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Die Grablegung

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IMG-20160713-WA0003Wer in diesen Tagen aus traurigem Anlass mal wieder den Baden-Badener Hauptfriedhof besucht, darf sich trotzdem auf etwas freuen. Dort bietet sich ihm nämlich ein Bild, das er nicht alle Tage zu sehen bekommt. Denn hebt der Besucher unmittelbar nach dem Durchschreiten des Haupteingangs seine tränenden Augen, ward ihm unversehens Heil zuteil. Zumindest muss es ihm so scheinen, denn er glaubt einen Augenblick lang, wenn nicht den Gott Jahve, so doch den Tempel Salomon (hebr. בֵּית־הַמִּקְדָּשׁ, Bet HaMikdasch) vor sich zu sehen.

Der war eigentlich im Jahre 70 nach Chr. von den Römern zerstört worden, aber so wie die Lage derzeit liegt, kümmert sich die Firma ‚Jockerst Steintechnologie‘ aus Oberkirch um einen tempelähnlichen Nachbau, und zwar ziemlich nahe dem Eingang, damit auch keiner, der sich auf den Weg zu seinem schlichten Holzkreuz macht, das tempelähnliche Mausoleum übersieht. 

Nun ist es ja in Baden-Baden nicht unüblich, sich als erfolgreicher Geschäftsmann schon zu Lebzeiten ein Denkmal zu errichtet. Hier bot sich in vergangenen Jahrhunderten  z.B. eine Spielbank an oder – neuerdings – auch ein Business-Hotel.  Aber dass ein Verstorbener sein Bestattungs-IMG-20160713-WA0004Heil derart in der Vergangenheit sucht, ist schon aller Beachtung wert.

Im vorliegenden Fall scheint es sich aber tatsächlich um die Grabstätte einer alteingesessenen Baden-Badener Familie zu handeln, also keineswegs um Zugezogene oder Neubewohner. Weiter verdient hier unbedingt festgehalten zu werden, dass die Grabstätte ausschließlich der Beisetzung von verstorbenen Menschen dient. Dass dort etwa die Überreste eines liebgewordenen Vierbeiners ebenfalls ihre letzte Ruhe finden, ist schon vom Gesetz her ausgeschlossen.

Wäre ja auch noch schöner. Denn sonst müsste es ja heißen: hier liegt der Hund begraben.

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….frech und gottesfürchtig…. Teil 1

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Ein Besuch bei dem Schriftsteller Otto Jägersberg, der von Baden-Baden aus die deutschsprachige Welt mit Geschriebenem versorgt und schon früh von Alfred Andersch gelobt wurde

Otto Jägersberg, Autor

Otto Jägersberg, Autor

In Baden-Baden ist der Weg zum Parnass mit Steinen gepflastert. Über diese Steine führt der Weg zum Marktplatz. Dort oben, im Schatten der Stiftskirche, wohnen die Dichter. Zunächst einmal die jungen, noch im literarischen Aufbau Begriffenen, die Stipendiaten des Baldreit Stipendiums. Sie wohnen in einem kleinen, halb versteckten Häuschen mit der an die Tür gepappten Adresse ‚Büttenstraße 15‘.

Hebt man nun den Blick, taucht hinter einem das mächtige, schöne Gebäude des Alten Dampfbades auf. Dort, im oberstem Stockwerk, lebt und schreibt der nun schon etablierte Otto Jägersberg, den man, 1942 geboren, in einer Reihe mit in Baden-Baden einstmals beheimateten Dichtern wie Otto Flake, Werner Bergengruen und Reinhold Schneider nennen darf. Buchhändler, Antiquar, Drucker – das sind die beruflichen, Berlin, Stuttgart, Köln und Berlin die lokalen Stationen seines bisherigen Lebens. Allerdings hatten sich die verschiedenen von Kriegszerstörungen gezeichneten Städte ihm aufs Gemüt gelegt, weshalb es ihn nach Baden-Baden zog. Hier lebt er nun schon seit zwanzig Jahren und fühlt sich wohl. Hier ist er daheim, angekommen. Da, im ‚Grünen Salon‘, kann er arbeiten.

20160502_145432Begonnen hatte das Schriftstellerdasein mit dem gepriesenen Erstlingswerk ‚Weihrauch und Pumpernickel‘, das ihm als Zweiundzwanzigjährigem das Prädikat ‚Wunderkind‘ eintrug und mit dem er zum ersten deutschsprachigen Literaten des Diogenes Verlag wurde. Sein literarisches Werk setzte sich fort mit Werken wie ‚Söffchen oder Nette Leute‘, ‚He he, ihr Mädchen und Frauen‘ bis zu seinem jüngsten Werk: ‚Keine zehn Pferde‘, alles großes Erzählen, nichts wiederholt sich, kein Motiv wird verschlissen, allenfalls die ironische Betrachtungsweise des Unabänderlichen ist ein durchgängiges Merkmal. Heitere Tiefe. Soll uns diese Haltung etwas sagen? Ganz bestimmt sieht er dies nicht so. Das Werk spricht für sich. Man sollte es einfach auf sich wirken lassen.

Sieht man den Bewohner des ‚Grünen Salons‘ in diesen Tagen flanierend mit Gehstock und Baskenmütze, könnte man ihn für eine Figur aus einem Gemälde von Caspar David Friedrich halten, vielleicht sogar für einen Hagestolz. Weltabgewandt, in sich gekehrt. So falsch wie unangebracht. Dort, in der Nähe seines Domizils vor dem Cafe in der Sonne sitzend, grüßt er unvermittelt vorbeieilende, ihm offensichtlich näher bekannte Passanten mit leichtem, heiteren Winken, so, als kümmere er sich nicht nur um die Literatur, sondern auch um die Durchlüftung des Platzes.

Seine vorrangige Sorge aber gilt jetzt erst mal dem enorm gestiegenen Preis für metallene Bleistiftkappen, dank derer er beim geschätzten Flanieren immer einen gespitzten Bleistift mit sich führen kann. Ansonsten könnte es passieren, dass ein im Inneren der Jackentasche marodierender Stift dem Halter ernsthafte Verletzungen zufügt, oder aber, was noch schlimmer ist, gerade in dem Moment die Spitze abbricht, wo er ihn just gebraucht hätte, um beim immerwährenden Dichten einen flüchtigen Gedanken festzuhalten. Das ‚mot juste‘ ist halt ein scheues Reh.

Die ländliche Umgebung Baden-Badens gedankenvoll durchschreitend…. (so gehts weiter. Demnächst.)

 

Das Foto von Otto Jägersberg mit freundlicher Genehmigung durch www.margrit-mueller.de

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…frech und gottesfürchtig… Teil 2

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Ein Besuch bei dem Schriftsteller Otto Jägersberg, der von Baden-Baden aus die deutschsprachige Welt mit Geschriebenem versorgt und schon früh von Alfred Andersch gelobt wurde

Die ländliche Umgebung Baden-Badens gedankenvoll durchschreitend, erläuft er sich den literarischen Stoff. Wo die schriftstellernden Schönen von Berlin Mitte wie hungrige 20160502_145958Fische mit weit geöffnetem Schlund auf der Suche nach literarischem Plankton die Hauptstädte Europas durchmessen, da reicht Otto Jägersberg fürs erste ein Waldspaziergang. Literarische Welten erschafft er in sich.

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Wo hier ist der Buchhändler?

Dabei wirkt er, der das literarische neunzehnte Jahrhundert bewundert, ein bisschen aus der Zeit gefallen, denn vom zeitgenössischen Selbstbespiegelungsschreiben ist er zeilenweit entfernt. Auch wenn man von ihm nicht alles gelesen hat, ist das Sich-Offenbaren nicht sein primäres Anliegen. Eher durchzieht ein distanziert-ironischer Ton sein Schreiben. Das Moralinsaure ist nicht seines. Seinen Stil nennt er lieber „unterkühlt, zurückgenommen, unprätentiös“. Wären wir hier im begriffsreduzierten Feuilleton, würden wir von einem „breitgefächerten Oevre“ sprechen und meinen, dass Otto Jägersberg vieles bringt.

Kurzgeschichten, denen man anmerkt, dass sich da einer eingearbeitet hat in die zu beschreibende Materie (Jagdszene: „Dr.

Hier ist der Buchhändler Straße. Bei ihm ist zu vieles zu haben.

Hier ist der Buchhändler.  Josua Straß in Baden-Baden. Bei ihm sind alle Bücher zu haben.

Scheubles Hund vorm Anblasen geflügelt“). Dann die Romane („Der Herr der Regeln“), in denen die provinzielle Welt zum dichterischen Kosmos wird. Und natürlich die Gedichte („Wein Liebe Vaterland“), die alles Andere begleiten. Vielleicht geht seine Art zu schreiben ein Stück weit auch auf Günter Grass zurück. Gerade dessen Gedichte schätzt er ganz besonders. Schon früh hatte er ihm Texte von sich zur Begutachtung geschickt. Sie kamen zurück, vom Meister persönlich aufs Wesentliche reduziert. So etwas prägt. Umso mehr drängt es Otto Jägersberg, von Zeit zu Zeit – hier Nietsches Zarathustra nicht unähnlich – vor die Höhle zu treten, um, „wie die Biene, die des Honigs zuviel gesammelt hat“, sich den Seinen mitzuteilen. Denen trägt er gern vor, wie an jenem bewölkten Sonntagnachmittag in der Stadthalle in Gernsbach.

Die Lokalität ist von beispielhaft deprimierendem Aussehen, das auszublenden ihm allerdings klaglos gelingt. Wer je einen elsässischen ‚Salle polyvalente‘ kennengelernt hat, weiß jetzt, dass Hässlichkeit durchaus über den Rhein schwappen kann. Der Hausmeister ist, wie immer bei solchen Hallen, auch bei diesem Anlass schlecht gelaunt und uninformiert. Zudem könnte ein labiler Dichter hinter dem schmucklosen Ambiente ohne weiteres die Metapher fürs eigene karge Dasein erkennen. Immerhin hat man vor die Bühne gemeindeeigenes Grünzeug gestellt. Das Publikum besteht aus der üblichen kulturtragenden Schicht und ist nicht allzu zahlreich. Darunter auch der obligatorisch ältere Herr mit Baskenmütze, die ihm ein pastorenhaftes Aussehen verleiht. An der Wand die Ankündigung eines demnächst anstehenden Blasmusikkonzertes.

Heute aber tönt der Dichter….  (wie geht’s weiter? Mehr demnächst!)

 

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…frech und gottesfürchtig…: Teil 3 und Schluss

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Ein Besuch bei dem Schriftsteller Otto Jägersberg, der von Baden-Baden aus die deutschsprachige Welt mit Geschriebenem versorgt und schon früh von Alfred Andersch gelobt wurde

Dichter beim vorbildlichen Linksabbiegen

Dichter beim vorbildlichen Linksabbiegen

Heute aber tönt der Dichter, und so wird man Zeuge einer weiteren Begabung: seine Fähigkeit, eigene Texte so vorzutragen, wie sie gemeint sind. Durch das Vor-Lesen gelingt es ihm, das Geschriebene quasi vom Zwei- ins Dreidimensionale zu heben, ähnlich einem Bild, das zur Skulptur wird. Anders als bei vielen ton- und beziehungslos vortragenden Textschöpfern, bereitet es dem Publikum ein großes Vergnügen, ihm beim Vortrag zuzuhören. Der Grund dafür ist ganz einfach – er versteht es, gut vorzutragen. Zudem vermittelt er dabei das Vergnügen am eigenen Text, was keineswegs selbstverständlich ist. Günther Grass konnte das, Walter Jens natürlich auch, aber viele andere können es nicht.

Eben diese Fähigkeit macht ihn auch zu einem gesuchten Redesteller bei Vernissagen, anlässlich derer er gern Einführungen hält, die das üblich Preisende weit hinter sich lassen. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Laudatio deutlich bunter gerät als manche Exponate.

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Rückt das Literarische immer mal wieder in den Hintergrund, geht er fremd, schlägt er sich schöpferisch seitwärts in die Büsche. Er fügt dann kleine Skulpturen zusammen – ja, zu was eigentlich? Gemacht aus Alltagsdingen, bei denen das Danebenliegende zum Naheliegenden wird. Da entstehen aus einem halb aufgeblasenen Fahrradschlauch skulpturähnliche Gebilde, die fotografiert, sich neben einem kleinen Kartoffelstampfer wiederfinden. Der hingegen sieht sich auf einen Sockel fixiert und an der Wand aufgehängt. Andererseits wird dem der Kartoffelstampfer aber auch wieder literarisch gewürdigt.

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In einem Essay besingt Otto Jägersberg auf diesen auch das Hohe Lied und vergisst darüber nicht den Spazierstock, den er einen ‚Kartoffelstampfer auf Landgang’ nennt. So schwer all das auch einzuordnen ist, so schwer fällt es, sich dem Ganzen zu entziehen. Ist es Dada? Ist es Kunst? Oder, wie im Fall des Kartoffelstampfers, einfach nur praktisch?

Otto Jägersberg jedenfalls nennt solche Objekte ‚Tunichtgute‘. Mehr Sinn geht nicht.

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Der Bahnausstieg

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Warum die Bahn hilft wo sie nur kann

Gerade in diesen vorfrühlingshaften Zeiten sollten wir uns mal wieder an die Bahn erinnern, die ja lange mit dem Slogan: ‚Alle reden vom Wetter – wir nicht’  für sich geworben hatte. Weiter erinnern wir uns vielleicht noch an Hartmut Mehdorn, der in einer beispielhaften Kraftanstrengung das Unternehmen fürs 2. Jahrtausend fit gemacht hatte. Dazu bediente er sich unzähliger ‚Post it’, mit denen er den gesamten Bahnapparat beklebte und mittels derer er dem einzelnen Mitarbeiter Verbesserungsvorschläge machte, ihn bisweilen tadelte, von Zeit zu Zeit aber auch Lob zukommen ließ.

Mit Letzterem hielt sich Winston Churchill während des 2. Weltkrieges erst gar nicht lange auf, als er mit kleinen Notizzettelchen halb England vor sich hertrieb. ‚Action this day’, las da die Sekretärin in der Downing Street auf ihrer Schreibmaschine. Aber auch der Pilot in seiner ‚Spitfire’ oder der Panzerführer in El Alamein blieben 1942 vor solchen nett gemeinten Ermahnungen nicht verschont. Wie effektiv das Ganze letztendlich war, sehen wir daran, dass der Krieg dann ja auch gewonnen wurde.

An diesem Vorbild mag sich der eben erwähnte Hartmut Mehdorn, auch er ein ganz Großer, orientiert haben, als auch er helfende Notizen verteilte. Deren Auswirkungen sind auch heute noch zu spüren. Die Bahn hat sich zu einem serviceorientierten Unternehmen gewandelt. Das erkennt man schon daran, dass die jüngste Offensive in diesem Segment sich ganz dem Ausstieg widmet. Nach Einfahrt des Zuges in den Bahnhof stellt sich nämlich für den Reisenden das Problem, den Zug verlassen zu wollen. Auf welcher Seite des Zuges soll er jetzt aber aussteigen? Rechts oder links? Das Problem wird noch dadurch unübersichtlicher, dass die Türe auf der möglichen falschen Seite des Wagons sich gar nicht öffnen lässt. Hier bietet sich der Hinweisservice der Bahn geradezu an.

Wenn also die freundliche Stimme des Personals die eine oder andere Seite in Fahrtrichtung zum Ausstieg empfiehlt, so verhindert sie dadurch, dass man durch eine an sich verriegelte Tür schreitet und möglicherweise auf ein noch nicht gemachtes Gleisbett fällt.

Also besser gleich den Hinweis beachten.

 

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