Noch blüht er im Verborgenen: der Kraichgau. Ein Besuch.
Im Badischen gibt es Landschaften, die findet man nicht so einfach. Nach denen muss man eher ein bisschen suchen. Obwohl zentral gelegen, kann man sie leicht übersehen. Anders als z.B. der Kaiserstuhl, die Ortenau oder das Markgräferland liegen sie sozusagen im Windschatten der touristischen Aufmerksamkeit. Der Kraichgau ist eine solche. An der Landschaft kann’s nicht liegen, denn die, zwischen Karlsruhe und Sinsheim gelegen, ist sanft hügelig und wunderschön, also eine traumhafte Cabrio Strecke. Ihren südlichen Anfang nimmt die Landschaft in Karlsruhe, dessen Ortsteil Durlach bei der Expedition in die Heimat ein gutes Basislager bietet. Hier z.B. der „Blaue Reiter“, der, obwohl ein ‚Business Hotel’, mit einer komfortablen Bleibe aufwartet. Der Service ist überaus freundlich und individuell. Das Haus liegt in einer ruhigen Nebenstraße und hat zudem noch den Vorzug, neben sich noch einen Biergarten zu beherbergen, der, nicht übermäßig laut, zum Bierimperium ‚Vogelbräu’ gehört. Ins Bett danach ist’s nicht allzu weit…
Doch sollte man sich nicht zu früh festsitzen. Es wartet – eh man’s vergisst! – der Kraichgau, den man sinnvollerweise zunächst einmal vom Süden her anfährt. Hier wartet auf den kunst- und historienbeflissenen, vielleicht auch frommen Besucher das Kloster Maulbronn, das als das kompletteste und besterhaltendste Kloster nördlich der Alpen gilt. Ein Film über Hildegart von Bingen wurde dort, in historischer Kulisse, gedreht.
Lässt man die wahrhaft beeindruckende Anlage schweren Herzens hinter sich, geht’s jetzt tief ins Herz des Kraichgaus, nach Knittlingen, ganz in der Nähe von Bretten gelegen. Ein historisch bedeutendes Städtchen, das sich zudem noch rühmen darf, der Geburtsort eines allseits bekannten Kraichgauers zu sein: Johann Georg Faust, Dr. Faust also, was soviel heißt wie ‚der Glückliche’.
Die Handygeneration dürfte ihn nicht mehr kennen. Dieser Dr. Faustus jedenfalls war der Alchemie verfallen und diente ansonsten Johann Wolfgang von Goethe als Urgestalt seines ‚Faust’. Er starb 1541 in Staufen, vermutlich durch eine Explosion, was uns stets daran erinnern sollte, mit Böllern sorgfältig umzugehen. Die ‚Zimmer’sche Chronik sagte denn auch, er sei ein gar „wunderbarlicher
nigromanta gewest“, was auf andere bedeutende Kraichgauer nur eingeschränkt zutrifft. Hier wären zu nennen die beiden dort lebenden Mitglieder der Flippers („Weine nicht, kleine Eva“ & „Die rote Sonne von Barbados“), Bernd Hengst und Olav Malolepski. Der Dritte im Bunde, Manfred Durban, ist leider bereits verstorben. Seine Frau aber hat in Knittlingen ein Flippers Museum gegründet. So viel erst mal zur Musik.
Doch muss hier noch ein weiterer bedeutender Kraichgauer, Dietmar Hopp, erwähnt werden. Bei ihm handelt es sich um einen der Mitbegründer der Firma SAP, der sich zudem noch als Mäzen des Fußballvereins TSG Hoffenheim verdient gemacht hat.
Erst durch diesen Kraftakt gelang es, diese wunderbare Landschaft so recht ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken. Wer bisher gefragt wurde: Kraichgau wo? musste fortan nun nur noch sagen: Hoffenheim, und es ward Licht. So gesehen, könnte man diese wunderbare Landschaft mit einem schlum-mernden Dornröschen vergleichen, dessen Schlaf bislang ihre Schönheit verbarg. Doch hat sich in den letzten Jahren auch noch ein anderer dran gemacht, an der Bettstatt der schönen Jungfer zu rütteln: Heinz Heiler. Auch er, ein erfolgreicher Unternehmer, hielt es für geboten, seinem Kraichgau etwas zu geben. Eine ‚Genusswelt’ sollte es sein, die, tief im Inneren der sanft hügeligen Landschaft gelegen (fast hätten wir ‚versteckt’ gesagt), als eine Art Leuchtturm fungieren könnte.
Neben einem Hotel mit 31 Zimmern und ambitionierter Gastronomie finden wir denn auch einen großzügigen Golfplatz, der mit seinen 18 Löchern internationalem Standart entspricht. Und in der Tat sind es nicht selten beruflich erfolgreiche Bewohner schöner, aber eben noch nicht so bekannter Landstriche, die sich für ihre Heimat engagieren und stark machen. Es hat den Anschein, als wäre es ihnen ein Bedürfnis, an der Schönheit ihrer Gegend auch andere teilhaben zulassen.
Tatsächlich aber gibt es da noch einiges zu tun. Wer um die Mittagszeit auf der Suche nach einem offenen Wirtshaus durch die malerischen Dörfchen fährt, braucht eine geraume Zeit und ein gutes Auge, um eine offene Gaststube zu finden. So scheint es nicht zu weit hergeholt, die „Heitlinger Genusswelt“ als den Anfang eines Bemühens zu sehen, dies zu ändern. Anfänglich noch eher bescheiden, hat sich dies alles zu einem gastronomischen Zentrum erster Güte entwickelt, was ohne ein entsprechendes Engagements des Initiators so nicht möglich geworden wäre. Dies „Genusswelt“ umfasst zunächst eben diesen Golfplatz, der, seit 1996 im Familienbesitz, auch von der Familie selbst betrieben wird. Ebenso verhält es sich mit dem zeitgemäß modernen Hotel mit seinen 31 Zimmern nebst Gastronomie; dies gibt es seit 2014. Und dann das Weingut Heitlinger, ein Winzerbetrieb mit stolzen 120 Hektar, eine Fläche, die man für Biertrinker vielleicht dahingehend etwas bebildern sollte, dass ein durchschnittlicher Weinbaubetrieb mit 10 ha schon eine beachtliche Größe aufweist. Die Größe jetzt noch in Fußballfelder umzurechnen, ersparen wir uns hier als Freunde des Weingenusses taktvoll…
Die gesamte Rebfläche war auch mehr geworden durch eine Gelegenheit, die sich dem Betriebsbesitzer 2009 ergab. Da nämlich stand das nicht zu weit entfernt gelegene „Weingut Burg Ravensburg“ (Vorsicht: hat mit dem oberschwäbischen Ravensburg nichts zu tun!), seit 770 Jahren und 23 Generationen im Familienbesitz, zum Verkauf. Wer hätte da nicht zugegriffen…
Da bot es sich an, den Geschäftsführer des dortigen Betriebs, Claus Burmeister, als Garant der Qualität mit einzubinden; so fügte sich alles auf’s Beste. Weshalb seit geraumer Zeit der gesamte Winzerbetrieb geadelt wird mit der Auszeichnung VDP, also mit der Mitgliedschaft im Verband der deutschen Prädikatsweingüter. Die renommierte Weinfachfrau, Natalie Lumpp bescheinigt denn auch dem hochkarätigen Weinmacher, er habe „das absolute Gespür für die richtigen Reben am richtigen Standort. Hier zahlt sich aus, dass er sich überaus intensiv mit dem Rebmaterial beschäftigt“. Und was die Roten betrifft, hier könnten die Heidlinger Weine den Franzosen absolut die Stirn bieten.
Hat man sich dann in konzentrischen Kreisen und behutsam von außen dem Inneren des Kraichgau genähert, öffnet sich plötzlich eine ganz eigene Welt, die von außen so garnichts ahnen lässt, von ihrer landschaftlichen Schönheit, von ihren sanften Weinbergen. Die erzählt noch von ganz anderen Dingen als von SAP und Cloud. Wenig auch vom TSG Hoffenheim mit seiner Fähigkeit, die Räume eng zu machen und mit köperbetontem Offensivspiel die Fans zu begeistern. Auch lassen wir zunächst mal die ‚Rote Sonne von Barbados’ untergehen und lauschen auch nicht der weinenden „Kleinen Eva“.
Nein. Es ist Zeit und Gelegenheit, einen langen Augenblick lang das stille Zentrum einer Landschaft zu genießen, die so viel mehr zu bieten hat, als Markenzeichen und Aushängeschilder. Denn dort, im Kraichgau, lohnt es sich wirklich, die vielbeschworene Expedition in die Heimat.
Denn dort gibt es viel mehr zu sehen. Kucken wir’s uns an!