Der Badenblogger » Dezember 2024

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Stadtstreicher

Besser zu zweit

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Foto 2Dort, in der Sophienstraße, wo Baden-Baden ein bisschen an Münchens Maximilianstraße erinnert, und wo die Einkaufstüten von Hermes und Escada den Winterpelz auf Anmutigste schmücken, kann man in diesen Tagen ein schönes Beispiel der Entschleunigung sehen. Jetzt, da das jetzt fast schon vergangene Jahr sich seinem baldigen Ende zuschiebt, erleben wir dort einen älteren Herrn mit seinem wirklich sehr alten Hund beim täglichen Spaziergang auf dem breiten Spazierstreifen der Allee. An sich nichts Besonderes. Allerdings auf, wie behutsam, ja, man muss  fast sagen, sorgsam und altersgerecht der eine mit dem anderen umgeht. So hinfällig jeder für sich selbst ist, so sehr nimmt er doch auf den anderen Rücksicht. Erst geht der ältere Herr ein paar Schritte, dann wartet er auf seinen Hund. Der wiederum kommt langsam heran, geht an seinem Herrn vorbei, blickt sich um, und wartet, bis, ja, man möchte fast sagen: Gleichstand erreicht ist. So schiebt sich das alte Duo allmählich vorwärts. Einer wartet, bis der andere nachkommt. Der Fortschritt ist halt manchmal eine Schnecke.

Unter all den guten Wünschen, mit denen wir den Jahreswechsel begleiten, sollte auch der sein, dass die beiden sich noch lange haben. Eine schöne Schicksalsgemeinschaft. Beide brauchen sich. So geht es voran. Zwar langsam, aber immerhin. Das wünschen wir für uns alle, ganz besonders aber für die beiden in der Sophienstraße.

Denen ganz besonders ein schönes und vor allem gemeinsames Fest. Zu Zweit fällt er halt leichter: der Schritt ins Neue Jahr!

Allgemein Essen & Trinken Kultur

Oh Hl. Bimbam

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Kann man Weihnachten übertreiben? Ja, es geht. Nicht nur in Baden-Baden.

Wer im vorweihnachtlich gestimmten Baden-Baden nicht gerade selbst in froher Erwartung ist, wird die baldige Ankunft des Krippenkindes mit all seinen Nebenwirkungen eher als Zumutung empfinden. Anlassbedingt überschwemmen derzeit Tausende von Touristen die Innenstadt. Natürlich die obligatorischen Franzosen, Schweizer und Amerikaner, vereinzelt aber aber auch schon wieder Chinesen. Sie alle kommen nach Baden-Baden, um ‚the real Christmas – Event’ zu erleben. Den etwas abseits geparkten Bussen entstiegen, nähern sie sich der Innenstadt. Schon anfänglich fast trunken vor Heilserwartung, lässt sich auf dem Christkindlesmarkt dieser beseelte Zustand durch das Zuführen von Glühwein noch kräftig steigern. Fortan sieht man alles doppelt. So etwas nennt man ein Lichtermeer.

Hinzu kommen die jüngst Zugezogenen. Nach dem Angriff auf die Ukraine hat sich die Zahl der jährlichen Weihnachtsmarktbesucher durch den Zuzug russisch/ukrainisch sprechenden Flüchtlinge noch deutlich vermehrt. Bis vor nicht allzu langer Zeit waren es zunächst nur die hier ansässigen Russen. Baden-Baden, ein Sehnsuchtsort.

Nachdem die Russen 1918 im Zuge der Russischen Revolution den Zar und seine Familie umgebracht hatten, entdeckten deren Nachfahren hier in Baden-Baden die ‚gute alte Zeit‘. Dazu gesellen sich jetzt aber nun eine große Anzahl vor dem Krieg geflüchteten Ukrainer. Noch scheinen die beiden Volksgruppen einvernehmlich nebeneinander auszukommen. Immerhin eint beide Gruppen ein auffallender Hang zu selbstgefärbtem Blondhaar und mit Pailletten besetzten Jeans. Weiter gefällt man sich in Strickmoden, deren lilafarbenen Zopfmuster kongenial ergänzen werden durch einen erstaunlichen Hang zu überschweren Parfums.

Die Ortsansässigen sehen sich kaum in der Lage, die beiden Gruppen sprachlich von einander zu trennen. Die Russen werden von den Einheimischen eher mir Argwohn betrachtet. Unausgesprochen wirft man ihnen vor, Putins Expansionskrieg gut zu heißen. Den Geschäftsleuten ist’s egal. Überall werden Arbeitskräfte gesucht. Zudem geben sich die in die Zugewanderten große Mühe, Deutsch zu lernen, was insofern nicht weiter verwunderlich ist, als dass die hier bereits sich heimisch fühlenden Deutschrussen heftig darauf bestehen, als Ur- Deutsche zu gelten. Ansonsten pflegt man die Liebe zur slawischen Heimat und deren kulinarischen Köstlichkeiten.

Wer z.B. hier nach dem authentischem Borschtschgenuß sucht, sieht sich hier vom „MixMarkt“ der Monolith Gruppe – ein Großhändler für den Export slawischer Produkte – bestens versorgt. Gegen Heimweh hilft z.B. der Genuss von ‚Rjaschenka‘. Ein Festmahl kann man mit ‚Plombir‘ oder einem Speiseeis der Marke ‚Eskimo‘ abschließen. Wem das noch nicht reicht, der wird auf der Suche nach einer weiteren Zumutung in der Mitte der Stadt fündig. Dort trifft man auf den „Löwenbräu-Keller“ mit seinem Biergarten. Wie in jedem Winter wurde er auch dieses Jahr wieder saisonal umfunktioniert.

Wer sich also nach Borschtsch verzehrt, wer Geschmack findet an eingearbeitetem, blondem Falschhaar – dem wird beim Anblick dieses weihnachtlichen Ensembles das Herz aufgehen. Selbst wenn man die Deko Orgie elsässischer Vorgärten mit all ihren Gipszwergen, farbigen Störchen und ‚Hansi‘-Figuren als Vergleich heran zieht, selbst dann darf man das dortige Sammelsurium als einen Meilenstein der Geschmacklosigkeit ansehen. Nicht ganz frei ohne Bewunderung fragt man sich, in welchen Keller und Ablagen der Gärtner dieser Zauberlandschaft gestöbert haben muss, um mit der Überfülle dieses weihnachtlichen Krimskrams aufzuwarten.

Allgemein Stadtstreicher

Das perforierte Glück

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Irgendwie geht das alte Jahr immer stressig zu Ende. Erst natürlich die Vorweihnachtszeit mit den Geschenken, an deren Nutzwert man ja selber zweifelt. Dann der Hl. Abend mit dem Gebot der Nächstenliebe. Hat man das alles glücklich überstanden, naht Silvester, ein Knaller sozusagen, bei dem man immer vergisst, allen Leuten alles Gute zu wünschen. Und hat man den Jahreswechsel dann endlich geschafft, kann man immer noch nicht sicher sein, die Liste gänzlich abgearbeitet zu haben.

Jetzt stellt das neue, kommende Jahr die Herausforderungen. Ein Taschenkalender muss besorgt werden. Denn man weiß: auch dieses Jahrwerden die bevorzugten Exemplare schnell, allzu schnell vergriffen sein. Da gilt es zu handeln und zwar fix. Wieder Stress.

Dabei ist es die kurze, aber alles entscheidende Spanne zwischen ‚leider noch nicht da’ und ‚leider nicht mehr da’, die konzentriertes, schnelles Kaufen erfordert. Mitten in unserer kapitalistisch durchorganisierten Welt mache ich plötzlich Reste der Planwirtschaft aus, so, als herrsche auf dem Kalendermarkt nicht Nachfrage und Angebot, sondern Übernachfrage und Zuteilung.

In solchen Zeiten ist man nicht gern allein. Jetzt ist die Stunde der Freunde. Sie wissen um meine Nöte, kennen Fabrikat und Format des Taschenkalenders. Zwei Tage auf einer Seite ist ein unbedingtes Muss, ebenso die Perforation am unteren Ende eines jedes Blattes. Und natürlich die Adressenliste!

Wer immer also in diesen Tagen auf der Suche nach Kinderkleidung oder Mehrfachsteckern durch die Kaufhäuser streift und dabei zufällig auf einen solchen Kalender stößt, ist gehalten, umgehend zum Kauf zu schreiten. Selbstverständlich haben meine Freunde unbegrenzte Deckungszusage, überflüssiger Goldschnitt eingeschlossen. Natürlich bin auch ich, sooft es geht, unmittelbar vor Ort.

Der Herr neben mir, wie ich zwischen Radiergummis und Geschenkpapier einem Kalender auf der Spur, hat sich ähnlich organisiert. Auch er klagt über Versorgungsengpässe, die unorthodoxe Maßnahmen notwendig machten und ohne gezielte Informationen kaum zu überwinden seien. Zum Beispiel bei ‚Wagner’, so erfahre ich beiläufig, sei heute morgen nochmal eine Lieferung eingetroffen (wie konnte Heinz das übersehen?), das meiste allerdings aus  Leder (ich bevorzuge Plastik).

Überaus dankbar nehme ich diese Information zur Kenntnis und lasse mich nun auch meinerseits nicht lumpen. Ob ihm denn schon aufgefallen sei, dass die von ihm gesuchten Exemplare der Firma K. mit denen des Hauses Y. nahezu identisch seien? Bei geringerem Preis enthielten diese zudem noch die Seite ‚Verhalten bei einem Notfall auf der Autobahn’ („Vertrauen Sie sich keinem wilden Abschleppdienst an“ – interessant gerade auch für Frauen), dafür vermisste ich allerdings auf der ersten Seite die Spalte mit dem Rhesusfaktor. „Bewegliche Feste“ – nun, das verstehe sich von selbst.
Gemeinsames Bedauern dann, dass die Tagesheiligen nicht mehr aufgeführt seien, dafür enthielten nunmehr alle die Anzahl der monatlichen Arbeitstage. So richtig melancholisch werden wir beide dann bei den ‚Autokennzeichen der DDR’, die es nun seit langem ja auch nicht mehr gebe. Schade eigentlich, aber daran könne man ja schließlich auch sehen, dass die Welt nicht stehenbleibe. Aber trotz allem sind wir uns einig: gut, dass es den ‚Wissenswerten Anhang’ gibt.

So, jetzt muss ich weiter. Die neue Lieferung bei ‚Wagner’ sichten.

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