Der Badenblogger » Januar 2017

Monthly Archives: Januar 2017

Allgemein Malen & Schnitzen

„Es bedürfte einer Palette mit Diamanten und Juwelen…“

Published by:

Claude Monet in der ‚Fondation Beyerler‘ in Riehen/Basel

‚Amuser les yeux’ – mit diesem charmanten Spruch bezeichnet man in Frankreich das Vergnügen, sich im Geschäft ein bisschen umzusehen. „Die Augen amüsieren“ – das csm_Monet_Portrait_ART188735_LAC_438x300mm_4a85af2d6dhätte – tiefgestapelt – auch das sein können, was die Ausstellung „Monet“ im Museum Fondation Beyeler in Riehen/Basel uns bietet. Um es geboten stark auszudrücken: es ist mehr als ein bloßes Vergnügen.

Diese Schau ist eine Augenweide. Soviel Schönheit war selbst dem Kurator der Ausstellung, Ulf Küster, fast schon ein bisschen peinlich. Deshalb verwendete er in seinem einführenden Vortrag ziemlich viel Zeit darauf, für sich und uns zu begründen, warum wir angesichts des Zustandes der derzeitigen Welt uns das Vergnügen einer derart opulenten Ausstellung gönnen dürfen.

Die Kunstschau befasst sich mit den Werken Monets zwischen den Jahren 1880 und dem beginnenden 20. Jahrhundert. 62 Werke werden gezeigt, für die als Leihgeber die größten Museen der Welt angeführt sind. Musee d’Orsay, Metropolitan Museum, New York sind nur zwei davon, die für all die Anderen stehen mögen. Hinzukommen noch die Werke von 15 privaten Leihgebern, die ihre Werke selten für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Ebenfalls gezeigt ‚La Meule au Soleil’, das erst kürzlich für 81,4 Dollar bei Christie’s in New York versteigert wurde.

Die Ausstellung, räumlich gesondert, ist nach Themen gruppiert. So z.B. das Thema Bäume, die den Künstler immer wieder fasziniert hatten. Dann die Bilder, die sich mit der Seine befassen, der Fluss, der ihm, wie so vielen anderen französischen Künstlern, immer und immer wieder Inspiration für ihren künstlerischen Ausdruck war, ob mit winterlichem Eis oder bei Sonnenuntergang.csm_Monet_Sunset-on-the-Seine-in-Winter_LAC_223x300mm_484e72d0c5

csm_Monet_Charing-Cross-Bridge_LAC_237x300mm_17e5abe8a8 Dann London. Des Künstlers Aufenthalt hat sich in wunderbaren Bildern niedergeschlagen, die den Betrachter im Auflösen des gemalten Motivs an den großen englischen Maler William Turner erinnern. Waterloo- und Charing Cross – Bridge, das britische Parlament, allesamt Motive, die in unterschiedlicher Lichtstimmung und im Nebel sämtliche Formen nahezu verschwinden lassen und Monets Kunst fast schon ins Abstrakte verweisen. Und uns auch daran erinnern, wie ‚modern’ Turner’s Kunst doch letztlich war. Dieser war bereits 1851 verstorben.

Neben den vielen gezeigten Werken sollte man hier vielleicht besonders hervorheben das große, querformatige Bild ‚Le Bassin Aux Nympheas’, durch dessen Erwerb der Gründer des Museums, Ernst Beyeler, angeregt worden war, das Museum in Riehen zu gründen und das sich im Besitz der Stiftung befindet. Ebenfalls in der Sammlung befindet sich das in der Ausstellung gezeigte Bild ‚La Cathedrale de Rouen’, ein Gemälde aus einem Zyklus, der diese Kathedrale in 20 Variationen zeigt, von denen jede einzelne sich je nach Tageszeit und Lichtstimmungen unterscheidet. Zwischen 1892 bis 1894 gemalt, hatte sich Monet für längere Zeit immer wieder in eine Wohnung Claude_Monet_-_Rouen_Cathedral,_Facade_and_Tour_d'AlbaneIgegenüber der Frontseite der Kirche einquartiert und war gänzlich verzweifelt, als er die Serie fortsetzen wollte und ihm die Wohnung als ‚Ausgangspunkt’ nicht mehr zur Verfügung stand. Wie sehr ihn das Thema beschäftigte, auch quälte, mag man daraus ersehen, dass er zeitweise an 14 Leinwänden gleichzeitig arbeitete.

Dann aber immer wieder auch der Süden, das Meer, dessen Licht und Farben ihn begeisterten und gleichzeitig herausforderten. „Es ist schrecklich schwierig“, schrieb er an Theodore Duret 1884, „es bedürfte einer Palette mir Diamanten und Juwelen“. Nun – so ganz weit davon war er nicht, wenn er im Bild ‚La Corniche De Monaco“ die sich emporschlängelnd e Küstenstraße malt. Unzählige Freunde der Yellow Press und Kenner des Fürstenhauses von Monaco werden sich beim Betrachten des Bildes daran erinnern, dass es eben diese damals noch nicht asphaltierte ‚Corniche’ war, deren kurvenreiches Geschlängel der Fürstin Gracia Patricia zum Verhängnis wurde.SK-A-1892

So bietet die Ausstellung für so Viele wunderbar Vieles. Vor allem aber ist sie eine fulminante Schau der großen Werke eines der größten Maler der damaligen Zeit, deren Betrachten geeignet ist, uns zu zeigen, dass es auf der Welt durchaus mehr gibt als diese derzeit wild um sich schlagenden Größenwahnsinnigen. Diesen ein gemaltes Trotzdem entgegen zu setzen – gerade dies kann und muss große Kunst leisten dürfen.

Allgemein Essen & Trinken

Hauptsache: Gans gut – Teil 1

Published by:

20161229_151958Die PRAGER STUBEN in Baden-Baden. Daheim in der Fremde

Nach Baden- Baden sind schon viele gekommen.

Ganz zu Anfang waren es die Römer, die kamen. Sie wurde angelockt durch die Heilkraft der Quellen. Jahrhunderte später dann ein Franzose. Er hieß Jacques Bénazet und gründete eine Spielbank. Ihn lockte ihn die Heilkraft des Geldes. Dann kam die russische Zarenfamilie. Sie schätzte an der damaligen Sommerhauptstadt Europas das gute Klima und die Lichtentaler Allee. In ihrem Gefolge die russischen Dichter. Sie kamen, weil alle schon da waren. Unzählige Andere aber waren im Laufe der Jahrhunderte auch noch gekommen. Einer davon kam aus der damaligen Tschechoslowakei. In den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts beschließt er, sich ebenfalls in Baden-Baden niederzulassen. Als Gastronom will er an die Tradition des west-östlichen Miteinanders anknüpfen und eröffnet ein Restaurant, das er die ’Prager Stuben‘ nennt.

Ein Sehnsuchtsort, zentral gelegen im sogenannten ‚Bäderviertel‘, nahe der heißen Quellen und nicht weit von der Spielbank. „Zurückversetzt in die Blütezeit der ewigen Stadt Prag“. Schon solche Formulierungen auf der Website lassen ahnen, dass es sich im Falle der ‚Prager Stuben‘ um einen Anachronismus handelt. Vielleicht ist dieses Lokal nie wirklich aktuell gewesen. Jedenfalls scheint es, als wäre im Laufe der Jahre weder Neues dazu- noch Altes weggekommen. Immerhin. So, wie es sich derzeit präsentiert, scheint die ‚Prager Stube‘ ein Refugium des Slawentums zu sein.

Wer anmerkt, dort würden Gäste aus aller Herren Länder verkehren, sollte hinzufügen, dass es überdurchschnittlich viele Russen, Tschechen, Polen dorthin zieht. Dorthin, wo der Geist des Soldaten Schweijk bemüht wird, um Identität zu stiften. Wo im Nebenzimmer verbeulte Blasinstrumente an der Wand hängen, die dem Gast suggerieren, dass, würde man sie vom Staub freiblasen, eine Böhmische Polka erklänge.

‚Alles muss sich ändern, damit es bleibt wie es ist‘. Was für alles gilt, gilt nicht für die ‚Prager Stuben‘. Da ändert sich gar nichts. Und alles bleibt, wie es ist. Da wäre zunächst einmal besagte Mastgans, die seit Jahren täglich frisch gebraten, im Eingangsbereich des Lokals liegt, um dort, gleich hinter dem schweren Vorhang, mit ihrem Bratenduft den Gast ins Innere des tschechischen Restaurants zu locken. Der Wirt weiß, was er macht. Das Konzept geht auf. Der Lockvogel wirkt.

Heute z.B. könnte eine fünfköpfige russisch sprechende Familie dem Duft erlegen sein, weshalb man sich gleich an dem runden Tisch links vom Eingang niedergelassen hat. Vater, Mutter und zwei Kinder. Und dann noch die Oma. Später werden auf dem Tisch drei gebratene Gänse in weitgehend abgenagtem Zustand stehen; offensichtlich hat es geschmeckt. Nur die Gans Nummer vier wird noch bearbeitet. Über sie beugt sich die ältere Dame, deren überschwerer Pelzmantel am weißgestrichenen Kleiderständer hängt. Ihr karottenfarbig strähniges Haar wird von einer grobmaschig gehäkelten Mütze zusammengehalten, die dem Schonbezug einer Bettflasche ähnelt. Die fünfte Gans scheint bislang kaum angerührt. Zuvor hatte die Familie schon eine Gemüsesuppe gegessen. Der Ober hatte sie aus einem elektro-beheizten Behälter geschöpft, der ebenfalls in Eingangsnähe steht. Rund und dickbauchig ähnelt er mit seinen vier abstehenden Griffen einer frühen Schiffsmine. Und die drei Messing-Füße erinnern an die Standbeine einer Rakete aus einem Sience Fiction Roman von Jules Verne.

Die Mutter gibt sich zeitgemäß….

 

Demnächst gibts mehr davon: Teil 2…

Allgemein Essen & Trinken

Hauptsache: Gans gut – Teil 2

Published by:

20161229_151901

Auch der Fisch ist eine Spezialität des Hauses

Die ‚PRAGER STUBEN‘ in Baden-Baden. Daheim in der Fremde

Die Mutter gibt sich zeitgemäß. Sie trägt einen lila Pullover mit eingewirkten Goldfäden von zweifelsfrei provinzieller Eleganz. Zum wiederholten Mal bedient sie sich an der Salattheke, deren Kühlaggregat wie zu sehen die Temperatur immer zwischen 7,2 und 10,8 Grad pendeln lässt. Dem darüber hängenden Stillleben – alter holländischer Meister, frühes 17. Jahrhundert – wird die Temperatur egal sein, wie auch der auf dem Bild gemalten Ente, deren Kopf merkwürdig verdreht den Betrachter anblickt.

Über all das hat der Wirt ein waches Auge. Er steht hinter seinem mattweiß lackierten Tresen, der dem Partyraum eines Bauunternehmers in den Siebzigern alle Ehre gemacht hätte. Hängender Aufbau, hängende Gläser. Über dem Tresen eine holzfarbige Uhr, die an irgendeinem längst vergangenen Tag um 15,32 Uhr stehen geblieben war. Vielleicht hatte man sie nicht mehr aufgezogen, vielleicht aber hatte sie einfach beschlossen, dass es jetzt genug sei. Dieser Ansicht ist der Wirt nicht. Geschlossen wird, wenn der letzte Gast gegangen ist. Immer wieder durchschreitet er den Raum, eine massige Gestalt. Dem Gewicht des Bauches versucht er mit einem durchgedrückten Hohlkreuz etwas entgegen zu setzen. Ein Blickfang, vor allem aber auch die Schürze, die er Tag für Tag trägt. Darauf erkennt man das Motiv eines Anzugsakkos. Aufgedruckt auch eine darunter getragene roten Weste nebst Fliege. Niemand kann sich erinnern, ihn je in anderer Aufmachung gesehen zu haben. In seinem Wirteleben muss er hunderte dieser Schürzen aufgetragen haben. Dass er gebürtiger Tscheche ist, steht außer Frage, denn wer sonst wüsste auf seiner Website von einer Pfarrersköchin Rosinka zu berichten, die mit dem altböhmischen Tafelspitz „die uneingeschränkte Zuneigung des Konsistorialrats Povondra gewann und ihn bis zu seinem 108 Lebensjahr damit verwöhnte“. Geschichten. Legenden.

Ganz real aber ist das tschechische Bier…

 

…und demnächst gehts weiter. Mit Teil 3

Allgemein

Hauptsache: Gans gut – Teil 3 und Schluss

Published by:

Die PRAGER STUBEN in Baden-Baden. Daheim in der Fremde.

20161229_151934Ganz real aber ist das tschechische Bier.

Ausgeschenkt wird ‚Pilsner Urquell‘ und ‚Budweiser‘ vom Fass. Die Preise? So wie die Mastgans. Gesalzen. Mit € 5,90 für einen halben Liter liegt der Preis nur noch knapp unterhalb des Preises für Druckerflüssigkeit, was aber die Mehrzahl der Gäste nicht kümmern wird. Wer gewohnt ist, seine Scheine gerollt aus der Tasche zu ziehen, denkt in anderen Dimensionen. Die Preisgestaltung ist jedenfalls der aktuellen Situation angepasst.

Doch anderes scheint irgendwie von gestern. Zum Beispiel ein Ober namens Gerhard, den hier aber jeder französisch ausspricht und der, wie die Mastgans, zum Inventar gehört. Er war schon immer da. Spindeldürr und lang, mit schwarzem Anzug und weißem Hemd, dazu die Tränensäcke, verkörpert er eine Figur aus der Zeit, als der Vorhang noch eisern und in Prag noch der Geruch von Kohleöfen in der Luft hing. Lange graue Haare, ein hängender Schnauzer, dazu ein Bowler, der ihm vor mehreren Jahren ein Gast geschenkt hatte. Dies alles lässt ihn wie eine Figur erscheinen, die in den frühen Filmen von Werner Herzog eine adäquate Besetzung gewesen wären. Seine Frau, soviel war zu erfahren, ist seit mehreren Jahren tot, und was ihn auch lange nach Renteneintritt noch in den ‚Prager Stuben‘ hält, ist vielleicht – wie es der immer reisende Bruce Chatwin formuliert hat – ‚Horreur du domicile‘, die Angst vor dem eigenen Heim. „Daheim, was soll ich da?“, sagt er und bringt das Bier.

Jeden Abend so gegen halb zehn betritt er mit Plastiktasche und Tupperware eine kleine Kneipe, nicht weit von seinem Arbeitsplatz. Dort wartet bereits die Wirtin auf ihn. Er wird später wiederkommen, viel später, wenn er die Kasse gemacht hat, um sich dann nach Mitternacht sein vorgekochtes Abendessen zu holen, und nie würde die Wirtin schließen, ohne dass Gerhard, den auch sie französisch ausspricht, da war, um nach einem langen Arbeitstag daheim noch etwas Warmes zu sich zu nehmen. Noch aber ist es nicht so weit.

Die vier Gänse auf dem runden Tisch nahe dem Eingang sind nur noch Gerippe. Lediglich die fünfte Portion scheint merkwürdig unangetastet. Den massigen Herr mit seinem rund-roten Gesicht, Krawatte auf Halbmast und offenem Kragenknopf, kümmert das nicht. Die vor ihm stehende lang schon erkaltete Gans hat er kaum angefasst. Nur die Zigarette hat er an ihrer röschen Haut ausgedrückt. Auf die Frage des Personals, ob abgetragen werden soll, reagiert er unwirsch. Ob man nicht sehe, dass er mit seinem Essen noch nicht fertig sei? Dann schiebt er seine Gabel in die mittlerweile kalte Gans, sehr darauf bedacht, beim Verzehr des Fleisches die Stelle, an der er seine Zigarette ausgedrückt hatte, auszusparen.

  • Archive

  • Besucher

    Total Visitors
    1166616
    771
    Visitors Today
    70
    Live visitors