In Baden-Baden: Festspielhaus und Kurhaus trotzen der Corona-Krise auf ihre Art
„Ein Freund, ein guter Freund…“ Heinz Rühmanns Filmhit aus „Die drei von der Tankstelle“ (anno 1930) müsste Festspielhaus–Intendant Benedikt Stampa eigentlich in diesen Wochen dauernd vor sich hinsummen. Ohne Freunde, laut Rühmann „das beste auf der Welt“ stände der Baden-Badener Musentempel in Corona-Zeiten deutlich schlechter als ohnehin bescheiden (wie alle anderen Kulturunternehmen weltweit) dar. Der Pandemie war es auch geschuldet, dass die Feier zum 25-jährigen Bestehens des Freundeskreises schlichtweg ins Wasser fiel. Das gab es nur bei der Pressekonferenz zum Jubiläum, in der sowohl der aus Berlin zugeschaltete Vorsitzende des Freundeskreises, Dr. Wolfgang Schäuble als auch sein Stellvertreter Dr. John Feldmann im Namen der 1590 Mitglieder unverbrüchliche Treue schworen. Die „alten“ Freunde haben sich bisher auch im Krisenjahr spendabel gezeigt: In den 14,3 Millionen Euro, die sie seit 1995 aufbrachten, ist über eine Million Euro an Mitgliedsbeiträgen und Spenden enthalten. Mit einem Glas Sekt wurde dann doch noch mit Benedikt Stampa angestoßen – gefeiert wird vorerst virtuell im Internet: Unter www.festspielhaus.de/foerderung sind Bilder, Videos und Texte, die an besondere Highlights des vergangenen Vierteljahrhunderts erinnern, zu finden. Und der sichtlich gerührte Intendant versprach: Sobald es wieder geht, werden wir mit unseren wunderbaren Künstlern nachfeiern.“
Bei dieser Nachfeier dürfte ein ganz besonderer Freund samt Anhang nicht fehlen: Der wunderbare Hamburger Ballettchef John Neumeier hat mit seinem „Ghost Light“ ein Lichtchen der Hoffnung im Festspielhaus entzündet. Das weltweit erste Tanz-Werk zur Corona-Krise , aufgeführt unter strikten Corona-Regeln im sparsamst besetzten Opernhaus, begeisterte das Publikum, das ursprünglich in diesem Herbst unter anderem die Hamburger Version der „Kameliendame“ erwartet hatte. Von der Elbe zur Oos spannt sich ein solides Band der Freundschaft, das möglicherweise durch die aktuelle Lage noch fester geworden ist. „Ghost Light“ hat nicht nur in künstlerischer Beziehung neue Maßstäbe gesetzt – die Organisatoren und das Publikum haben bewiesen, dass sich mit den Corona-Auflagen leben und Kunst genießen lässt – mit Disziplin, auf Distanz und höchstens mit Premierenfieber am Eröffnungsabend.
Während Festspielhaus und auch Theater ihre Lösungen der Publikumsplatzierung gefunden haben, steht das Kurhaus vor noch größeren Herausforderungen: Welttanzgala und Silvesterball ohne eigene Betätigung der Tanzfans auf dem geliebten Kurhausparkett? Zum Stillstand verdammte Tanzbeine im Mauerblümchen-Modus? Die Baden-Baden Events haben für beide Galas ein Konzept erarbeitet, dessen Umsetzung alles andere als einfach ist: Auf der großen Tanzfläche werden bei „Souldance“ Zweiertischchen stehen – die Shows finden nur auf der Bühne statt. Vierertische flankieren die Fläche in gebührendem Sicherheitsabstand voneinander. Zum Trost für das erzwungene Stillsitzen wird ein Drei-Gänge-Menü serviert, das beliebte Glas Sekt zum Willkommen beim Schaulaufen im Foyer wird am Tisch serviert, wo dann auch die obligatorische Maske fallen darf. „Fraternisieren“ der Gäste durch Wechsel des Platzes ist ebenso verboten wie das Aneinanderrücken von Tischen. So richtig spannend wird es aber erst zum Jahreswechsel: Für diese für viele Gäste wichtigsten Nacht des Jahres können nur Vierertische gebucht werden. Pech für Paare oder gar Singles. Und was ist eigentlich mit den schon vor dem Lockdown verkauften Eintrittskarten im Doppelpack? Freundschaften dürften stark strapaziert werden, wenn von drei Ehepaaren, die traditionell ihren Sechser-Tisch buchen, ein Paar daheim bleiben soll. Warum ausgerechnet an diesem Tag keine Zweiertische wie bei „Souldance“ angeboten werden? Kostengründe führen die freundlichen Damen an den Vorverkaufsstellen unter Berufung auf „ganz oben“ an. Stellt sich also die Frage, ob das feierwillige Pärchen sehr tief in den Geldbeutel greift, einen Vierertisch für Show und Gala-Menü ohne Tanz ordert und auf Verstärkung durch ein bekanntes Paar zum „flotten Vierer“ hofft, oder ob es sich nicht gleich eine Alternativlösung für traute Zweisamkeit in festlichem Rahmen sucht.
Irene Schröder