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Allgemein Stadtstreicher

Muss alles rein!

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Mit Pflanzen in den Winter – eine Anleitung

Herbstzeit. Erntezeit. Zeit der Reife. Äpfel, Birnen und solchen Sachen. „Bunt sind schooon die Wäälder, gelb die Stoppelfelder“, singt irgendwo ein Kinderchor, wenn er nicht gerade twittert. Und auch Gottfried Benn sollten wir hier nicht vergessen, bei dem schon der Anfang des Gedichts ‚Astern, schwälende Tage, alter Beschwörung Bann’ dem sommerlichen Grün den Rest gibt. Von jetzt an gilt es, sich auf die kalte Jahreszeit vorzubereiten.

Noch aber wärmt uns die spätherbstliche Sonne. Mich z.B. findet sie mit Schnitterblick und Gartenschere auf dem Balkon. Auf Anraten meiner gartenaffinen Freunde sei es jetzt höchste Eisenbahn, die Geranien ins Warme zu schaffen. Ansich, so lese ich, seien sie ‚winterhart‘, aber was heißt das schon? Da scheint es mir sicherer, sie in einen Zustand zu überführen, der es ihnen ermöglicht, sicher zu überwintern. Dazu muss ich dieses erstaunlich ergiebige Gewächs saisonbedingt reduzieren, es also von allem Überflüssigen zu trennen: Reste von blühenden Blüten, grünen Blättern, Stengel, kurz, von allem, was eine Pflanze im Sommer halt so braucht, was aber im Haus Platz wegnimmt.  Diese Maßnahme scheint mir schon deshalb angebracht, weil mein Platz auf dem Speicher ziemlich beschränkt ist. Das liegt u.A. an zwei riesigen Lautsprecherboxen, dann aber auch an einem Radio mit Katzenauge. Weiter steht da ein schöner, alter Schreibtisch,  eine Schreibmaschine, ferner zwei Teppiche noch von Oma und vier Kartons mit CD’s, die man eines Tages vielleicht noch mal brauchen könnte.

Das mit dem Platz wäre ja noch ok gewesen, hätte ich nicht auch noch der Honigschleuder meines Nachbarn Unterstand gewährt. Und jetzt kommen noch diese Geranien, die ich, so hatte man mir geraten, praktischerweise ziemlich weit vorne platzieren sollte.  Anders als zunächst vermutet, geht das Gewächs – anders als z.B. ein Igel – keineswegs vollständig in den Winterschlaf. Sogar im Winter braucht eine Geranie, wie anscheinend jede Pflanze, Ansprache, emotionale Zuwendung, ja, Streicheln. Solche Sachen halt. Und Wasser. Von Zeit zu Zeit brauchen sie Wasser. Aber bitte nicht zu viel.

Solche Sachen gingen mir durch den Kopf, als ich jetzt auf den Holzplanken meines Balkons stand. Passanten, soweit hinter dem Mundschutz erkennbar, grüßten freundlich bis mitleidig. Im nahen Bürgerbüro hatte ich mir extra eine Bio – Mülltüte besorgt, die mit ihrem enormem Fassungsvermögen den Großteil des Grünschnitts fassen sollte. Nachdem sie langsam gefüllt war und sich das Ende meines Rückschnitts  endlich abzeichnete, wollte ich im Völlegefühl umweltkonformen Handelns die Tüte samt Inhalt korrekt entsorgen. Leise Zweifel beschlichen mich aber, als ich die Aufschrift auf der Tüte las: „Nur Rasenschnitt und Laub“. Ausdrücklich verwahrte man sich gegen „holzige Gartenabfälle!“ Darunter fielen wohl „Äste, Zweige, Strauchschnitt“, also alles, was auf einem Balkon so anfällt. „Rasenschnitt“ gehört nicht dazu. Wäre ich ein Gewerbebetrieb, fiele manches leichter. Dann könnte ich „Küchenabfälle und Essensreste“ eintüten. Gut für die Profiküche, schlecht aber für einen wie mich, der noch gelernt hatte, den Teller leer zu essen.

Vielleicht besser mal nachfragen im Bürgerbüro. Dort hatte ich die Tüte ja gekauft. Die müssten es ja schließlich wissen. Nachdem ich eine Marke gezogen hatte, war ich dann auch recht zügig zum Schalter vorgerückt, was mir ganz recht war, denn im Wartebereich des Bürgerbüros fand sich – anders als bei meinem Arzt – keine ‚Apothekenrundschau’. Also nichts zum Lesen, was gesund macht.

Die Dame war zunächst freundlich. Ich schilderte ihr mein Entsorgungsproblem, das leider seinen Anfang damit genommen, dass ich mit keinerlei Rasenschnitt aufwarten konnte. Dagegen wären so Sachen angefallen wie „Äste, Zweige, Strauchschnitt“. Das klassische Waldentsorgungsproblem eben.

Obwohl sich bei mir eine projektbezogene Verzweiflung förmlich abzeichnete, kam die Dame aus dem Schulterzucken gar nicht mehr raus. Als ich dann, Rücken zur Wand, mit einem Verweis auf die Gestehungskosten der Tüte behutsam zum Vorschlag überging, die mit Geranienresten gefüllte Tüte zwecks fachgerechter Entsorgung her zu bringen und sie bei ihr abzugeben,  fiel mir die Dame fast von der Kaffeetasse. Hier also zeichnete sich keine Lösung ab.

Jetzt, da in den Geschäften schon vorweihnachtliche Dominosteine angeboten werden, steht der Winter unmittelbar vor der Tür; Zeit also, sich kurz zu fassen. Ich war ziemlich ratlos und frustriert. So schüttete ich zu guter Letzt die gesamten Pflanzenreste in die graue Tonne unseres Hauses, was mir insofern nicht schwer fiel, als dort ohnehin schon Essensreste, Glas und Papier darauf warteten, entsorgt zu werden.

Meine Stimmung wurde nicht besser, als ich kurz darauf die Blumenkästen mit den ruppigen Pflanzenstoppeln aus der gusseisernen Halterung nahm und mir dabei gründlich den Daumen einklemmte. Da der Schmerz bemerkenswert war, ließ er mich die sommerliche Freude an meinen Pflanzen für einen furchtbar langen Moment vergessen. Als der Schmerz dann endlich nachließ, leuchtete mein Daumen zunächst rot, ging dann alsbald in ein fieses Gelb über, bis er schließlich in einem entschlossenen Blau endete. Die ganze Farbpalette eben. Außer grün.

Denn eines zeichnet sich deutlich ab:  niemand wird je sagen, ich hätte einen grünen Daumen.

Allgemein Essen & Trinken Stadtstreicher

Eis auf Räder

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Eisverkäufer in Rom 1820

Seien wir mal ehrlich: das Maiwetter war bislang ja nicht so toll. Bedeckter Himmel, Sturm, Regen. Es kann nur besser werden. In Erwartung kommender Sonnenstrahlen hatte ich mich deshalb schon mal meiner großen Leidenschaft hingegeben: Eis essen.

In Eis könnte ich mich – wie man so sagt – reinlegen. Meistens nehme ich drei Kugeln, was für mich genau in der Mitte zwischen zu wenig und zu viel ist. Zwei Kugeln wären zu wenig, vier zu viel. Was ich hier aber noch sagen sollte, ist, dass ich Eis gern mit Sahne esse. Das ist so eine Marotte von mir. Da bietet sich jetzt einmal der Vergleich mit einem Edelstein an: auch der braucht ja eine Fassung, um seine Schönheit voll zur Geltung zu bringen. So in etwa verhält es sich bei mir mit Eis und Sahne. Nur ist es beim Eis der Geschmack. Mit Sahne schmeckt’s mir halt noch besser.

In der Regel nehme ich mein Eis im Becher, denn es hat sich gezeigt, dass im Laufe des Verzehrs die gefrorene Masse flüssig wird. Ich fühle mich dann immer ein bisschen gehetzt. Beginnt nämlich das Eis zu schmelzen, bin ich gezwungen auf Tropfenjagd zu gehen. Nix für mich. Deshalb immer besser mit Becher. Ja, busbezogen könnte man sagen: ich bin ein Fahrgast der nicht tropft. So genießt es sich einfach entspannter.

Ziemlich unentspannt war es dann aber neulich, als ich mit meinem Eisbecher wieder mal in einen Bus steigen wollte. Den Vorschriften entsprechend betrat ich das öffentliche Verkehrsmittel durch die Fahrertür, knallte dabei ungebremst auf einen Busfahrer, der mich knapp beschied: Kein Eis! Vorschrift! Na ja, dachte ich: der Mann hat’s halt am Magen. Ich nehme den nächsten. Jetzt kam’s noch schlimmer. Im nächsten Bus saß am Steuer eine etwa 45jährige, stark berlinernde Amazone, die ich, wenn ich mich nicht täusche, schon mal in einem James Bond Film gesehen hatte. Dort spielte sie eine Stasi Generalin, die immer versuchte, die Agenten des MI 5 durch einen kleinen vergifteten Dorn, den sie aus der Spitze ihres Schuhs ausfährt, umzubringen. In meinem Fall ließ sie die Füße gottseidank auf den Pedalen, aber wie sie das ‚kein Eis im Bus’ bellte, erinnerte mich stark daran, dass die deutschen Einheit noch nicht in allen Lebensbereichen vollzogen ist.

Der dritte Busfahrer war etwas netter, trotzdem erfolgte ‚kein Zustieg‘. Man muss die Bibel nicht kennen, um nachvollziehen zu können, wie das mit der Herbergsuche im Heiligen Land gewesen sein könnte, als die Hl. Familie an Weihnachten Einlass begehrte und man sie draußen stehen ließ.

Derweilen begann mein Eis schon langsam zu laufen. Ich aber stand noch. Neben mir jede Menge Schüler, die, in je einzelnen ‚Friday for future’ Gruppen, umweltbewusst in vorfahrende Busse gestiegen waren oder noch steigen wollten. Was mir zwischenzeitlich auffiel – mittlerweile hatte ich mich zur zweiten Geschmacksrichtung („Amarena“) durchgespachtelt – war, dass sie den Bus nie durch die Fahrertür bestiegen, sondern praktischerweise gleich den hinteren Eingang nahmen. Während es also dort hinten zu massenweisen Verstößen gegen offensichtliche Vorschriften kam, hatte der Fahrer dadurch vorne im Bus bedauerlicherweise alle Hände frei, um einem grundehrlichen Eisesser wie mir mit Verweis auf eben diese Vorschrift den Zutritt zu verwehren.

Als sich nun der vierte Bus der Haltstelle näherte, mein Eisbecher noch keineswegs leer war, hatte ich erst mal genug. Ich ergriff die Gelegenheit, mischte mich zwischen eine halbe Schulklasse und bestieg wie diese den hinteren Teil des Busses. Dort setzte ich mich (Sichtschutz) mit dem Rücken zum Fahrer.

Jetzt war meine Freude groß. Ich genoss den Rechtsverstoß, denn während sich der Bus langsam in Bewegung setzte, gab ich mich zügig dem Genuss meiner dritten Eiskugel hin. Unbehelligt von Verboten, ließ ich mich in einen Zustand relativer Glückseligkeit schaukeln. Weit hinter mir der Fahrer. Vor mir die letzte Portion. Die Sorte heißt „Rhumba“, und keiner wird mir verdenken, wenn ich sage, dass ich gerade mit dieser Geschmacksrichtung immer ein bisschen Weite, Urlaub und Karibik verbinde. Frei von allen Zwängen. Chillen. Von Haltestelle zu Haltestelle.

Allgemein Menschen Stadtstreicher

Allee hopp!

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Mit dem Pferdegespann durch das grüne Herz Baden-Badens

Für manche liegt das Glück auf dem Rücken der Pferde. Andere wiederum suchen es gleich dahinter. So wie Sabrina Möller, eine junge Frau von 36 Jahren, die in Baden-Baden auch dieses Jahr wieder mit ihrer Kutsche Touristen durch die Lichtentaler Allee fährt. Dabei trägt sie standesgemäß einen knapp geschnittenen grauen Anzug, nebst weißer Bluse und Zylinder. Baden-Baden, Ihr Niveau.

Nachdem sie 2009 das Führen eines Gespanns erlernt hatte, hat sie den Betrieb 2015 von ihrem Vorgänger übernommen. Drei Monate harte Ausbildung seien das gewesen, kein Vergleich mit dem Auto-Führerschein. Morgens Theorie, nachmittags Praxis. Erst mit zwei, dann mit vier und schlussendlich mit sechs Pferden. Dass da einem nur nichts durchgeht, oder wie sie sagt: „Wie bremst man das ganze Geschoss“?

Dann kommt der Alltag, der sich natürlich auch wieder ganz anders darstellt. Kutschieren im Verkehr, während der Fahrt mit den Kunden plaudern, die Richtung halten und dabei selbstverständlich noch gute Miene zum rollenden Spiel machen. Freundlichkeit zahlt sich aus und soll es auch.

Was andere eher nebulös mit ‚Glück’ umschreiben, lässt sich bei Sabrina Möller ziemlich klar festmachen. Eines nicht zu fernen Tages vielleicht nicht mehr selbst sieben Tage in der Woche fahren zu müssen. Nach sechzig Wochenstunden endlich sagen zu dürfen: es reicht. Auch mit ihrer Familie einmal Urlaub machen, so wie letztes Jahr, als man endlich zu dritt ausrückte, um im Baggersee bei Stollhofen zu baden. Das war gut geplant, zumindest solange, bis der Kollege, der sie an dem Tag vertreten sollte, mit einem Bandscheibenvorfall ausfiel. Wieder nix. Selbstständig sein heißt halt immer noch: selbst und ständig.

Der Betrieb und die Pferde müssen laufen. Drei Gespanne sind abwechselnd im Einsatz. Dazu kommen die Helfer im Stall. Und dann noch die Springer. Gefahren wird mit polnischen Warmblütern. Neun Pferde sind es, die auch im Winter ihr Futter wollen. Saisongeschäft eben. Die Kutschen kommen ebenfalls aus Polen. € 12 000 das Stück. Die deutschen Kutschen kann man nicht bezahlen. Eine andere Baustelle ist das Gelände in der Gunzenbachachstraße. Die Koppel. Sie wird immer wieder gern auch von Wildschweinen besucht. Da muss ein Zaun ausgebessert werden, das Gelände ist bisweilen matschig. Hier muss mit dem Forstamt verhandelt werden. Dabei zeigt sich die Stadt kooperativ. Sie weiß, was sie an dem Kutschenbetrieb und ihrer Halterin hat. Und kann doch nicht verhindern, dass dem Kleinbetrieb durch den G 20 Gipfel auch dieses Jahr wieder eine komplette Woche Fahrbetrieb, also Einnahmen, fehlen.

Dabei wirkt sie trotz aller Belastung durchaus fröhlich. Sei es, weil sie weiß, dass Miesepetrigkeit ohnehin nichts brächte, sei es, weil es ihrem optimistischen Naturell zuwider liefe.

(Wo und wie geht’s weiter? Demnächst & hier)

Allgemein Stadtstreicher

Allee hopp! Teil 2

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Mit dem Pferdegespann durchs grüne Herz Baden-Badens: Die Chinesen sind da

„How much?“ Wie aus dem Nichts kommend tauchen am ihrem Stellplatz vor dem Cafe ‚Capri‘ fünf Chinesen mit Stoffhütchen auf. Kutsche im Blick, Handy in der Hand. Und nochmal: „How much?“ Also wird erklärt. Drei verschiedene Touren werden angeboten. Alle führen zunächst durch die Allee. Fünzehn Minuten kosten € 35; diese Tour macht kehrt am Stadtmuseum, bevor sie über das ‚Brenner’s‘ wieder zurück führt. Dreißig Minuten zu € 60. Diese Tour macht kehrt am Hirtenhäuschen. Und dann noch eine volle Stunde, also die große Tour. Sie führt bis zum Kloster Lichtental. Macht € 110.

Es folgt jetzt eine lebhafte innerchinesische Gesprächsrunde. Doch dann zeichnet sich ab: angesichts der fünfzehn Tage Urlaub, die der Chinese so hat (von denen er wohl noch die Hälfe seinem Arbeitgeber schenkt), scheint die kleine Tour angebracht. Man muss gleich weiter. Aber jetzt erst mal einsteigen, Stoffhütchen gerückt, alle drin. Und wo ist das Sonnenschirmchen? Ach hier. Ok.

Ab geht die Post durch die Allee. Ein wunderschöner Tag. Die Vögel zwitschern und die Besucher auch. Fünf Leute, fünf Handys. Erst geht’s zum Stadtmuseum, von dort kurz in die Fremersbergstrasse und dann abbiegen beim Brenner’s Parkhotel, wo die braunbefrackten Herren am Eingang Sabrina Möller freundlich grüßen, die, nebenbei gesprochen, noch anmerkt, dass sie beim Vorbeifahren seismographisch spürt, wie die Stimmung im Inneren des Hauses heute mal wieder so ist.

Zurück am Ausgangspunkt noch schnell Fotos gemacht mit allen Gästen. Jeder einzelne steigt noch zur Kutscherin auf den Bock, bevor alle („Where ist the toilette?“) glücklich in Richtung ‚Löwenbräu’, einem weiteren Höhepunkt der Deutschlandreise, entgegeneilen.

Ähnlich flott haben’s gern auch die Araber, die vor allem in den Monaten Juli, August und September in Baden-Baden gastieren. Auf der Flucht vor der übergroßen Hitze ihrer Heimatländer suchen sie das Flüchtige auch in einer an sich beschaulichen Kutschenfahrt. Auch hier wird vor allem die kurze Fahrt gebucht. Da heißt es flott, flott, und am liebsten würde die Großfamilie in der üppig besetzen Kutsche („Araberfamilien kommen nicht zu fünft“) durch die Stadt galoppieren.

Jetzt Warten auf die nächste Kundschaft. Die polnischen Pferde scharren mit den Hufen. Links Aramis, rechts Valentino. Beide noch sehr jung. Vor allem letzter ist ungeduldig, er will wieder los. Ist es dann endlich aber so weit, hält er sich beim Ziehen der Kutsche unmerklich zurück und überlässt seinem Kompagnon die Mühe des Kutschenziehens. Hier hilft nur der behutsam-korrigierende Einsatz der Peitsche, was aber bei tieraffinen Zeitgenossen bereits hie und da zu Verstimmung geführt haben soll.

Dergleichen ist bei der nächsten Fuhre nicht zu befürchten…

Demnächst mehr….

Allgemein Menschen Stadtstreicher

Allee hopp! Teil 3

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Dergleichen ist bei der nächsten Fuhre nicht zu befürchten. Die Familie, aus Erfurt kommend, hatte telefonisch gebucht. Leider würde es aber etwas später.

Der Himmel über Baden-Baden. Wie üblich blau.

Als es dann soweit ist, kommt  der Sohn als letzter. Er humpelt stark. Zur Abrundung des Familienurlaubs hatte ihm seine Familie einen Tandemflug mit einem Paraglider geschenkt. Der Start sollte auf der stark abfallenden Merkurwiese vonstatten gehen. Der Pilot schien aber etwas überfordert. Bereits vor dem Start habe er ziemlich nervös gewirkt, berichtet der sächselnde Fluggast und dann hatte der auch prompt einen kompletten Fehlstart hingelegt. Dieser Fehlstart zog gerade beim Mitflieger starke Fleischwunden nach sich. In der Stadtklinik habe man ihn dann wieder zusammengeflickt.

Mehr als verständlich, dass sich durch die notwendig gewordenen Näharbeiten der Beginn der Rundfahrt durch die Allee etwas verspätet. Die Stimmung ist dann trotzdem gut. Die Familie träfe sich jedes Jahr in Baden-Baden.

Das Töchterchen sitzt die ganze Zeit auf dem Bock neben der Kutscherin, glücklich darüber, ein Stück Zügel im Händchen halten zu dürfen. Derweilen erläutert Sabrina Möller die an der Strecke liegenden Sehenswürdigkeiten. Hier das Museum ‚Frieder Burda’, dort eine Villa, die erst jüngst für 8 Mio an einen reichen russischen Investor verkauft worden war. Mir erzählt sie nebenbei, dass es durchaus vorkäme, dass Gäste bei ihr einen Termin vor einem der bestens Hotels der Stadt buchten, dann aber nicht kämen, um hinterher darauf zu insistieren, sie selbst habe sich wohl im Termin geirrt.

Da, sagt sie, muss man durch. Ebenso, wenn an der Kreuzung Maria Viktoria-/ Fremersbergstrasse eines der Pferde äpfelt. Die Kutscherin steigt schnell vom Bock, räumt die Pfedemist in einen mitgeführten Eimer, steigt auf, rollt endlich in die Kreuzung, und dann passiert es: noch einmal äpfelt das Pferd. Da ist jetzt nichts mehr zu machen.

Die  in ihrem Cayenne hinterherfahrende schicke Mitvierzigerin sieht das freilich ganz anders. Hoch über den Niederungen des Pferdemistes thronend (Cayenne Werbung: „Über den Dingen“), echauffiert sie sich im klimatisierten Inneren ihres SUVs über alle Maßen und zeigt einmal mehr, wozu ein vierradgetriebener Porsche mit seinen 570 PS in der Innenstadt wirklich taugt: zum pädagogischen Hupen.

Sitzt hier die Lösung des Problems?

So etwas ärgert sie, auch wenn sie sich durch solche Störmanöver die Laune nicht wirklich verderben lässt. Dafür mag sie ihren Beruf zu gern. Und das Andere? Wie viele Selbständige in diesen Zeiten hofft sie, dass sich die personellen Engpässe ihres Betriebes demnächst endlich verbessern und dass die Arbeitsbelastung ihr wieder ein bisschen mehr Zeit für die Familie gibt.

Wie sie so auf dem Kutschbock sitzt, im Anzug mit Zylinder und zwei Pferden vor sich, weiß sie, was wir alle ahnen: das Leben ist halt kein Ponyhof. Aber schön, sagt sie, sei es doch.

 

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