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Allgemein Auswärts Kultur

Dem Himmel so nah

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Eine der unbestritten schönsten Orte Niederbayerns ist das in einer Biegung der Donau gelegene Bogenberg. Es darf, wie etwa das Kloster Andechs, für sich in Anspruch nehmen, ein sogenannter Hl. Berg zu sein. Um diesem Anspruch gerecht zu werden sollten in etwa folgende Voraussetzungen erfüllt sein: auf der Gipfel des Berges sollte sich eine Wirtschaft befinden, am besten mit angeschlossenem Kloster nebst Kirche. Ganz wichtig ist, dass die Kirche Heimstatt einer Reliquie ist, deren Heiligkeit im Idealfall durch den Besuch eines Papstes bezeugt wurde (was mit dem Auftritt Benedikts XVI. der Fall war). Der Heiligkeit des Ortes in keinster Weise abträglich wäre zudem noch der Besuch eines CSU Vorsitzenden.

Dass der Bogenberg alle drei Voraussetzungen in fast beispielhafter Weise erfüllt, adelt den Berg außerordentlich, zumal sich im Inneren der Kirche ein sogenanntes ‚Gnadenbild‘ befindet. Hierbei handelt es sich um ein Muttergottesbild, das, so die Sage, im Jahr 1104 wundersamerweise gegen die Strömung auf der Donau angeschwemmt wurde und fortan in der Klosterkirche verblieb.
Die auf dem Bild gezeigte Muttergottes ist, wie unschwer zu erkennen, gesegneten Leibes, d.h. sie ist schwanger. Unmittelbar vor ihrem gesegneten Leib bemerkt man darüber hinaus noch ein kleines Bild, auf dem das Jesuskind zu sehen ist. Das Interessante daran ist, dass uns der Künstler mit diesem malerischen ‚Kniff‘ (so darf man das jetzt mal so sagen) eine Sicht ins Innere der schwangeren Mutter ermöglicht. Ohne die Heiligkeit der Figur in Frage stellen zu wollen, könnte man sagen, dass es sich hierbei um eine Art frühen Ultraschalls handelt, was der Figur gerade in Zeiten ungehemmten Postes von noch nicht geborenem Leben eine interessante aktuelle Komponente verleiht.
Wem nach dem Besuch der Kirche der Sinn danach steht, sich draußen noch etwas ergehen, dem sei der Besuch des Friedhofs empfohlen. Dort wird sein Auge vielleicht einen Grabstein entdecken, der, aus glänzendem schwarzem Marmor, vom Schicksal eines Gefallenen des 1. Weltkriegs erzählt. Der Mann fand den Tod in der Schlacht bei Verdun. Zurück blieben – so steht dort zu lesen – „die trostlose Gattin Erna“ mit den vier Kindern. Sein Streben habe nur der Kunst gegolten, so meldet der Grabstein. Um dann im angemessenen Ton fortzufahren: „Die Leier sprang, die Saite riss“.

Wir dürfen getrost davon ausgehen, dass der Verlust des tapferen Mannes für die Familie unersetzlich war. Über den künstlerischen Verlust, den sein Tod mit sich gebracht hatte, lässt sich der Grabstein so recht nicht aus. Immerhin gibt uns die Inschrift vielleicht einen kleinen Hinweis auf seine Sangeskunst. Der auf dem Grabstein in Gold verewigte Name des Sängers lautet: Herrn Rupert Krää.

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Der Bürger allein – auf der Bühne daheim

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„Schein oder Sein – der Bürger auf der Bühne des 19. Jahrhunderts“ im Museum LA 8 in Baden Baden

Sie wären ganz schön überrascht, oder vielleicht eher „geflasht“, die Selfie-verliebten Teenies an der Bushaltestelle in der Lichtentaler Straße 8, wenn sie sich die Mühe machten, ein paar Schritte in den Hof in Richtung Museumseingang zu schlendern. Im LA8, dem Baden-Badener Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts, inszenieren sich nämlich Herrschaften in Frack und Seidenweste, großer Robe oder strengem schwarzen Seidenkleid samt Spitzenkragen ähnlich wie ihre Nachfahren in Löcherjeans und Skinnytops. Auch sie agieren auf der Bühne des Lebens, spielen ihre von der Gesellschaft verordneten Rollen und präsentieren sich Zeitgenossen und heutigen Betrachtern in ihrer bürgerlichen Welt des schönen Scheins – naja, den heutigen Akteuren geht es meistes weniger um großbürgerliches „Wellbeing“ als vielmehr um Originalität und Veralberung des „good good life“ à la Baden-Baden sowie der Unterstreichung der eigenen Wichtigkeit.

Wichtig nahmen sich allerdings auch die Bürger, die im 19. Jahrhundert nicht länger Zaungäste in den Hoftheatern sondern hochgeschätztes Publikum in den öffentlichen Opernhäusern und Theatern waren. Das Bildungsbürgertum begnügte sich nicht damit, in Loge und Parkett den Künstlern auf der Bühne zu applaudieren – wer es sich leisten konnte, inszenierte für Leinwand oder auch schon Kamera das eigene Wohnzimmer als Bühne, um als Minnesänger oder Gretchen für Zeitgenossen und Nachwelt zu posieren. In „lebenden Bildern“ schlüpften ganze Familien in kostbare Kostüme, um Szenen aus der Mythologie, germanischen Sagen oder beliebten Bühnenklassikern nachzustellen. Auch die Maler schufen ihre Scheinwelten: Das Nobel-Atelier mit Palmen, Triumphbögen und kostbaren Möbeln diente nur als Kulisse für Feste und Kundenfang aus den Reihen der „oberen Zehntausend“ – gearbeitet wurde ganz woanders.

Wer sich ins Rampenlicht – und sei es nur das der heimischen Lampen – begibt, ist vor Kritik nicht sicher, und so machten sich Spötter in Bild und Wort mit Begeisterung daran, an dem schönen Schein zu kratzen – wunderbar ironische Arbeiten sind in der mit viel Liebe gestalteten Ausstellung zu besichtigen. Die unmittelbare Nähe des Museums zum Baden-Badener Theater schlägt sich nicht nur in einigen Exponaten nieder: Das Haus am Goetheplatz kooperiert mit Lesungen und mehreren Veranstaltungen bis zum Ausstellungsende am 8. September mit dem Nachbarn im LA8.

Infos: „Schein oder Sein – der Bürger auf der Bühne des 19. Jahrhunderts“, Museum LA8, bis 8. September, www.museumla8.de

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Zeit der Häutung Teil 1

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Der junge PICASSO. Die Blaue und Rosa Periode.    In der FONDATION BEYELER in Riehen

Privatsammlung
© Succession Picasso / 2018, ProLitteris, Zürich

Wie nahezu jedes Jahr, so ist Anfang Februar auch dieses Jahr recht düster. Nicht mehr richtig Winter und noch kein Frühling. Alles ziemlich grau. Zeit für ‚was Schönes, Zeit fürs Museum. Also ab in den Süden, nach Riehen bei Basel. Hier bietet sich einmal mehr die ‚Fondation Beyeler’ an, über die wir immer wieder einmal berichtet hatten, ganz einfach, weil ihre Ausstellungen einen wunderbaren Vorwand liefern, trübem Wetter zu entfliehen.

Diesmal widmet man sich dort mit einer Ausstellung dem frühen Picasso und seiner sogenannten ‚Blauen’ und ‚Rosa’ Periode. Sie umfasst den Zeitraum zwischen 1901 und 1907. Dabei handelt es sich um das aufwändigste Projekt, das die ‚Fondation Beyeler’ je angegangen ist. Die Vorbereitungszeit hat 4 Jahre gedauert. Man spricht von allein einer Versicherungssumme von 4 Milliarden Franken. Auch wenn das Zahlen sind, die beeindrucken, können sie doch kaum die Faszination des Gebotenen bebildern.

Das beginnt bei den noch recht frühen, farbigen Bildern, die vom Einfluss van Goghs und Toulouse-Lautrecs erzählen,

Foto: © RMN-Grand Palais (Musée national Picasso-Paris) / Mathieu Rabeau

bis wir dann von der nächsten, der Blauen Periode sprechen. Sie beginnt so etwa 1901. Deren Beginn setzt man an mit dem Selbstmord seines Freundes Carles Casagemas, der, unglücklich verliebt, zunächst seine Geliebte erschießen wollte, sie dabei aber verfehlte, um sich dann selbst umzubringen. Die düsteren Bilder seines aufgebahrten Freundes markieren hier den Eintritt in diese Periode.  Diese Bilder kreisen oft auch um Armut, um Bettler, Gefangene und Menschen in den Fängen des Alkohol. Die Farben sind eher düster, blau, grau. Allenfalls mal eine rote Blume in der Hand einer Frau.

Dann aber, so gegen 1904, kommt mehr Leben in seine Leben. Picasso bezieht ein Studio im ‚Bateau-Lavoire’, ein verwahrlostes Künstlerhaus auf dem 

Musée national Picasso-Paris

ParisMontmartre. Man mag sich das kaum vorstellen: eine einzige Waschstelle für 12 Bewohner, zudem ein stinkendes WC, dessen Tür sich nicht schließen lässt. Geheizt wird mit den üblichen Kanonenöfchen. Kaum nachvollziehbar, und doch sollte dieser Schuppen – man kann es nicht anders sagen – zu einer Art Keimzelle der Moderne werden.

Die Freunde des Malers sind schon alle da, weshalb sich auch sein Gemüt aufhellt, trotz besagter Lebensumstände. Man hatte wenig zum Leben, aber von dem hatten alle viel. Montmartre, das war volles Leben, Inspiration, Freude und Freunde. Unter diesen äußeren Umständen ändert sich auch Picassos Malstil. Heitere Rosa- und Okkertöne halten in den Gemälden Einzug. Gaukler, Artisten, Akrobaten. Nach den Worten seines Dichterfreundes Guillaume Apollinaire tauchte „Picassos Malerei, blau von Mitleid, aus den Tiefen eines Abgrunds auf“, was eindringlich die in den in Riehen präsentierten Gemälde zeigen. Es erscheint dort die ganze bunte Schar. Dazwischen auch Bilder von knabenhaft kindlicher Unschuld, wie etwa die Fillette au panier de fleure, von denen man  hofft, dass sie von den Kritikern Balthus’scher Sujets so schnell nicht als ‚verdammenswert’ entdeckt werden.

Doch ein Leben in fortwährende Armut ist auf die Dauer nichts für den Künstler Picasso…

Demnächst hier Teil 2

 

Allgemein Kultur Malen & Schnitzen

Zeit der Häutung Teil 2

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Der junge PICASSO. Die Blaue und Rosa Periode.    In der FONDATION BEYELER in Riehen

© RMN-Grand Palais (Musée de l’Orangerie) / Hervé Lewandowski

Doch ein Leben in fortwährender Armut ist auf die Dauer nichts für den Künstler Picasso.

Der Kunsthändler Ambroise Vollard hatte von ihm 20 Bilder für 2000 Francs erworben. Dies entspricht einem heutigen Wert von ca € 8000. Immerhin war er damit seine finanziellen Probleme für’s erste los. Nach diesem Abschnitt, auch die ‚Rosa Periode’ genannt, tritt der Maler, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Bilder Gaugins, in eine dritte, die sogenannte ‚primitivistische’ Periode ein. Plötzlich tauchen imposante, weibliche Akte auf. Wir erleben in den Bildern massige Körper, klare Einfachheit. Wir erkennen Einflüsse afrikanischer und ozeanischer Kunst. All das wird kurz darauf in den Kubismus münden, dessen Meisterwerk „Les demoiselles d’Avignon“ sich in den in Basel präsentieren Skizzen und Bildern bereits ankündigt.

© 2017, Succession Picasso/ProLitteris, Zürich Foto: Robert Bayer, Basel

Dass sich die Bedeutung der Kunst nicht ausschließlich im Bild abzeichnet, ist so wahr wie banal. Und doch sollte man, um die Bedeutung des Gezeigten zu untermalen, auch über Geld sprechen. Die Fondation Beyeler selbst verfügt über einen bedeutenden Bestand von 33 Picasso Gemälden. Hinzu gekommen sind für diese Ausstellung jetzt 75 Leihgaben aus den großen Musen der Welt, an vorderster Stelle das ‚Musee d’Orsay’ und die ‚l’Orangerie’ in Paris. Weiter das ‚Metropolitan Museum’ in New York. Daneben unzählige andere Museen und private Leihgeber weltweit. Diese Bilder müssen versichert werden, und so spricht man von einer gigantischen Versicherungssumme von 4 Milliarden Franken, die für das Durchführen dieser Schau unerlässlich war.

Doch sollte man sich von den Summen nicht erschlagen lassen. Noch beeindruckender ist für den Betrachter die schier überwältigende Masse und Pracht des Gezeigten. Fast ungläubig sieht man dem Maler Picasso dabei zu, wie er, gleich einer Schlange, sich „häutet“, wie er innerhalb kürzester Zeit seine Malerei und deren Stil revolutionär verändert. Man wird Zeuge einer Explosion, wie wir sie viel später und auf einem gänzlich anderen künstlerischen Feld, z.B. auch von den Beatles erleben. Es war an ihnen, binnen acht Jahren die Popmusik zu revolutionieren. Man mag uns den Vergleich verzeihen…

© 2017. The Metropolitan Museum of Art / Art Resource / Scala, Florenz

Dabei erleben wir beispielhaft in Picassos Biografie aber auch in den gezeigten Bildern, wie rücksichtslos Künstler sein können, vielleicht aber auch sein müssen. Immer wieder lässt Picasso alles Gestrige hinter sich. Malstil, Frauen, Freunde, Galeristen und Orte. Angefangen hatte alles in Barcelona. Der Weg hatte ihn zunächst über Madrid nach Paris geführt. Und dann, erst viel später – es muss so um die 1944 gewesen sein –, kehrt er ein letztes Mal mit seiner neuen Liebe, Francoise Gilot, an die Stätte seines frühen Schaffens zurück. Er hatte sich gehäutet und das Bateau Lavoire hinter sich gelassen. Und es sollte ausgerechnet Francoise Gilot sein, die ihn, Picasso, dereinst selbst hinter sich lassen würde. Auch sie hatte sich gehäutet.

So erzählt die Ausstellung in Riehen in wunderbarer Weise von Beidem. Vom Kommen und Gehen. Vom Vergangenen und der Zukunft. Für Beides steht Picasso gleichermassen.

 

Allgemein Gastbeiträge Institutionen Kultur Menschen

Die Prinzenrolle

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Echt närrisch – in Baden-Baden findet sich keiner, der will.

Im Märchen und im Rheinland wäre so etwas unmöglich: In der Baden-Badener Narrenzunft findet sich kein edler Prinz, um die schöne Prinzessin in Richtung Thron, beziehungsweise Bühne, zu geleiten! Während in Köln oder Düsseldorf gestandene Geschäftsleute locker einige Tausend Euro samt viel Freizeit investieren, um im samtigen Pumphöschen und Strumpfhosen Ansprachen und Küsschen zu verteilen, mag in Baden-Baden offenbar kein Fastnachter die höchste Würde anstreben. Ein Fasnet – Gau. Zum ersten Mal in der Geschichte der honorigen Zunft wird es dieses Jahr wohl nur eine Prinzessin an der Spitze der Narrenschar geben.

Nun mag ein vom Virus der Fasnet-Tollerei nicht Angesteckter argumentieren: sooo toll sei die Prinzenrolle ja nun auch wieder nicht. Festabend für Festabend sich mehr oder weniger witzige Reden anhören, selbst reden, mit der Prinzessin schäkern, ohne die eigene Partnerin eifersüchtig zu machen, Tanzkünste vorführen, beim Umzug Bonbons werfen und möglicherweise im Regen stehen – welche echter Mann mag das wirklich? Da braucht es schon eine gehörige Portion Begeisterung für die närrische Sache, um sich wochenlang prinzenmäßig zu präsentieren. Aber gibt es denn nicht wenigstens EINEN Kavalier, der der einzelkämpfenden Prinzessin galant zur Seite steht – so wie es die Ehemänner von OB Mergen und Eventschefin Waggershauser vorbildlich praktizieren! Aber was heißt schon ‚vorbildlich’? Bei beiden Damen ist das „Ausüben einer närrischen Tätigkeit in Begleitung“ Teil des Dienstvertrags. Das kann man nachsehen unter ‚Anforderungsprofil‘. Steht ganz klein gedruckt. Unten links.

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