Auswärts Essen & Trinken

Nix wie weg!

Craft Beer – warum man nicht alles trinken muss was drauf steht.

Unter den wirklich wichtigen Dingen, die überflüssig sind, nehmen bei mir neue Biersorten einen vorderen Platz ein. Ich darf das sagen, weil ich im deutschlandnahen Elsass erst kürzlich wieder in die Bierfalle getappt bin. Bislang gab es im Elsass Biere, die zuvörderst hellgelb, wässrig und wenig trinkbar waren. Sie tragen so Namen wir Kronenburg, Mutzig und Fischer. Wie die Namen schon suggerieren, hat man sich in vielen Fällen auf Biere wie einzustellen, die in ihrer Ahnengalerie auf deutsche Braumeister verweisen. Die aber sind schon lange tot. Doch das Neue lebt, zumindest im Glas. So bietet man dem Elsässer, aber auch dem deutschen Biergenießer, mittlerweile auch schon mal ein Bier an, das, der Brauerei ‚Matter’ entsprungen, sich völlig authentisch ‚Craft Brewery von Matzenheim’ nennt. Andere Geschmacksrichtungen verweisen auf Chilli und Schokolade.

Das ist insofern verständlich, als dass es in der Tat – anders als oft behauptet – in Frankreich keine eigene Bierbautradition gibt. So war „Polen offen“ für mannigfachste Versuche. Mit allem kann man spielen. Am ehesten bietet sich da der zum Brauen unerlässliche Hopfen an. ‚Mandarin Bavaria’ heißt da z.B. schon mal so eine Sorte, und auch ‚Hüll Melon’ soll hier erwähnt werden. Erwähnen sollte man weiter vielleicht die Hopfensorte ‚SHIPA Polaris von Kehrwieder’, die wundersamerweise mit einer geschmacklichen Note von Minze aufwartet. Passt vor allem gut zu ‘Choucroute garnie’ oder ‘Flammekueche’.

Und auch in Amerika sprießen die kleinen Brauereien („Craft Beer“) wie Pilze aus dem Boden. Man  mag das durchaus als Auflehnen gegen die übernächtigen großen Brauereikonglomerate (Anhauser Busch, Miller, Budweise) sehen, die den gesamten Markt unter sich aufgeteilt und mit ihren Wasserbieren zugeschüttet hatten. Bis in jüngster Zeit. Da hatten sich tausende kleiner Bierbaubetriebe bereits einen Marktanteil von sage und schreibe 10 % erkämpft.

Etwas anders stellt es sich in Belgien dar. Gut, es gab schon immer traditionell belgisches Bier, das, auf Champagnerbasis gebraut, stets seine Freunde fand. Für Außenstehende wie mich aber gilt: und wer die Geschichte Belgiens nur am Rande verfolgt, ahnt, dass in einem disfunktionalen Staatsgebilde kein funktionierendes Bier entspringen kann. Das weiß ich vor allem deshalb, weil ich vor vielen Jahren auf ein Fest der legendären Flippers eingeladen war. Das Fest fand statt, glaube ich mich zu erinnern, in ihrem Lieblingsrestaurant irgendwo im Kraichgau, und die Spezialität des Hauses bestand in ausschließlich belgischem Bier. Die Flasche war ziemlich teuer. Wer aber will, dass Bier nach Himbeere schmeckt, muss in seine Erfindung schon ordentlich investieren. Die Flippers waren damals richtig gut im Geschäft, Geld spielte also keine Rolle. Neben Pfirsichgeschmack waren auch noch Apfel-, Hollunder und viele anderer Geschmacksrichtungen auf der Karte zu finden. Allesamt schmeckten sie aber dann doch irgendwie nach in Bier aufgelöster Ahaoi- Brause. Dazu wurden Schnitzel gereicht, Schnitzel mit Pommes. Vielleicht fand die geschmackliche Vermählung im Himmel statt. Bei mir im Mund jedenfalls nicht. Nach der fünften versuchsweise geöffneten Flasche geriet ich dann endlich an eine Sorte, die in etwa dem entsprach, was man landläufig Bier nennt.

Nun sind die Flippers schon längst Geschichte. Das Böse ist aber immer noch auf der Welt. Und zwar in Gestalt von Draft Bieren. Woher DIE kommen? Jedenfalls werden sie gebraut von meist dicken Männern, deren Schädel von den merkwürdigsten Frisuren verziert sind. Sie entspringen, anders als der von ihnen verarbeitete Hopfen, einem Barbershop. Die Arme der Brauer sind über und über tätowiert. Wenn das dereinstige Entfernen dieser Tätowierung nur im Ansatz mit den Höllenqualen verbunden ist, wie ich sie litt beim Leeren des Glases, dann hätten sie sich das mit den Tattoos bestimmt zwei mal überlegt. Bei denen und bei mir war’s in jedem Fall zu spät. Was ich im Glas vorfand hatte nicht das Geringste mit einem üblichen Bier zu tun. In so einem Glas dümpelten Geschmäcker ungeahnten Ausmaßes und fremdester Richtungen. Chilli und Schokolade sind da keine Ausnahme. Das Ganze muss man sich ungefähr so süffig vorstellen wie gesamtdeutscher HipHop.

Wehe dem Braumeister, der einst gezwungen sein sollte, sich mit seinem eigenen Livestyle Saft vorm Verdursten zu retten. Der oder ich, wird er sich da sagen hören. Er wird bereuen, jemals geboren worden zu sein. Aber dann wird es zu spät sein. Alles rächt sich. Das Böse kommt immer wieder zurück auf den, der es in die Welt gebracht hat.

Im vorliegenden Fall ist es die Bierbüchse der Pandorra.

 

 

Dank an Braumeister Olli Feick vom Brauhaus ‚Dammenmühle’/Lahr für fachliche Beratung und wunderbares Bier!

 

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