Der Badenblogger » Juni 2020

Monthly Archives: Juni 2020

Allgemein Gastbeiträge Kultur Malen & Schnitzen

Baden in Schönheit

Published by:

Dass „Baden in Schönheit“ mit Baden-Baden in unmittelbarem Zusammenhang steht, ist fast schon selbstverständlich. Dass gerade diese Ausstellung über die Optimierung des Körpers im 19. Jahrhundert  unter Corona-Vorzeichnen aber neue Aktualität gewinnt, war bei der Planung noch nicht abzusehen. Die Entwicklung des von Gott gegebenen Leibs zum selbstverantwortlich gestählten und gepflegten Körper mit Hilfe von Technik und Medizin entspricht nämlich nicht nur dem Konzept des Museums, sondern spannt den Bogen zur Gegenwart: Was You-Tube-Nutzern ihr Fitness-Video war den körperlich weniger als früher beanspruchten Bürgern des 19. Jahrhunderts ihr illustriertes Gymnastikprogramm.

Geräte wie der samtbezogene Rumpfdrehstuhl dienten als Vorläufer des Fitness-Studios der Körperoptimierung, Prothesen ersetzten, was Krieg oder Unfall dem Körper geraubt hatten. Das große Corona-Zauberwort „Hygiene“ zog mit Badezimmern samt Wasserklosetts in die Wohnungen ein. Badehäuser und Schwimmbäder erlebten ihre erste große Blütezeit. Sportliche Betätigung im Wasser und an der frischen Luft – sogar hüllenlos, aber natürlich nach Geschlechtern getrennt – war „in“, ebenso Behandlungen mit Strom für mehr Vitalität. Das Korsett sorgte als „shape wear“ quer durch die sozialen Schichten für schlanke Damentaillen, Paraffin als frühe Botox-Variante für straffe Gesichtszüge. Auch Verschwörungstheorien gehören keineswegs exklusiv ins Corona-Umfeld: Kokovone Menschen schworen auf die Kokosnuss als einzig wahres Lebensmittel, büßten allerdings im Aussteiger-Domizil in der deutschen Kolonie Neu-Guinea einiges an Gesundheit ein.
Wie eine Schnittstelle zwischen den Bereichen „Kunst“ und „Technik“, beziehungsweise Medizin wirkt Julius Kollmanns Buch „Plastische Anatomie des menschlichen Körpers für Künstler und Freunde der Kunst“ aufbauend auf Zeichnungen Michel Angelos. Die befreiten Körper in der Natur, vor allem beim Baden, wurden ein großes Thema, von Künstlern wie Ludwig von Hoffmann oder Sascha Schneider nicht länger nach klassischem Ideal sondern durchaus realistisch gemalt. Skulpturen von Karl Albiker und Aristide Maillol zeigen „echte“ Menschen in natürlicher Bewegung statt in erstarrter Pose.. Nicht nur Maler und Bildhauer huldigten dem unverpackten Körper: Das neue Medium Fotografie entwickelte bald eine eigene Variation – die Pornografie. Die „Schmuddelecke“ in der Ausstellung ist nachdrücklich für Kinderaugen gesperrt.
Neue gesellschaftliche Entwicklungen rufen in jeder Epoche sofort auch die Karikaturisten auf den Plan. Matthias Winzen hat einem seiner besonderen Lieblinge dieses Genres viel Platz im Museum eingeräumt: Honoré Daumier ätzte mit spitzer Feder über die Absonderlichkeiten der Menschen im Bad – Mark Twain sparte auch nicht mit bissigen Kommentaren.
Im Dreiklang des Kooperationsprojekts „Baden“ mit Stadtmuseum und Kunsthalle entfaltet das LA8 seine ganz spezielle Sichtweise auf „Körperwelten“, ergänzt durch einen – wie üblich exzellent gestalteten – Katalog. (Bis 23. Februar 2021). Irene Schröder

Allgemein Stadtstreicher

Ein Freund, ein guter Freund…

Published by:

Letzten Sonntag, an der Haltestelle ‚Leopoldsplatz‘, ziemlich weit entfernt vom hektischen ‚Leo‘ – dort wo die Busse kreuzen und das verkehrsmäßige Herz unserer liebenswerten Kurstadt schlägt. Dort also hatte ich ein kleines, stilles Erlebnis, das es wert ist, hier festgehalten zu werden.

In Erwartung eines Busses nähert sich der Haltestelle eine Dame mittleren Alters und ziemlich stark gebaut. Die Absätze der Schuhe waren unter ihrem Gewicht schräg abgetreten; an ihrem dicken Unterarm baumelte eine lächerlich kleine Handtasche, die vom Inhalt stark ausgebeult war. Ihr zur Seite ein zotteliger kleiner Hund, erkennbar schlanker als sie. In seinem Aussehen fanden sich ungefähr drei Väter wieder. Die Dame, von einem Hauch Kölnisch Wasser umflort, nähert sich nun der Wartebank. Da das Hundchen leichter ist, erklimmt es mit großer Leichtigkeit die Sitzbank, bleibt aber zunächst noch stehen und wartet auf seine Herrin. Diese nimmt ächzend Platz, öffnet unmittelbar danach ihre Handtasche und zieht daraus ein gelbes Tuch hervor. Dann legt sie dieses auf die Bank. Der Hund steigt auf das Tuch, fährt sich mit der Zunge über die Schnauze und nimmt Platz. Jetzt sitzen beide.

Es nähert sich nun eine zweite Dame, nicht so stark gebaut, dafür aber deutlich älter. Sie setzt sich neben das Tierchen und blickt starr gerade aus auf die Strasse. Ob sie den kleinen, gefleckten Nebensitzer überhaupt bemerkt hat, ist zunächst noch unklar. Noch schaut sie nach vorne. Der Hund aber hat jetzt Witterung aufgenommen und schaut sie von der Seite her lange an. Dann schnuppert er wieder. Große Ruhe auf der Bank. Beide schauen jetzt wieder gerade aus. Stille. Und kein Bus weit und breit.

Plötzlich aber wendet sich das Hundchen erneut seiner Nebensitzerin zu, schnuffelt noch einmal vorsichtig, dreht den kleinen Kopf etwas zur Seite, als wolle er sie von vorne betrachten. Dann hebt er die Pfote, die die Dame – zu guter Letzt hat sie es bemerkt! – lächelnd ergreift. So bleiben beide eine lange Weile still sitzen.

Was soll man dazu sagen? Vielleicht dies: Ehrliche Freunde sind oft näher als man denkt. Und manchmal haben sie sogar vier Beine.

  • Archive

  • Besucher

    Total Visitors
    1135243
    524
    Visitors Today
    101
    Live visitors