mit all ihren Gipszwergen, farbigen Störchen und ‚Hansi‘-Figuren als Vergleich heran zieht, selbst dann darf man das dort Zusammgetragene als einen Meilenstein der Geschmacklosigkeit ansehen. Nicht ganz frei ohne Bewunderung fragt man sich, in welchen Keller und Ablagen der Gärtner dieser Zauberlandschaft gestöbert haben muss, um mit der Überfülle dieses weihnachtlichen Sammelsuriums aufzuwarten.
Dies ist insofern bemerkenswert, als dass wir es gewohnt sind, uns gegen vielerlei Zumutungen zur Wehr zu setzen. Die offensichtlichste dieser von außen kommenden Zumutungen ist in der Regel der von anderen fabriziert Lärm, der uns so stört, dass wir zum Telefon greifen und nach der Polizei rufen. Wäre dem so bei dem hier optisch Gebotenen, bliebe den Ordnungshütern beim derzeitigen Stand der vorweihnachtlichen Geschmackslosigkeit keine Zeit mehr für besinnliches Feiern im Schoß der Familien.

 

Auswärts Essen & Trinken Kultur Menschen

In einem andern Land

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Die lustigen Zimmerleute von Tübingen

220px-ZimmererSiegelWenn unsereiner die kleine Stadt verlässt, die ja so schön ist, dass man ihren Namen zwei Mal nennen muss, dann sollte es sich bitte schön doch lohnen. Tübingen z.B. wäre schon mal so eine Reise wert. Tübingen! Stadt der Philosophen, der verblichenen Denker und eines grünen Oberbürgermeisters mit dem Namen Boris Palmer, der aber noch lebt. Ernst Bloch aber ist tot, Hans Mayer weilt schon lange nicht mehr unter uns, und Walter Jens ist nach langer Krankheit im letzten Jahr verstorben. Wollte man diese Geistesgrößen früher treffen, musste man nur in der Osiander’schen Buchhandlung in der Metzgergasse vorbeischauen. Da konnte man an manchen Tagen dem Weltgeist beim Teetrinken zuschauen.

Aber das ist ja nun schon ein Weilchen her. Nix mehr mit Weltgeist beim Tee. Dann also das Alternativprogramm. Ich beschließe, ein mir empfohlenes Restaurant in der Ammergasse aufzusuchen. Dort gibt’s zwar allenfalls Himbeergeist, dafür aber Maultaschen und Schwabenbräu, serviert von einer Bedienung, die wieder einmal bestätigt, dass Freundlichkeit in schwäbischen Wirtschaften allenfalls ein formlos erklärter Gewaltverzicht ist. Diese sicherlich nett gemeinten Grobheiten wurden aber mehr als wettgemacht durch den Unterhaltungswert zweier Zimmerleute, die sich am Nachbartisch über die Figur des Widerstandskämpfers Graf Stauffenberg in die Haare gerieten. Der eine sagte, für ihn sei Stauffenberg ein Held. Der andere bezeichnete ihn als Arschloch. Damit war der Begrifflichkeit genüge getan und man konnte ans Streiten gehen.

Ich möchte hier nicht die Auseinandersetzung in allen Verästelungen wiedergeben. Nur soviel: nach heftigsten Wortwechseln mit angedrohten Schlägen kam es zu guter Letzt dann doch noch zu einer Versöhnung. Ob darüber die Figur Graf Stauffenbergs auf der Strecke geblieben war, hatte ich irgendwie nicht ganz mitbekommen, steht aber zu vermuten. Mittlerweile hatte sich zudem noch die Bedienung vor mir aufgebaut und bellte: „Zahle“, wobei ich nicht wusste, ob dies als Frage oder Befehl zu verstehen war.

Was mir aber noch deutlich in Erinnerung geblieben ist, war der Satz, den der eine Zimmermann dem anderen fröhlich versöhnt zurief. „Woisch was: jetzt trinksch ä klöis Bier auf mei Rechnung“.Dieser an sich schlichte Satz bedarf aus gegebenem Anlass – noch sind wir in der Denkerstadt Tübingen! – der hermeneutischen Deutung. „Woisch was“ (das weist auf den Hammer hin, der gleich kommt). „Jetzt trinksch…“ (ich trinke nicht mit) „ä klöis Bier“ (kein großes, sondern ein kleines Bier) „auf mei Rechnung“. Der Bestellende ist also zahlungswillig und zahlungsfähig.

Bei uns im Badischen hätte es geheißen: „Jetzt trinken wir ein Bier“. Dann wäre klar gewesen: zunächst einmal ist das ein ganz normaler Vorgang. Weiter: wir trinken zwei Gläser Bier und zwar große. Im übrigen trinke ich mit, und das ganze geht natürlich auf meine Rechnung.

Soweit, so badisch.

Irgendwie muss man sie einfach lieben, unsere Schwaben…!

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