Allgemein Gastbeiträge Kultur

Mord mit Lokalkolorit: „Der Fall Hau“ im Theater in Baden Baden

lässt alle Fragen offen.

Eigentlich ist es ein hübscher kleiner Spaziergang von der Stadelhofer Straße über die Lindenstaffeln hinunter Richtung Kurpark und Stadtzentrum. Trotzdem soll es in den vergangenen Wochen mehrfach vorgekommen sein, dass sich vor allem in der Dämmerung einzelne Personen vorsichtig umschauten, ob sich nicht verdächtige Schatten an ihre Fußstapfen hefteten – schließlich fand hier anno 1906 ein grässlicher Mord statt: Das Opfer, Josefine Molitor, eine Dame der Baden-Badener Gesellschaft, der Täter, Karl Hau, ihr Schwiegersohn. Das Motiv: Geldgier.

Doch so einfach war es wohl doch nicht, denn der „Fall Hau“ schrieb Kriminalgeschichte und erregte sogar internationales Aufsehen. War er’s oder war er’s nicht? Diese Frage bewegte nicht nur die Gemüter der Zeitgenossen, denn der Prozess, der mit der Verurteilung des schillernden Hochstaplers endete, hatte das Zeug zum handfesten Justizskandal. Im Theater Baden-Baden bleibt die Antwort ebenfalls aus – nach über drei Stunden Hochspannung und einer grandiosen Leistung der (nur) vier Akteure mit furiosem Rollentausch wird es den Zuschauern überlassen, ihr Urteil zu fällen – Schwiegermuttermörder, Anstifter der Tochter und Geliebten zum Muttermord oder unschuldig Beschuldigter in einem Netz komplizierter Verstrickungen?

Nicht nur das Lokalkolorit dieses absoluten Höhepunkts der aktuellen Spielzeit mit dem Motto „Gerechtigkeit“ macht den „Fall Hau“ zu einem „Muss“ für Freunde des Hauses am Goetheplatz. Unbedingt zu empfehlen ist die den Aufführungen vorgeschaltete Einführung in das Stück, das auf einem Roman des in der Kurstadt und beim SWR wohl bekannten Autors Bernd Schröder basiert. Der Münchner Regisseur Rudi Gaul hat sich der Romanfassung für seine Uraufführung in Baden-Baden bedient und spielt gekonnt mit den gesellschaftlichen Vielschichtigkeiten, die Schröders „Hau“ so elegant durchmischt. Er gewährt dem Publikum quasi Akteneinsicht, zitiert aus Originalbriefen und ermöglicht per Video eine Tatortbegehung – nur ein paar Schritte vom Theater entfernt. Mattes Herre in der Rolle des zwielichtigen Karl Hau liefert eine großartige Leistung ab, die drei Baden-Badener Schauspielerinnen Rosalinde Renn, Nadine Kettler und Maria Thomas stehen dem Gast in nichts nach. Und ein weiteres Plus dieses Stücks: Rudi Gaul zwingt das Quartett nicht zum Sprech-Stakkato, mit dem viele treue Besucher bei vergangenen Inszenierungen verärgert wurden. Klar verständlich kommt rüber, was eigentlich nicht zu verstehen ist –warum seitens der badischen Justiz so schwere Fehler begangen wurden.

„Der Fall Hau“ steht am kommenden Wochenende drei Mal auf dem Spielplan – unbedingt zu empfehlen.

Irene Schröder

 

Fotos:  Jochen Klenk

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