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Kontaktarme Enge -Ferne Nähe

Wann tanzt sich Baden Baden aus der Pandemie?

Foto: Baden-Baden Events GmbH

„Hol sie noch näher an Dich ran, dann wird es klasse!“ forderte kürzlich „Let’s dance“-Juror Joachim Llambi Boxstar Simon Zachenhuber auf, der zu seiner Profi-Partnerin Patricija Belousova bei der Rumba wieder einmal zuviel Abstand gewahrt hatte. Schade, dass die gestrenge Tanzlegende keinen Einfluss auf die restliche Tanzszene außerhalb des RTL-Parketts hat. Corona zwingt nämlich nicht nur Hobbytänzer zur Abstinenz: Seit Monaten herrscht bei den Sportlern absolutes Trainingsverbot.

Wie sich die Pandemie finanziell bei Tanzlehrern und Trainern auswirkt, die größtenteils von Privatstunden leben, kann man sich vorstellen, Profipaaren entgehen lukrative Showauftritte bei Bällen und Galaveranstaltungen. Im Baden-Badener Kurhaus, das sich über Jahrzehnte nicht zuletzt dank des Engagements des damaligen „Festival“- Chefs Joachim Heiermann den Ruf eines „Mekkas des Tanzsports“ erworben hatte, dürfte es auf lange Zeit keine Weltmeisterschaften, Cups und Showwettbewerbe mehr geben, denn der Sportbetrieb als Basis von Spitzenleistungen ruht komplett: Kein Training, keine Turniere, keine Qualifikationen für nationale und internationale Wettbewerbe. Während Profi-Paare wenigstens mit Impfschutz, beziehungsweise Negativtest, unter strengen Auflagen trainieren durften, blieb den Amateuren nur Ersatzsport wie Joggen oder Krafttraining im eigenen Haus – wenn man weiß, dass Amateurpaare aller Altersstufen in den beiden höchsten Leistungsklassen zumindest vor wichtigen Turnieren bis zu fünf Mal pro Woche sowohl allein als auch mit wechselnden Trainern auf der Fläche stehen, kann man sich vorstellen, was dieses Trainingsdefizit bedeutet.

Foto: Baden-Baden Events GmbH“

Doch es gab einen Lichtblick nach Monaten der Abstinenz: Im April verkündete der Tanzsportverband, dass Paare – verheiratet oder zumindest fest verbandelt – wieder trainieren dürften: Aber nur allein in einem Saal – und kontaktlos. Zu Übungszwecken arbeitet sich schon mal jeder Partner im Training allein durch die Choreographie, aber gerade im Standardtanzen erfolgt die „Information“ der Partnerin durch den Partner vorwiegend über den berühmten Kontaktpunkt im Rippenbereich – kontaktlos oder kontaktarm geht da wenig.

Ein paar Tage später wurde dieses Regelung gelockert: das Paar durfte sich wieder in Tanzhaltung näher kommen. Trainer hatten nach wie vor Arbeitsverbot, es sei denn, sie arbeiteten mit Paaren aus den jeweiligen Landeskadern, Profis oder – jetzt kommt der Clou für Amateurpaare – nur mit einem Teil des Paares. Der andere Teil durfte sich nicht einmal im selben Raum aufhalten. Gruppentraining, gerade beim tanzsportlichen Nachwuchs wichtig, bleibt verboten, nicht einmal beim garantiert kontaktlosen Zumba-Workout dürfen die Tänzer gemeinsam trainieren. Die Folgen der Pandemie werden sich noch lange bemerkbar machen, sei es im sportlichen nationalen und internationalen Bereich oder – auch und gerade für Baden-Baden schmerzlich – im gesellschaftlichen Bereich. Tanztee in der Bel Etage des Kurhauses? Illusorisch. Welttanz-Gala Anfang November? Höchst unwahrscheinlich, höchsten als reine Showveranstaltung vor kleinem maskenbewehrten Publikum, das brav auf seinem Platz bleibt. Aber selbst das wäre ja schon Highlight.

Irene Schröder

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