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Allgemein Auswärts Essen & Trinken

Bewegung im Ruhestand Teil 1

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Endlich daheim! Zu Gast in der Pfalz  

Dort, am südlichsten Zipfel der lieblichen Pfalz, liegt das kleine Winzerdorf Schweigen – Rechenbach, da, wo die ‚Deutsche Weinstraße’ ihren Anfang nimmt.

Eigentlich sollte dieser ca 100 Km lange, sich nach Norden hinziehende Landstrich  ‚Pfälzer Weinstraße‘ heißen, doch wer im mächtigen Schatten des 1937 von den Nazis erbauten protzigen Weintors steht, ahnt, warum aus einem gemütlichen ‚Pfälzer Weintor‘ ein monumentales ‚Deutsches Weintor‘ und dann folgerichtig aus einer ‚Pfälzer Weinstrasse’ eine ‚Deutsche Weinstraße’ wurde.

Wer sich heute hier als Besucher einfindet, wird sich daran nicht stören. Der Sommer liegt heiß über der 1500 Einwohner  Gemeinde. Noch zirpen hier überall die Grillen. Aus der Ferne hört man die Stimmen der Veranstaltung „Chor am Tor“. Tritt man näher, entdeckt man eine singende Gemeinschaft vorwiegend mittleren Alters, die sich, geschmückt mit regenbogenfarbenen Schals, der Pflege multiethnischen Liedgutes verschrieben hat.

Nicht weit davon, mitten im Zentrum des Ortes und im Schatten der kleinen mittelalterlichen Kirche, liegt  fast versteckt, ein Weingut mit seiner Weinwirtschaft, dessen gastronomisches Angebot den geschmacklichen Vorlieben der durstig-fröhlichen Rentnerschar umfassend Rechnung trägt. Es ist eine Gemütlichkeitslandschaft, dekoriert mit vielen üppigen Sträuchern, bunten Blumenkübeln und heimelig dekorierten Winkeln.  

Denn unter den vielen schönen Dingen, die das Leben eines Ruheständlers so recht lebenswert machen, ist nicht das Unwichtigste, dass der Rentner sich seines Lebens freut,  wozu halt auch gehört, dass er sich in seiner Weinwirtschaft wohl fühlt. Freilich braucht es dazu gewisse Voraussetzungen. Zunächst sollte es dort ruhig und schattig sein. Dann die Sitzgelegenheit! Hier wäre eine gewisse Stabilität wünschenswert. Die Breite der Sitzfläche sollte kundengerecht etwas üppiger bemessen sein. Auch nicht schlecht, böte die Armlehne situationsbedingten Halt. Kleine, in lustigen Farben gehaltene Sitzkissen, könnten das Ganze farblich auflockern. Verständlich, dass in einem solchen Umfeld eine etwas festere Figur kein Thema einer nachhaltigen Erörterung ist. Allenfalls leitet sich daraus eine Daseinsberechtigung für Sitzzuteilung ab.

Und dann erst die Weine!

Trocken sollten sie sein, aber auch wieder nicht zu trocken. Nur wenige greifen in diesen Tagen zu einem Riesling, der in der Karte ausdrücklich als ‚forzdrogge‘ ausgewiesen ist. Sowas muss man mögen. Davon nimmt unser Gast aber gern Abstand, denn ist der zu Wein trocken, bekommt er ihm nicht. Dann kann es passieren, dass die ‚Mamma‘ am nächsten Morgen sagt, „d’r Babba hätt nachts gedampft“.  

Ansonsten ist das dort Gebotene fein auf die Bedürfnisse der Zecher abgestimmt. Der Wirt kennt die Seinen. Er weiß: solang der männliche Gast, auch schon mal ‚Babba‘ genannt, gut sitzt, ist alles in Ordnung. Hauptsache, dass er die ‚Mamma‘ neben sich und einen Schoppen Wein vor sich hat. Schweigen-Rechtenbach ist ein Rentnerparadies. Verständlich, dass man da auch an die denkt, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. In unmittelbarer Nachbarschaft zum elsässischen Wissembourg liegend, verkehrt zwischen den Ortschaften ein ‚Grenzland-Bähnchen‘, das kundengerecht über „60 Sitzplätze mit Rollstuhlabteil“ verfügt.

Dies also ist die Landschaft, in der sich befreit auftrinken lässt…

Teil 2 demnächst. Hier!

Allgemein Auswärts Essen & Trinken Menschen

Bewegung im Ruhestand Teil 2

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Endlich daheim! Zu Gast in der Pfalz

Dies also ist der Klangteppich, vor dessen Hintergrund sich befreit auftrinken ließe. Dabei haben wir es hier mit einem Eldorado des Rentnerwesens in seiner rechtschaffendsten Form zu tun. Wer hier, am südlichsten Zipfel der Pfalz freundlich sitzt, vermittelt einem das Gefühl, am Ende des beruflichen Lebens angekommen zu sein. Jeder Schluck erzählt davon, sich den Ruhestand verdient zu haben. Handwerker, Angestellte, Gewerbetreibende. Natürlich könnte man einräumen, dass die Genussfähigkeit der Anwesenden eine absehbar endliche ist. Umso lustvoller trinkt man hier seinem fernen, doch unbestimmtes Ende entgegen.

Hätte man früher vielleicht seinen Schrebergarten gepflegt, so hat es die innnerstädtische Verdichtung besorgt, dass diese Oasen des unmittelbaren Naturerlebens zu Bauplätzen für Fertighäuser im Toskanastil umfunktioniert wurden. So bleibt dem Rentner nur, sich andersweitig zu orientieren. Hier hilft die Regiokarte der Bahn, die zu überschaubarem Preis den Bewegungsspielraum der Früh-verrenteten sicherstellt, und als dessen fröhliches Ergebnis wir in Schweigen-Rechtenbach eine beachtliche Anzahl von Gästen finden, die aus Heidelberg, Mannheim oder Ludwigshafen angereist sind.

Doch sind es nicht allein die Weine, der Saumagen oder die saisonal angebotenen Russischen Eier, die die Gäste hierher locken. Es ist mehr als das.    Gaststätten, die gerade dem älteren Gast mit einer gewissen Fürsorglichkeit begegnen, gibt es in der Pfalz viele. Und doch wird punktuell offensichtlich, dass das allein nicht immer ausreicht.

Der Rentner von heute will mehr geboten bekommen. Würde mit den Gästen stets pfleglich umgegangen, erinnerte das Gebotene an betreutes Wohnen. Im vorliegenden Fall trifft das nur eingeschränkt zu. Hier ist die gelegentliche Ansprache eine andere. Ja, man könnte von einer Erlebnisgastronomie sprechen.

So kommt man nicht umhin, das Personal mit seinen je verschiedenen durchaus unterhaltenden Charakteren näher zu betrachten. Da wäre zunächst mal der Chef. Er ist eine Persönlichkeit, die in ihrer Komplexität verstanden werden will, und die mit ihrem etwas schrägen Humor Neuankömmlinge manchmal verstört. Doch tut man gut daran, die laut aufbrausenden Worte des Wirts als Teil einer Show zu begreifen, dessen vermeintliche Ruppigkeit meist wundersam in einem Lachen endet. Er ist halt, wie er ist, sagen die Stammgäste und registrieren amüsiert die Irritation der Neuankömmlinge.

Wie in der Commedia d’ell Arte, agiert auf dieser südpfälzischen Bühne auch noch ein Tolpatsch, der, vom Chef täglich malträtiert, doch um keinen Preis der Welt irgendwo anders arbeiten wollte. „Lakai, Lakai, Lakai“, stößt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, wenn der Oberste ihn üblerweise mal wieder als solchen bezeichnet hatte. Letztlich versöhnt mit seinem harten Los zeigt er sich erst, wenn ihm Stammgäste beim Verlassen des Hauses ein ordentliches Schmerzensgeld zustecken. Es ist eine Bühne mit durch die Bank charaktervollen Darstellern

Doch beschränkt sich das nicht allein aufs Personal.

Drüben, nahe beim großen Strauch, sitzt eine Frau in Begleitung ihres Mannes. Sie ist – wie man so sagt – „gut beieinander“. Ihr großer Busen wird nur mit Mühe gefasst von einem giftgrünen, mit feinen Goldfäden durchwirkten Pullover. Als die Bedienung an den Tisch kommt, um die Bestellung aufnehmen, bestellt die Dame einen ‚Pfälzerteller‘. Von der Bedienung gefragt, was es denn für den Herrn sein dürfe, wird sie von der Gattin knapp beschieden: der esse heute nichts; der müsse das „Gebiss schone“.

 

 

 

Allgemein Institutionen Menschen

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

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Winfried Kretschmann: trauriges Ende einer Dienstfahrt.

Heute also erreicht uns die Nachricht, dass ein Politiker – in diesem Fall der üblicherweise überaus bedächtig sich präsentierende Ministerpräsident des Bundeslandes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann – verunfallt ist. Das Ergebnis: drei demolierte Fahrzeuge und, was noch schlimmer ist, zwei Schwer- und ein Leichtverletzter. Winfried Kretschmann selbst war nichts passiert. Er wird die Amtsgeschäfte wieder unverzüglich aufnehmen.
Das mag man gutheißen oder nicht. Tatsache aber ist, dass das unfallverursachende Begleitfahrzeug nur so schnell fuhr, wie der Wagen des MP fährt. Dessen Fahrzeug wiederum war nur so schnell gefahren, wie der Herr Ministerpräsident es wünschte. Trotz Starkregens auf der A 81 hatte also der Lenker einer grüngeführten Landesregierung seinen Fahrer angewiesen, es jetzt man ordentlich krachen zu lassen. Termine. Sicher.

Man braucht hier jetzt nicht hämisch auf die Forderung der Grünen zu verweisen, auf den Autobahnen Tempo 120 einzuführen. Tatsache aber ist, dass es selbst einem Normalfahrer immer mal wieder auffällt, wie rücksichtlos die Politikerkaste von ihrem vermeintlichen Vorrecht Gebrauch macht, auch bei schlimmsten Witterungsverhältnissen ein Fahrverhalten an den Tag zu legen, wie sie es in Ihren Reden immer geißeln. Man könnte auch sagen: sie fahren wie die Bekloppten. Mit meist zwei Begleitfahrzeugen brettern sie dann über die Autobahnen, dass es einem erschrocken auf die rechte Spur wechselnden Normalfahrer nur Angst und Bange werden kann. Ihr Reich scheint nicht von dieser Welt.

Termindruck? Das sicher.

Und doch: nehmt euch Politiker nicht so wichtig. Und haltet Euch an das, was ihr von uns, dem Wähler, immer fordert. 

Allgemein Stadtstreicher

Ein Freund, ein guter Freund…

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Letzten Sonntag, an der Haltestelle ‚Leopoldsplatz‘, ziemlich weit entfernt vom hektischen ‚Leo‘ – dort wo die Busse kreuzen und das verkehrsmäßige Herz unserer liebenswerten Kurstadt schlägt. Dort also hatte ich ein kleines, stilles Erlebnis, das es wert ist, hier festgehalten zu werden.

In Erwartung eines Busses nähert sich der Haltestelle eine Dame mittleren Alters und ziemlich stark gebaut. Die Absätze der Schuhe waren unter ihrem Gewicht schräg abgetreten; an ihrem dicken Unterarm baumelte eine lächerlich kleine Handtasche, die vom Inhalt stark ausgebeult war. Ihr zur Seite ein zotteliger kleiner Hund, erkennbar schlanker als sie. In seinem Aussehen fanden sich ungefähr drei Väter wieder. Die Dame, von einem Hauch Kölnisch Wasser umflort, nähert sich nun der Wartebank. Da das Hundchen leichter ist, erklimmt es mit großer Leichtigkeit die Sitzbank, bleibt aber zunächst noch stehen und wartet auf seine Herrin. Diese nimmt ächzend Platz, öffnet unmittelbar danach ihre Handtasche und zieht daraus ein gelbes Tuch hervor. Dann legt sie dieses auf die Bank. Der Hund steigt auf das Tuch, fährt sich mit der Zunge über die Schnauze und nimmt Platz. Jetzt sitzen beide.

Es nähert sich nun eine zweite Dame, nicht so stark gebaut, dafür aber deutlich älter. Sie setzt sich neben das Tierchen und blickt starr gerade aus auf die Strasse. Ob sie den kleinen, gefleckten Nebensitzer überhaupt bemerkt hat, ist zunächst noch unklar. Noch schaut sie nach vorne. Der Hund aber hat jetzt Witterung aufgenommen und schaut sie von der Seite her lange an. Dann schnuppert er wieder. Große Ruhe auf der Bank. Beide schauen jetzt wieder gerade aus. Stille. Und kein Bus weit und breit.

Plötzlich aber wendet sich das Hundchen erneut seiner Nebensitzerin zu, schnuffelt noch einmal vorsichtig, dreht den kleinen Kopf etwas zur Seite, als wolle er sie von vorne betrachten. Dann hebt er die Pfote, die die Dame – zu guter Letzt hat sie es bemerkt! – lächelnd ergreift. So bleiben beide eine lange Weile still sitzen.

Was soll man dazu sagen? Vielleicht dies: Ehrliche Freunde sind oft näher als man denkt. Und manchmal haben sie sogar vier Beine.

Allgemein Menschen Texte / Poesie

Der Mann ganz vorne  

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hören wir uns leise Seufzen. Schlimme Sache, klar. Aber irgendwann soll es auch gut sein. Zumindest hier bei uns. Also machen wir jetzt mal etwas anderes. Wir bringen eine Geschichte aus dem wirklichen Leben. Recht lustig soll sie sein. So, wie das Leben halt manchmal ist. Wir teilen sie in drei Teile. Und dann  hängen wir die Teile aneinander. Man kann die drei Folgen aber auch kopieren und ausdrucken. Na, sowas. Also jetzt geht’s los:

Der Mann ganz vorne                                                                  Folge 1

Weich eingebettet liegt das Sendezentrum inmitten grüner Hügel. Im Inneren reges Treiben, auch im vierten Stock, am Ende des Flurs. Dort arbeitet hinter einem riesigen, noch vom Vorgänger stammenden dunkelbraunen Schreibtisch der Hauptabteilungsleiter Wilhelm Reger, dessen konsequent durchgeplan-ter Werdegang ihn nach Abschluss eines Studiums der Jurisprudenz ihn zunächst zum Referenten des Fernsehdirektors führte. Von da aus war es, nach dem Weggang seines Förderers, nur ein kleiner, aber bedeutender Schritt hin zur Stelle eines Abteilungsleiters.

Durch das großen Bürofenster die kleine Stadt weit unten betrachtend, fiel fortan immer mal wieder sein Blick auf den Gummibaum zu seiner Rechten. Dort ruhte, wenn es der Linderung bedurfte, sein Auge sanft, vor allem dann, wenn Ruhe einkehren sollte in seinen unruhigen Sinn. Marterte ihn eine der Aufgaben, die das Amt so mit sich brachte, fand er Ruhe beim Betrachten der Pflanze, dessen fette Blätter stets von Frau Maller abgestaubt und dessen trockene Erde mittels einer kleinen kupfernen Gießkanne mit weit ausladendem Schnabel aus poliertem Kupfer bewässert wurde.

Vor allem Personalentscheidungen waren es, die ihm bisweilen Kopfzerbrechen bereiteten. Zwar war es keineswegs so, dass er nicht über das nötige Maß an Härte verfügt hätte, die ein so herausragendes Amt fordert. Da konnte er durchaus ein entschlossenes Vorgehen an den Tag legen. Nein. Es war die das Amt so unbequem machende Ambivalenz zwischen einerseits nötiger Härte, andererseits dem Wunsch, die von einer Entscheidung Betroffenen würde diese, wie er ja schließlich auch selbst, als übergeordnet und notwendig einsehen. Zunächst ließe sich sagen: alle ziehen am selben Strang. (Doch wäre in diesem Fall präziser: der eine zieht, der andere hängt). In solchen unkommoden Momenten sah er sich lediglich als Überbringer, nicht als der Verursacher einer schlechten Nachricht. Diese für beide – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – unangenehmen Gespräche pflegte er möglichst rasch und mit einem finalen „Nichts für ungut“ oder auch „Nehmen sie’s nicht persönlich“ ausklingen zu lassen, hoffend, dass sich das Thema für ihn danach erledigt hätte und er aus der Nummer raus sei.

Bisweilen aber gelang es ihm, einfach abzutauchen und das für ihn höchst Unangenehme mit einer Geste, die er für durchaus angemessen hielt, von sich zu schieben. So z.B. als auf einen fernen Ratschluss hin die ihm unterstellten Fernsehansagerinnen vom für sie so ungemein wichtigen Bildschirm verbannen sollte. Es wäre jetzt also an ihm gewesen, die Exekution klar zu kommunizieren. Jedoch glaubte er durchaus darauf vertrauen zu dürfen, dass sich dies im Kreise der Damen – und es waren ausschließlich solche – bereits rumgesprochen hätte. So sah er sich von der Last, die letztlich bittere Wahrheit zu überbringen, ent-bunden. An einer den Schmerz lindernden Geste aber sollte es nicht fehlen. Er bat den Hausmeister, in der Kantine Getränke zu besorgen. Je einen Kasten Bier und eine Kiste FANTA. Beide. Kasten und Kiste, möge er doch bitte in den Aufenthaltsraum der Damen bringen. Das Maß der Fürsorglichkeit erweiternd, regte er an, auch noch einen Flaschenöffner mit kurzer, aber nicht zu kurzer Schnur am Kasten zu befestigen. So ein Flaschenöffner ginge nun mal leicht verloren. Und bitte nicht vergessen zu sagen: man möge sich bedienen.

Farblich gesprochen war dieser Alltag grau. Mal mehr, mal weniger, aber letztlich doch grau.

Dann aber zeichnete sich überraschend ein Heute ab, das versprach, Farbe ins Leben zu bringen. Die Stelle eines Hauptabteilungsleiters ‚FS-Unterhaltung’ war überraschend frei geworden; es galt sie zu besetzen. Man suchte jemanden, dem zuzutrauen war, dieses hauspolitisch eigentlich bedeutungsarme, doch für das Erbringen von Einschaltquoten nicht unwichtige Amt auszufüllen. Nachdem er also schon einmal bewiesen hatte, dass er als Vorgesetzter imstande war, sich ohne viel Federlesens und in der gebotenen Stille von subalternen Mitarbeiterinnen zu trennen, hatte er sich daran anschließend für weitere, höhere Aufgaben empfohlen.

Jetzt also galt es, sich in einem neuen Amt zu versuchen, und dank des Appendix’ ‚Unterhaltung’ taten sich für ihn selbst überraschend eine Fülle neuer Möglichkeiten auf, von denen er sich eine gewisse Freiheit versprach. Zum einen durfte er amtsbedingt darauf hoffen, der strengen Kontrolle seiner Gattin zu entkommen. Sie hatte ihn nach zeitweilig ausufernder nachdienstlicher Einkehr in der funknahen Kneipe („happy hour“) in zunehmend ruppigem Ton zu alsbaldiger Heimkehr genötigt. Zum anderen aber wiesen ihm die in Zukunft anstehenden Außenproduktionen von Fernsehshows einen durchaus gangbaren Weg zu möglichem Lebensgenuss.

„Der Himmel ist hoch und der Zar ist weit“, pflegte er dann zu sich selbst zu sagen, sah er sich doch in Zukunft befreit von häuslich-familiärer Enge, aber auch von den lästigen Pflichten eines durchbüro-kratisierten Alltags innerhalb des Betriebs.

Zudem versprach sein neues Tätigkeitsfeld eine Fülle neuer Möglichkeiten, sich einladen zu lassen. Keine Produktion ohne Arbeitsessen mit den Kooperationspartnern, keine glücklich zu Ende gegangene Live-Sendung, die nicht in einer sogenannten ‚Afterwork Party’ ihren verdienten Abschluss gefunden hätte. Immer mit Alkohol, oft mit Gesang, ja, manchmal sogar mit Tanz. Sah man ihn anfänglich noch etwas unsicher am Rande stehen, mit einem Bier in der Hand sich vorsichtig und ungelenk zur Musik bewegend, so gewann er zunehmend Sicherheit, bis er dann zu vorgerückter Stunde und von allen bejubelt, tänzelnd ins Geschehen eingriff. Soviel Vergnügen war noch nie.

Später, viel später, nun im Ruhestand, hätte man ihn manchmal noch in der Stadt sehen können beim fast rührenden Versuch, wenigstens zeitweise den fürsorglichen Fängen seiner Gattin zu entkommen. Denn plötzlich war seine Anwesenheit, da ja nun ohne Amt, nicht mehr länger gefragt. Ein Anderer war jetzt an seine Stelle getreten. Vorbei die vielen Einladungen, all die Schmeicheleien. Was blieb, war die schmerzliche Einsicht, dass man ihn über all die Jahre seiner beruflichen Stellung, nicht aber seiner eventuellen Liebeswürdigkeit wegen eingeladen und hofiert hatte. Es sollte ein langer Winter werden.

So blieben ihm jetzt vor allem das Warten auf die seltener werdenden Verwandtschaftsbesuche und – häufiger – kleine Besorgungsgänge in die Innenstadt, die sich im alltäglichen Einerlei als willkommene Abwechslung anboten. Dazu trug er ein kleines, grünes Rucksäckchen, aus dem, wann immer ich ihn später noch sah, ein einsamer Lauchstengel ragte. Nach dem Einkauf ging er wieder nach Hause, ein zunehmend grauer Mann mit seinem aus dem Rucksack ragenden Gemüse, das immer etwas traurig zu winken schien, bevor dann beide, als hätte es sie nie gegeben, im Dunkel der Alleebäume verschwanden. Und immer war mir, als hätte dieser schwankende Stengel etwas von der Trauer eines Kindes an sich, das mitten aus dem Spiel gerissen, den anderen Spielkameraden noch zuwinkt, ehe es nach hause muss.

Doch noch war es nicht soweit…. Fortsetzung folgt

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