Der Badenblogger » Blog Archives

Author Archives: Peter Ruhr

Allgemein Blättern & Rauschen Malen & Schnitzen

…frech und gottesfürchtig…: Teil 3 und Schluss

Published by:

Ein Besuch bei dem Schriftsteller Otto Jägersberg, der von Baden-Baden aus die deutschsprachige Welt mit Geschriebenem versorgt und schon früh von Alfred Andersch gelobt wurde

Dichter beim vorbildlichen Linksabbiegen

Dichter beim vorbildlichen Linksabbiegen

Heute aber tönt der Dichter, und so wird man Zeuge einer weiteren Begabung: seine Fähigkeit, eigene Texte so vorzutragen, wie sie gemeint sind. Durch das Vor-Lesen gelingt es ihm, das Geschriebene quasi vom Zwei- ins Dreidimensionale zu heben, ähnlich einem Bild, das zur Skulptur wird. Anders als bei vielen ton- und beziehungslos vortragenden Textschöpfern, bereitet es dem Publikum ein großes Vergnügen, ihm beim Vortrag zuzuhören. Der Grund dafür ist ganz einfach – er versteht es, gut vorzutragen. Zudem vermittelt er dabei das Vergnügen am eigenen Text, was keineswegs selbstverständlich ist. Günther Grass konnte das, Walter Jens natürlich auch, aber viele andere können es nicht.

Eben diese Fähigkeit macht ihn auch zu einem gesuchten Redesteller bei Vernissagen, anlässlich derer er gern Einführungen hält, die das üblich Preisende weit hinter sich lassen. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Laudatio deutlich bunter gerät als manche Exponate.

DIGITAL CAMERA

DIGITAL CAMERA

Rückt das Literarische immer mal wieder in den Hintergrund, geht er fremd, schlägt er sich schöpferisch seitwärts in die Büsche. Er fügt dann kleine Skulpturen zusammen – ja, zu was eigentlich? Gemacht aus Alltagsdingen, bei denen das Danebenliegende zum Naheliegenden wird. Da entstehen aus einem halb aufgeblasenen Fahrradschlauch skulpturähnliche Gebilde, die fotografiert, sich neben einem kleinen Kartoffelstampfer wiederfinden. Der hingegen sieht sich auf einen Sockel fixiert und an der Wand aufgehängt. Andererseits wird dem der Kartoffelstampfer aber auch wieder literarisch gewürdigt.

DIGITAL CAMERA

In einem Essay besingt Otto Jägersberg auf diesen auch das Hohe Lied und vergisst darüber nicht den Spazierstock, den er einen ‚Kartoffelstampfer auf Landgang’ nennt. So schwer all das auch einzuordnen ist, so schwer fällt es, sich dem Ganzen zu entziehen. Ist es Dada? Ist es Kunst? Oder, wie im Fall des Kartoffelstampfers, einfach nur praktisch?

Otto Jägersberg jedenfalls nennt solche Objekte ‚Tunichtgute‘. Mehr Sinn geht nicht.

Allgemein

Der Bahnausstieg

Published by:

220px-ICE_3_Fahlenbach

Warum die Bahn hilft wo sie nur kann

Gerade in diesen vorfrühlingshaften Zeiten sollten wir uns mal wieder an die Bahn erinnern, die ja lange mit dem Slogan: ‚Alle reden vom Wetter – wir nicht’  für sich geworben hatte. Weiter erinnern wir uns vielleicht noch an Hartmut Mehdorn, der in einer beispielhaften Kraftanstrengung das Unternehmen fürs 2. Jahrtausend fit gemacht hatte. Dazu bediente er sich unzähliger ‚Post it’, mit denen er den gesamten Bahnapparat beklebte und mittels derer er dem einzelnen Mitarbeiter Verbesserungsvorschläge machte, ihn bisweilen tadelte, von Zeit zu Zeit aber auch Lob zukommen ließ.

Mit Letzterem hielt sich Winston Churchill während des 2. Weltkrieges erst gar nicht lange auf, als er mit kleinen Notizzettelchen halb England vor sich hertrieb. ‚Action this day’, las da die Sekretärin in der Downing Street auf ihrer Schreibmaschine. Aber auch der Pilot in seiner ‚Spitfire’ oder der Panzerführer in El Alamein blieben 1942 vor solchen nett gemeinten Ermahnungen nicht verschont. Wie effektiv das Ganze letztendlich war, sehen wir daran, dass der Krieg dann ja auch gewonnen wurde.

An diesem Vorbild mag sich der eben erwähnte Hartmut Mehdorn, auch er ein ganz Großer, orientiert haben, als auch er helfende Notizen verteilte. Deren Auswirkungen sind auch heute noch zu spüren. Die Bahn hat sich zu einem serviceorientierten Unternehmen gewandelt. Das erkennt man schon daran, dass die jüngste Offensive in diesem Segment sich ganz dem Ausstieg widmet. Nach Einfahrt des Zuges in den Bahnhof stellt sich nämlich für den Reisenden das Problem, den Zug verlassen zu wollen. Auf welcher Seite des Zuges soll er jetzt aber aussteigen? Rechts oder links? Das Problem wird noch dadurch unübersichtlicher, dass die Türe auf der möglichen falschen Seite des Wagons sich gar nicht öffnen lässt. Hier bietet sich der Hinweisservice der Bahn geradezu an.

Wenn also die freundliche Stimme des Personals die eine oder andere Seite in Fahrtrichtung zum Ausstieg empfiehlt, so verhindert sie dadurch, dass man durch eine an sich verriegelte Tür schreitet und möglicherweise auf ein noch nicht gemachtes Gleisbett fällt.

Also besser gleich den Hinweis beachten.

 

Allgemein Malen & Schnitzen

Schaulust

Published by:

Baden-Baden: Neues im Museum ‚Frieder Burda‘

Katharina_Grosse__Ohne_Titel__2008-1010L___2008__c__Katharina_Grosse_und_VG_Bild-Kunst__Bonn_2016Es gibt Termine, Pressekonferenzen, Vernissagen, da geht man halt so hin, teils weil man eingeladen ist oder glaubt, hin zu müssen. Jedenfalls ist der Anspruch, danach als ein anderer wieder zu gehen, in der Regel zu groß. Das wäre ja vielleicht auch zuviel des Guten. Und doch ist man überaus erfreut, wenn man, wie in diesen Tagen, zu einer Ausstellungseröffnung in Museum Frieder Burda geladen wird, die Bilder einer uns zunächst noch nicht bekannten Malerin zeigt.

Katharina_Grosse__Ohne_Titel__2006__c__Katharina_Grosse_und_VG_Bild-Kunst__Bonn_2016Die Malerin heißt Katharina Grosse. Geboren ist sie in Freiburg, lebt in Berlin und hat seit 2010 eine Professur an der Kunstakademie in Düsseldorf inne. Ihre Malerei ist abstrakt und beeindruckt einen vor allem nicht nur durch ihre enorme Großflächigkeit und Farbkraft, sondern auch dadurch, dass jedes einzelne Bild ‚einzigartig’ ist, eine eigene Struktur,  eine eigene Persönlichkeit hat.

Das mag banal klingen, meint aber im wesentlichen, dass das Werk für den Besucher von großer Abwechslung ist. Jedes Bild steht für sich, ist also nicht Zeugnis eines ‚uniformen’ Schaffens. Also keineswegs die Variationen eines im Wesentlichen abgegrenzten Themas. Die Künstlerin breitet in dieser Ausstellung eine enorme Vielfalt ihres Könnens aus. Natürlich ließe sich noch manches über das Werk sagen, auch fabulieren, und doch tut man gut daran, das Vermitteln der Bildinhalte den Bildern selbst zu überlassen. Die Werke selbst sind überaus großflächig, und so geben wir hier gern auch einen kleinen Auszug aus den Presseunterlagen wieder, wo die Rede davon ist, dass solche Bilder „einen nahezu körperliche spürbaren (Aus) Druck“ bieten. Soweit wollen wir uns noch mal an die Hand nehmen lassen…

Sagen wir es mit einfachen Worten: Es ist eine Lust, die allerdings bisweilen mächtigen Bilder zu betrachten, wobei man hier nochKatharina_Grosse__Ohne_Titel__2009__c__Katharina_Grosse_und_VG_Bild-Kunst__Bonn_2016 unbedingt anmerken sollte, dass die Räume des Museums Frieder Burda das Ihrige dazu beitragen, die beeindruckenden Bilder in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit zur Geltung zu bringen. Natürlich sind da die großen Flächen, die das Museum bietet und die dem Werk Platz zum ‚Sich-Zeigen’ lässt. Dann aber ist – wie an diesem Tag – auch das Licht im Inneren des Museums einmalig. Die lichtdurchfluteten Räume tun also ein übriges, die Ausstellung zu einem für uns unerwartet schönen Schauerlebnis zu machen. 

 

Die Ausstellung Katharina Grosse bis einschließlich 9. Oktober 2016

Sämtliche Bilder mit freundlicher Genehmigung durch © Katharina Grosse und VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Allgemein Stadtstreicher

Das Schlossgespenst

Published by:

DSC_0030-2So, wie in Baden-Baden die Jahreszeiten kommen und gehen, kommt von Zeit zu Zeit immer auch wieder Fawzia Al-Hassawi, die Eigentümerin des Neuen Schlosses. Doch während uns der Sommer vornehmlich Sonne bringt (meistens jedenfalls…), spendet derzeit Frau Fawzia Al-Hassawi vor allem Schatten, und zwar den, der über dem Neuen Schloss liegt.

Das liegt daran, dass die Eigentümerin das Denkmal vor Jahren gekauft hatte, ihm dankenswerterweise auch ein Dach spendierte, dann aber nach Lage der Dinge erst mal Projekte in London vorantreibt, weshalb man das Projekt ‚Schloss’ vorerst nur mit halber Kraft vorantreibt. Derweilen wachsen vor dem Schloss wilde Rosen und Unkraut. Wie singen die Kastelruther Spatzen? ‚Schatten überm Rosenhof‘.

Das ist einerseits verständlich, andererseits aber auch bedenklich. Verständlich zunächst deshalb, weil das Projekt mutmaßlich um einige Nummern zu groß scheint für die Eignerin. In der Tat: wer bei der damaligen Versteigerung des markgräflichen Krimskrams die Gelegenheit genutzt hatte, das Innere der Immobilie in Augenschein zu nehmen, weiß, wovon hier die Rede ist.

Bedenklich ist das Ganze vor allem aber auch deshalb, weil in der Tat nichts vorwärts geht. Spätestens wenn – wie in der Pressemeldung der Stadt – seitens der Eignerin jetzt erst einmal eine ‚Planungsgruppe’ mit der Überprüfung der ‚bisherigen Planungskonzeption’ beauftragt wird, dann lehrt uns die Erfahrung: bis auf weiteres läuft hier nichts. Liegt man ganz falsch, wenn sich hinter dieser Nebelwand vor allem eines verbirgt: dass hier eine Eignerin möglicherweise das Interesse an dem Projekt verloren hat? Dies will man aber vielleicht so deutlich nicht sagen, weshalb nun über Jahre – wir hatten darüber berichtet – dort ein Baugerüst steht, das wahrscheinlich eine Menge Geld kostet, aber immerhin die Illusion aufrecht erhält, demnächst ginge da noch was. Selbst wenn es so sein sollte, dass die Hoffnung zuletzt stirbt, wäre es seitens der Stadt u.U. auch mal nützlich, in dieser Sache ebenfalls eine Planungsgruppe ins Leben zu rufen.

Die könnte sich gelegentlich darüber Gedanken machen, was wir mit solchen Großbaustellen wie dem Neuen Schloss (oder mit Kleinbaustellen wie das Nebenhaus des Fabergermuseums) wirklich anfangen wollen, die beide in den Händen freundlicher Investoren gefallen, uns das Lachen verlieren lehrt. Wie jedes Jahr so sehen wir also auch in diesen Tagen die Oberbürgermeisterin mit dem Baudezernenten Werner Hirt im Kreise der vermeintlich gutwilligen Investoren. Dort machen alle gute Miene zum nicht so guten Spiel.

Was Wunder, dass für die Oberbürgermeisterin der alljährlich Gang zum Fototermin mit der Investorin zum Hoffnungslauf gerät.

Allgemein

Besuch im Gestern – ein Besuch in Lissabon Teil 2

Published by:

Tram_28,_Lisbon,_20051011Über dem Tresen hängt ein Modell der ‚Santa Maria’, dem Flagschiff von Christopher Columbus. Und am Tresen ein stark angetrunkener Gast, der mehr geduldet als geliebt, einfach Teil der Wirtshauskultur ist. Er hat eine fahle Hautfarbe, was aber auch an dem kalten Neonlicht über dem Herd liegen kann. Dahinter, mit Badehaube, kocht die Chefin, während der Chef, ein älterer Herr, bedient. Anfangs scheint er etwas brummig. Sein Reich ist aber durchaus von dieser Welt.

Mit der Speisekarte überbringt er auch die Frage, ob ich einen WiFi Code bräuchte. Nein. Ich habe Unterhaltung genug.

Von draußen kommt jetzt erst mal eine Art Heiland, mit umgehängter Gitarre und verfilztem Haar, wahrscheinlich reinen Herzens und irgendwie schmutzigen Füssen. Jetzt aber erst die Bestellung. Zunächst die Getränke. An Bier gibt’s zwei Sorten, ‚Super Bock’ und ‚Sangres’. Ich entscheide mich für Letzteres, vor allem, da ich nicht weiß, was man hier unter Superbock versteht. Wir einigten uns also auf ‚Sangres’ und noch beim Weggehen murmelte der Chef ‚Sangres’. Als er wieder kommt, hat er den ‚Superbock’ dabei. Kein Problem.

Während ich versuche, mich in der Speisekarte zurechtzufinden, bemerkt der Einheimische vom Nebentisch meine Unsicherheit. Er kann ein bisschen Englisch und empfiehlt  mir ‚Salmao’, also den Lachs. Der sei hier besonders gut. Während unseres Gesprächs höre ich immer wieder das deutliche Zischen von eben röstenden Fliegen, die dem elektrischen Insektentöter zu nahe gekommen waren und so ihr Leben – ja was: aushauchen? Hoch über der Tür, dort in der Ecke, hängt der Fernseher. Endspiel der portugiesischen Fußballmeisterschaft. ‚Benfica Lissabon’ gegen ‚Sporting Lissabon’. Ich kann im nachhinein nur sagen: es ging gut aus. Jedenfalls ist da eine riesige Begeisterung, Jubel, eine Welle von rot-weißen Schals, die getragen und geschwenkt werden, vor allem auch von smarten Männern, die, gut gekleidet, in blauen Anzügen uns allen ein Maximum an Glückseligkeit vermitteln. Als Außenstehender weiß man nicht so recht: sind das die Finanziers des Vereins, die Funktionäre oder vielleicht gar Politiker, die wir demnächst auf internationaler Bühne sehen, bevor sie, nach einem Amtsenthebungsverfahren, kurz wieder in der Versenkung verschwinden, um dann recht bald wieder mit rot-weißen Schals auf Stimmenfang zu gehen?

20160524_121307

Löst man den Blick kurz vom hochhängenden Flachbildschirm sieht man vor der offenen Tür die schwarzen Bauarbeiter in ihre armseligen Unterkünfte eilen. Sie kommen aus den ehemaligen Kolonien, Mozambik, den Kapverdischen Inseln oder sonst wo her. Sie schuften für die Gentrifizierung, entkernen fünfstöckige Häuser, in denen sie den Bauschutt in Säcken auf ihren Schultern nach unten tragen. Manche sind so mit Gipsstaub bedeckt, dass man in der Dämmerung das Schwarz ihrer Arme fast nicht mehr unter dem Staub erkennt.

 

Der Lachs, den der Chef bringt, ist einfach und schmeckt wunderbar. Nach dem ‚Superbock’ bestelle ich noch einen Weißwein, der ohne Rückfrage in einer halbliter Karaffe gebracht wird und dann doch nur € 1,80 kostet.

 

 

Nicht einmal das könnten sich die Arbeiter leisten.

 

 

 

 

 

 

 

Das Foto der Strassenbahn mit freundlicher Genehmigung durch: 

Dr.G.Schmitz – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4384927

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Archive

  • Besucher

    Total Visitors
    1481281
    595
    Visitors Today
    78
    Live visitors