Der Badenblogger » Dezember 2019

Monthly Archives: Dezember 2019

Allgemein Essen & Trinken

Heiße Marke

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Es ist nun schon eine ganze Weile her, dass hier berichtet wurde, dass aus der Pfalz mal wieder ein richtiger Knaller kommt. Es begab sich nämlich, dass man dort, jahreszeitgemäß, also im Sommer, ein Leberwursteis entwickelt hatte.

Nun wollen wir hier ausdrücklich nicht auf diesen blöden Witz Bezug nehmen, der da lautet: „Es ist 15 Meter lang und riecht nach Leberwurst – was ist das?“ Um dann alle rufen zu hören: „Ein Bus voll Pfälzer“. Solche Kalauer lehnen wir ab, wenngleich sie uns schon zu denken geben. Mit so einem geschmacklosen Gag ist in diesen Tagen Gottseidank auch kaum zu rechnen, wenn wir – ebenfalls aus der Pfalz – gemeldet bekommen, dass dort auch in diesen Tagen wieder eine GLÜHWEINKÖNIGIN vor ihr Volk tritt.

Sie heißt Sarah Schmitt und kommt aus Konz. Der Glühwein hat also auch dieses Jahr wieder  ein Gesicht bekommen. Diese famose Marketingaktion gibt es allerdings schon seit 2008, ist mithin nicht ganz neu. Seit 2008 kämpft man in der Pfalz gegen das liederliche Image des Glühweins, von dem viele glauben, er sei von Haus aus „süß, klebrig, pappig“. Lassen wir jetzt mal weg, dass wir nicht so recht wissen, was ‚pappig‘ meint. Wahrscheinlich aber dürfte das schlechte Image des Glühweins darin begründet liegen, dass es sich häufig genug bei dem ausgeschenkten Wein um gepanschte, minderwertige Ware handelt. Das würde darauf hinauslaufen, dass wir bisher einen rechten Weinbastard im Weihnachtsmarkt-Becher hatten.

Das mag überall so sein. Nicht aber in der Pfalz. Dort weist jede Glühweinkönigin in jedem einzelnen Interview, also immer wieder darauf hin, dass die wirkliche Basis dieses warmen Schoppens aus einem soliden, guten Pfälzer Wein bestehen sollte. Und da sie als Repräsentantin dieses vorweihnachtlichen Genussmittels im Auftrag der ‚Arbeitsgemeinschaft Trierer Weihnachtsmarkt‘ unterwegs ist, ahnt sie sicherlich auch, dass sie selbst mittlerweile eine beim Bundespatentamt eingetragene Marke ist. So vergisst sie auch nie hinzuzufügen, dass man als Wein am besten den Pfälzer ‚Dornfelder‘ nehmen sollte. Denn auch der ist beim Bundespatentamt eingetragen. Noch nicht eingetragen ist der obligatorische Interviewzusatz, dass sie als Glühweinkönigin nach einem Becher des ‚alkoholischen Heißgetränks‘ immer ‚auf Kinderpunsch umsteigt‘.

Falls sich nun eine Leserin berufen fühlen sollte, in die Fußstapfen der diesjährigen Glühweinkönigin zu treten, gilt es zu beachten, dass für die Glühweinkönig dasselbe gilt wie für den Basiswein: auch sie sollte das Prädikat ‚sortentypisch‘ tragen.

Allgemein Gastbeiträge Kultur

Mord mit Lokalkolorit: „Der Fall Hau“ im Theater in Baden Baden

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lässt alle Fragen offen.

Eigentlich ist es ein hübscher kleiner Spaziergang von der Stadelhofer Straße über die Lindenstaffeln hinunter Richtung Kurpark und Stadtzentrum. Trotzdem soll es in den vergangenen Wochen mehrfach vorgekommen sein, dass sich vor allem in der Dämmerung einzelne Personen vorsichtig umschauten, ob sich nicht verdächtige Schatten an ihre Fußstapfen hefteten – schließlich fand hier anno 1906 ein grässlicher Mord statt: Das Opfer, Josefine Molitor, eine Dame der Baden-Badener Gesellschaft, der Täter, Karl Hau, ihr Schwiegersohn. Das Motiv: Geldgier.

Doch so einfach war es wohl doch nicht, denn der „Fall Hau“ schrieb Kriminalgeschichte und erregte sogar internationales Aufsehen. War er’s oder war er’s nicht? Diese Frage bewegte nicht nur die Gemüter der Zeitgenossen, denn der Prozess, der mit der Verurteilung des schillernden Hochstaplers endete, hatte das Zeug zum handfesten Justizskandal. Im Theater Baden-Baden bleibt die Antwort ebenfalls aus – nach über drei Stunden Hochspannung und einer grandiosen Leistung der (nur) vier Akteure mit furiosem Rollentausch wird es den Zuschauern überlassen, ihr Urteil zu fällen – Schwiegermuttermörder, Anstifter der Tochter und Geliebten zum Muttermord oder unschuldig Beschuldigter in einem Netz komplizierter Verstrickungen?

Nicht nur das Lokalkolorit dieses absoluten Höhepunkts der aktuellen Spielzeit mit dem Motto „Gerechtigkeit“ macht den „Fall Hau“ zu einem „Muss“ für Freunde des Hauses am Goetheplatz. Unbedingt zu empfehlen ist die den Aufführungen vorgeschaltete Einführung in das Stück, das auf einem Roman des in der Kurstadt und beim SWR wohl bekannten Autors Bernd Schröder basiert. Der Münchner Regisseur Rudi Gaul hat sich der Romanfassung für seine Uraufführung in Baden-Baden bedient und spielt gekonnt mit den gesellschaftlichen Vielschichtigkeiten, die Schröders „Hau“ so elegant durchmischt. Er gewährt dem Publikum quasi Akteneinsicht, zitiert aus Originalbriefen und ermöglicht per Video eine Tatortbegehung – nur ein paar Schritte vom Theater entfernt. Mattes Herre in der Rolle des zwielichtigen Karl Hau liefert eine großartige Leistung ab, die drei Baden-Badener Schauspielerinnen Rosalinde Renn, Nadine Kettler und Maria Thomas stehen dem Gast in nichts nach. Und ein weiteres Plus dieses Stücks: Rudi Gaul zwingt das Quartett nicht zum Sprech-Stakkato, mit dem viele treue Besucher bei vergangenen Inszenierungen verärgert wurden. Klar verständlich kommt rüber, was eigentlich nicht zu verstehen ist –warum seitens der badischen Justiz so schwere Fehler begangen wurden.

„Der Fall Hau“ steht am kommenden Wochenende drei Mal auf dem Spielplan – unbedingt zu empfehlen.

Irene Schröder

 

Fotos:  Jochen Klenk

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