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Stillende Mütter

Vor längerer Zeit reiste ich im Zug von Hamburg nach Graz, was, wie man ahnt, eine ziemlich lange Strecke ist. Um so angenehmer, saß ich allein und glücklich ich in einem Sechspersonenabteil, froh, dass niemand das Gespräch mit mir suchte noch ein solches von mir erwartete. Keine Nonne, die mich freundlich von den Freuden des Glaubens zu überzeugen suchte. Kein Lehrer, der mich in ein Gespräch über das trump’sche Unwesen verwickeln wollte. Nein. Nichts als Ruhe und eine draußen vorbeiziehende Regenlandschaft mit an der Scheibe waagerechten vorbeischlierenden Wassertropfen.

Unterbrochen wurde dieses fast kontemplative Alleinsitzen von Zeit zu Zeit durch den Schaffner, der nach der Kontrolle meiner Fahrkarte mir eine gute Fahrt wünschte, militärisch knapp zwei Finger an das Schild seiner Mütze führte, dann die Abteiltür schloss und verschwand. Auf der doch langen Fahrt ging das so drei weitere Male. Dann allerdings drohte mir Ungemach, als nämlich kurz hinter Nürnberg die Türe des Abteils geöffnet wurde und eine zugestiegene Dame fragte, ob hier noch Platz sei. Natürlich wäre es mir in dieser Situation ein leichtes gewesen, auf die fünf restlichen Plätze zu verweisen und die Dame einzuladen, doch Platz zu nehmen. Doch schien es mir geboten, auf die Plakette zu verweisen, die, selbst von außen gut lesbar, darauf hinwies, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Abteil für stillende Mütter handelt. Offensichtlich gelten für solche Abteile gewisse Einschränkungen. Diese Situation – ich nenne das jetzt mal so – widerfuhr mir auf meiner doch ziemlich langen Reise noch zwei weitere Male, und zwar gleich hinter Plattling und dann noch einmal kurz vor Wien.

Merkwürdig. Alle Frauen sind wieder gegangen.

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